Eine kleine Chronik zum politischen Inferno 2008/2009,
mit Zitaten der Einheitsfront von "Hugenberg"-Presse, INSM-Blockparteien und ihrer Fünften Kolonne, den aufRECHTEn "Sozialdemokraten" -- ergänzt mit einigen kritischen Wortmeldungen, die (wie auch weitere) aufgrund der Propaganda-Wucht eine größere Öffentlichkeit kaum erreichen konnten.
Randnotiz: Anlass für diesen Rückblick ist die Meldung SPD-Rechte gründen eine Landesgruppe
2007
SPD: Beck will "Agenda 2010 korrigieren
Die SPD-Spitze denkt offenbar über Korrekturen an der umstrittenen Reformagenda 2010 des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) nach ...
Ypsilanti fordert Nachbesserung
Auch aus den Ländern kamen von SPD und Grünen Vorstöße zur Korrektur der Arbeitsmarktgesetze. Die Spitzenkandidatin der hessischen SPD, Andrea Ypsilanti, sagte, die SPD müsse „die Partei der sozialen Moderne“ sein. Sie forderte eine Nachbesserung von „Hartz IV“. Die rheinland-pfälzischen Grünen sprachen sich dafür aus, den „Hartz IV“-Regelsatz um 20 Prozent zu erhöhen und ein Grundeinkommen einzuführen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (30. Sept.)
-- NGO online (1. Okt.): "Hier hat Profit auch seine Grenzen": SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti setzt im Wahlkampf auf "Neue Energie"
Mit einer kämpferischen Rede hat die Spitzenkandidatin der hessischen SPD, Andrea Ypsilanti, ihre Partei am Wochenende auf den Landtagswahlkampf eingestimmt. Die CDU habe das Land mit einer "neoliberalen Politik" abgewirtschaftet, die Zeit sei deshalb "reif für den Wechsel" und für eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin, sagte sie am 29. September auf dem SPD-Wahlparteitag in Wiesbaden. Die Delegierten wählten die 50-Jährige mit 97 Prozent auf Platz eins der Landesliste. Im Anschluss verabschiedete der Parteitag einstimmig das SPD-Programm für die Wahl Ende Januar.
- "Ein Stundenlohn von 3 Euro 50 ist schlicht sittenwidrig"
- Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie überwinden
- "Die Arbeitszeitverlängerung für Beamte wird korrigiert"
- "Neue Energie für Hessen"
- "Die öffentliche Daseinsvorsorge gehört in die Öffentliche Hand"
- "Sie haben wirklich ernst gemacht mit der sozialen Auslese"
- Innere Sicherheit mit Augenmaß und Professionalität
SPD rüttelt an Schröders Erbe
Die Spitze der SPD ist sich einig: Die Agenda 2010 soll überarbeitet werden. Bei den Genossen stoßen sie damit jedoch auf Widerstand.
Doch nicht alle in der SPD teilen diese Meinung. Kritik kommt unter anderem von Nina Hauer, Sprecherin des reformorientierten SPD-Netzwerks. Sie hat vor einem "Bruch mit der Agenda 2010" gewarnt.
"Es wäre absurd, wenn wir jetzt einknicken und unsere erfolgreichen Arbeitsmarktreformen selbst in Frage stellen", sagte Hauer dem Berliner Tagesspiegel. Die Umsetzung der Pläne wäre "ein Bruch mit dem Geist der Agenda, Menschen in Arbeit zu bringen, statt ihre Arbeitslosigkeit zu subventionieren", sagte Hauer.
Ihre Befürchtung: Wenn die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für Ältere verlängert werde, würden Unternehmen wie in der Vergangenheit verstärkt ältere Arbeitnehmer entlassen. "Das können wir uns nicht leisten, denn das werden alle Sozialversicherten bezahlen müssen."
Auch die SPD-Rechte lehnt generelle Änderungen an der Agenda 2010 ab. Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, wies Forderungen des Arbeitnehmerflügels, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I auf zwei Jahre zu verdoppeln, zurück.
Im Deutschlandfunk sagte er: Derartige Positionen, wie sie der SPD-Linke Ottmar Schreiner vertrete, seien "nicht die Mehrheitsmeinung der Partei und der Fraktion". Süddeutsche Zeitung (1. Okt.)
-- satire blog - Zynismus in Reinkultur (3. Okt.): Kurt Beck und die heilige Kuh Agenda 2010
Nachdem im vergangenen Jahr die CDU und allen voran Jürgen Rüttgers an der von Rot-Grün eingeführten Kürzung des Arbeitlosengeldes rüttelten, ist nun einer der wehementesten Gegner zum Befürworter einer Änderung beim ALG 1 geworden. Kurt Beck verschreckt seine Parteigenossen mit dem selben Vorschlag älteren Arbeitslosen einen längeren ALG 1 Bezug einzuräumen. Damit bringt er die ganze Schröderriege gegen sich auf.
Das süße Gift des Kurt Beck
Wer ein Leben lang gearbeitet und in die Versicherung eingezahlt hat, soll auch länger Leistungen aus dem System beziehen und nicht schon nach einem Jahr Hartz-IV-Bezieher werden, forderte der SPD-Vorsitzende Kurt Beck und will das Rad der Geschichte wieder ein Stück zurückdrehen - nämlich vor das Jahr 2003, als festgelegt wurde, dass das System gestaffelter Bezugszeiten von maximal 32 Monaten sukzessive auf zwölf heruntergefahren wird (...) Beck will nun wieder auf 24 Monate hochgehen - ein Vorschlag, mit dem der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in anderer, angeblich kostenneutraler Form im Vorjahr seine Partei tief spaltete, beim Wahlvolk jedoch überwiegend auf Zustimmung stieß. Auch Becks Feldzug für mehr Gerechtigkeit reißt tiefe Gräben in der eigenen Partei auf und kommt in der Öffentlichkeit gut an, zumal der Rheinland-Pfälzer die Wohltaten im Umfang von zwei bis drei Milliarden Euro nicht wie die Union durch Einsparungen bei den Jüngeren gegenfinanzieren will, sondern durch einen Griff in den vollen BA-Topf. (...) Für seine Kritiker sind die Beckschen Sozialpläne dagegen ein rotes Tuch. Würden sie doch aus ihrer Sicht vieles über den Haufen werfen, wofür die Hartz-Reformen stehen. Eine „Rolle rückwärts“ nennt der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt das Vorhaben. (...) Als hartnäckigster Gegner Becks entpuppt sich deshalb Bundesarbeitsminister Franz Müntefering, der die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze einst mit auf den Weg gebracht hat. Der Vizekanzler hebt auffallend oft die Beschäftigungserfolge bei den Älteren hervor. „Sie werden wieder gebraucht und nicht entlassen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung (9. Okt.)
 
SPD-Ehrenvorsitz für Schröder zum Dank für die Agenda 2010
In der SPD melden sich jetzt auch die Unterstützer der Reformpolitik von Gerhard Schröder und Franz Müntefering zu Wort.
Bundestags-Vizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) meinte gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe): "Ich werde die Wahl von Gerhard Schröder zum Ehrenvorsitzenden auch deshalb vorschlagen, weil das auch ein Zeichen der Partei für die Unterstützung der von ihm eingeleiteten Reformpolitik sind soll." Mit der Agenda 2010 habe Schröder "Deutschland auf den Weg in die Zeit gebracht", so Frau Kastner. "Es gibt Teile in der SPD, die das Agenda-Reformpaket insgesamt aufschnüren wollen. Das darf nicht passieren." Sie forderte die Hauptbeteiligten, Kurt Beck und Franz Müntefering, zu "mehr öffentlicher Zurückhaltung im Streit und zu Kompromissbereitschaft" auf. So sollte für die SPD eine verlängerte ALG-I-Zahlung für 45-Jährige "völlig ausgeschlossen" sein, verbesserte Leistungen für ältere Arbeitslose wären aber durchaus überlegenswert.
 
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sieht in der von SPD-Chef Kurt Beck favorisierten Abkehr von der bisherigen Regelung beim Arbeitslosengeld I den Reformkurs der Agenda 2010 "tangiert". Nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" aus SPD-Präsidiumskreisen warnte der Politiker bei einer Schaltkonferenz des SPD-Führungsgremiums am Montag vor einer "drohenden, nicht akzeptablen" Arbeitsaufteilung, wonach die SPD-Regierungsvertreter weiter für Reformpolitik zuständig seien, als Beispiele habe er die Bahnreform und die Erbschaftssteuer-Reform genannt, und die Partei sich zurückziehe auf eine wohltuende Verteilpolitik. Steinbrück habe eindringlich vor dem Risiko "einer öffentlichen Spaltung" der SPD in Regierungs- und Parteipolitiker gewarnt. Es gehe für ihn jetzt im Kern darum, ob die SPD in der Lage sei, die Reformpolitik fortzusetzen, wurde Steinbrück von Gesprächsteilnehmern wiedergegeben.
 
Steinbrück, Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt haben zuvor, nach den Informationen der Zeitung aus SPD-Regierungskreisen, ihrem Vizekanzler und Sozialminister Franz Müntefering ausdrücklich versichert, dass sie als Regierungsmitglieder nur für eine Fortführung des eingeleiteten Reformkurses zur Verfügung stünden.
Demgegenüber habe der SPD-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) darauf hingewiesen, dass es "meine Aufgabe als Parteivorsitzender" sei, den Vorschlag zum Arbeitslosengeld I, einen Beschluss des SPD-Parteitages vorausgesetzt, anschließend im Koalitionsausschuss bei der Union auch durchzusetzen. Es habe sich "eine Gerechtigkeitslücke bei der Agenda 2010 aufgetan", und er als SPD-Vorsitzender sei geradezu "verpflichtet", die zu beseitigen. Beck habe diesen Vorschlag intern mit der Bemerkung verteidigt: "Da ist kein Verrückter auf dem Weg, der die ökonomischen Zusammenhänge nicht versteht."
Regierungserklärung: Müntefering lobt Agenda 2010
In seiner Regierungserklärung wollte Arbeitsminister Müntefering nicht direkt auf den Streit mit Kurt Beck eingehen. Mit einer positiven Bilanz der Lage am Arbeitsmarkt spricht er sich jedoch für ein Festhalten an der Agenda 2010 aus. FOCUS online (11. Okt.)
-- Plusminus, Saarländischer Rundfunk (23. Okt.): Streit um ALG I - Viel Rauch um (fast) nichts
Kurt Beck will Herzen gewinnen – und Macht
Mit der Verlängerung des Arbeitslosengeldes I will SPD-Chef Beck vor allem eines erreichen: Mehr Nähe zu den Menschen. Sein bürgernaher Politikstil soll nun Vorbild für alle Parteigenossen sein. Dieser Plan aber ist ein Fehler. DIE WELT (24. Okt.)
SPD-Kritik: Merkel sieht Sozialdemokraten auf dem Weg in den Sozialismus
Nein zum neuen Sozialismus der SPD: Kanzlerin Merkel hat sich scharf vom neuen Kurs des Koalitionspartners abgegrenzt. Parteichef Beck hatte der Union zuvor Marktradikalismus vorgeworfen. SPIEGEL online (26. Okt.)
Helmut Schmidt preist Schröders Agenda
Parteichef Beck ist gestärkt, aber wie reagiert sein ärgster Kritiker? Vizekanzler Müntefering ergreift heute auf dem SPD-Parteitag zum ersten Mal das Wort, Alt-Kanzler Schmidt preist derweil die Agenda 2010 ... SPIEGEL online (27. Okt.)
-- Klaus Stuttmann (30. Nov.)
-- Klaus Stuttmann (30. Dez.)
2008
-- Klaus Stuttmann (8. Jan..)
-- Klaus Stuttmann (8. Jan..)
-- Klaus Stuttmann (13. Jan..)
Der Ypsilanti-Faktor - links, weich, weiblich
Eine gute Rednerin ist Ypsilanti tatsächlich nicht. Sie verhaspelt sich häufig, wirkt fahrig und unkonzentriert. Das wird umso deutlicher, als unmittelbar nach ihr Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck spricht. Der war immerhin mal für fünf Monate SPD-Vorsitzender. Platzeck hält eine offensive Rede, sagt, Wahlkampf mache ihm Spaß und fordert die Leute auf, Koch bei der Wahl einen Denkzettel zu verpassen. Osmonde Brehme ist begeistert: "Ein toller Redner. Vor dem habe ich großen Respekt." Nur steht er in Hessen nicht zur Wahl.
Ypsilanti verzieht das Gesicht. Nicht nur, dass Platzeck besser ankommt als sie - auch was er sagt, passt der Hessin nicht. Der Ministerpräsident lobt die Erfolge der Schröder-Regierung: "Es war nicht alles richtig, aber der Kurs hat gestimmt." Das sieht Ypsilanti ganz anders. Sie gehörte zu den härtesten innerparteilichen Kritikern der schröderschen Agenda-Politik. Was den Kanzler einmal zu der Bemerkung veranlasste, "von den Ypsilantis in der Partei" lasse er sich das Regieren nicht vorschreiben. SPIEGEL online (17. Jan.)
Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen! Hessen-CDU
-- Tagesanzeiger (18. Jan.): Andrea Ypsilanti - links, lästig, erfolgreich
Für Gerhard Schröder war sie nur «diese Frau XY». Doch inzwischen bringt die hessische Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti die CDU ins Schwitzen - und ihre Partei auf Linkskurs.
Andrea Ypsilanti (SPD), die Roland Koch das Fürchten lehrt
Wer möchte, dass sich Andrea Ypsilanti (SPD) ein wenig entspannt, sollte sie auf ihre Ähnlichkeit mit Ségolène Royal ansprechen. Der frische Wind, den Royal im Rennen um Frankreichs Präsidentenamt verkörperte, der programmatische Linkskurs und die Anfeindungen, denen die Schöne im Kampf gegen das Biest ausgesetzt war - in all dem erkennt sich die hessische Spitzenkandidatin gerne wieder. Auch die 46,94 Prozent, die Royal im zweiten Wahlgang erreichte, sähe Ypsilanti am Wahltag ganz gern als ihr Ergebnis.
Unmöglich, dachte man
Das ist kokett, Träumerei. Und doch: Ypsilanti ist ein Phänomen. Weiblich, links und lästig mischt sie die Politik auf. Im Dezember 2006 setzte sich die Parteilinke noch denkbar knapp, mit 175 gegen 165 Stimmen gegen den eher reformorientierten Fraktionsvorsitzenden Jürgen Walter als Spitzenkandidatin ihrer Partei durch. Damals dachten die meisten in Berlin, dass das Rennen bereits gelaufen sei: die hessische SPD in zwei Lager gespalten, eine Parteilinke, eine Frau noch dazu, als Herausforderin des härtesten Wahlkämpfers der CDU, Roland Koch? Unmöglich, lautete der einhellige Tenor.
Doch inzwischen hat sich der Wind gedreht. Seit dieser Woche liegt Ypsilanti in den persönlichen Umfragen vor Koch, die SPD nur noch einen einzigen Punkt hinter der CDU (vgl. Kasten). Deshalb steht Ypsilanti nun da, eine zierliche Frau im dunklen Kostüm, lässt die vergangenen Monate im Zeitraffer noch einmal Revue passieren und bekräftigt: «Ich habe mir Ségolène Royal als Vorbild genommen.» Allerdings ist hessischer Landtagswahlkampf in Natura dann doch eine Nummer kleiner als der Kampf ums Elysée. (...)
Kritikerin Schröders
Ypsilanti weiss tatsächlich, was der Basis schmeckt. Die 50-jährige Arbeitertochter aus Rüsselsheim spielt die Evergreens der Sozialdemokratie: Mehr Gerechtigkeit, höhere Löhne für Arbeitnehmer, höhere Renten, sofortige Abschaffung der Studiengebühren. Als Gerhard Schröder die Partei mit seiner Agenda 2010 quälte, gehörte Ypsilanti zu seinen schärfsten Kritikern. Mit verächtlichen Bemerkungen über «diese Frau XY» und der Ankündigung, dass er sich «von den Ypsilantis» nicht aufhalten lasse, machte Schröder aus ihrem Namen ein Markenzeichen. Den Y-Namen hat die geborene Andrea Dill ihrem geschiedenen Mann, einem Griechen, zu verdanken; heute lebt sie mit ihrem Partner, ihrem Sohn, einem befreundeten Paar und deren Kindern in einer WG.
Blass, aber authentisch
Sie tourt mit einem Auto durch Hessen, auf dem ein rotes Y prangt. Mit roten Plastik-Ypsilon winken ihr die Fans zu. Das sieht professionell, durchorganisiert aus. Trotzdem wirkt sie nicht wie ein Politprofi. Neben den geschliffenen, messerscharfen und doch vorsichtig ausbalancierten Attacken des Ministerpräsidenten Koch wirkt Ypsilanti immer ein wenig hölzern, blass auch - aber authentisch. Sie verwendet kaum eine dieser fintenreichen Politikerphrasen, die die Menschen nicht mehr verstehen, bei denen sie aber spüren, dass da jemand jede Aussage zugleich relativiert, damit ihm niemand einen Strick draus drehen kann.
Bei Ypsilanti klingen die Botschaften glasklar: Wir da unten gegen die da oben. «Er kümmert sich um Millionäre. Sie kümmert sich um Millionen Hessen» steht auf ihrem Plakat. Ihr kommt zugute, dass Koch verschlagen wirkt und dass alle wissen: Die «Frau XY» war schon traditionell links, als das ihre Karriere gefährden konnte. Dass sie sich durch einen scharfen Links-Wahlkampf aus schier hoffnungsloser Lage nach vorn gekämpft hat, «das wird auch für die Bundes-SPD nicht ohne Folgen sein», ist Ypsilanti überzeugt. Bereits vor dem Hamburger Parteitag habe es bei ihrer Partei «klick gemacht», kommentiert sie den Linksruck von letztem Herbst zufrieden.
Die Agenda 2010 ist Geschichte
Beobachten kann man das bei Matthias Platzeck. Der Ex-SPD-Vorsitzende und brandenburgische Ministerpräsident ist als Wahlkampfhelfer nach Hessen geeilt, und auch er, der die Reformagenda im eigenen Wahlkampf ohne Wenn und Aber verteidigt hatte, schlägt nun andere Töne an. Er hält eine mitreissende Blut-Schweiss-und-Tränen-Rede, stilisiert die Agenda 2010 zu einer aufopferungsvollen Phase der SPD. «Es muss uns wehtun, wenn Menschen den ganzen Tag arbeiten und davon nicht leben können», ruft Platzeck in den Saal und behauptet zugleich, dass die Mehrheit im Land «intakte Herzen» besitze und uneigennützig für einen Mindestlohn einstehe.
Der Mindestlohn steht in Hessen zwar nicht wirklich zur Wahl. Aber die SPD geht dennoch mit Unterschriftenlisten für den Mindestlohn auf Stimmenfang. Weil sich die Menschen so einfacher ansprechen lassen - und weil das Thema die CDU fast zur Verzweiflung bringt. Die Unionspolitiker sind überzeugt, dass der Mindestlohn Arbeitsplätze vernichtet, aber sie glauben, dass ein striktes Nein politischer Selbstmord wäre. Deshalb lavieren sie und riskieren damit ihre Glaubwürdigkeit. Bei der CDU stöhnen sie inzwischen über das Thema. Mit Zähneknirschen reden sie von einem hessischen «Ségolène-Effekt».
Es geht auch um Merkels Macht
Ypsilanti selbst hat aus der Niederlage Royals die Lehre gezogen, dass es falsch wäre, im Endspurt Positionen aufzuweichen, um die Mitte zu buhlen. «Bisher habe ich euch nicht enttäuscht», spornt sie ihre Anhänger an, und selbst in den sterilsten Mehrzweckhallen jubelt ihr die Basis dafür zu. «Wechselstimmung» haben die Meinungsforscher der ARD inzwischen in Hessen diagnostiziert. Wenn ein Land, in dem die CDU eben noch mit absoluter Mehrheit regierte, tatsächlich verloren ginge - die Erschütterungen würden die Statik von Merkels Macht auf eine harte Probe stellen.
FDP bietet Clement Mitgliedschaft an (SPIEGEL online, 20. Jan.)
• Jeder verfolgte Anhänger der sozialen Marktwirtschaft ist der FDP willkommen. Guido Westerwelle (21. Jan.)
-- der Vorsitzende des OV Hamme Rudolf Malzahn fordert W. Clement auf, die Partei zu verlassen:
Lieber Genosse Wolfgang Clement,
Mit Deiner Aufforderung, in Hessen die SPD nicht zu wählen, hast Du erneut deutlich gemacht, dass Du das Mannschaftsspiel der demokratischen Meinungs- und Willensbildung innerhalb unserer SPD nicht akzeptieren willst. Unser gemeinsamer Freund Johannes Rau hat übrigens gern das Bild vom "Denken und Handeln auf Nebenmann in unserer Demokratie" geprägt. Es ist schade, das Du sein Vermächtnis durch wiederholtes, massiv fehlerhaftes Handeln nur so ungenügend vertreten kannst.
Aber wahrscheinlich gilt ja nach wie vor der richtige Spruch der "kleinen Leute":
'Wes' Brot ich es, des Lied ich sing'. Offensichtlich haben Dein Engagement für den Verband der Unternehmen Zeitarbeit und für RWE Dir doch etwas die sozialdemokratische Sicht der Dinge vernebelt.
Statt Hilfestellung für unsere hessischen Freunde in der SPD zu geben, begehst Du unmittelbar vor dem Torschuss ein schweres Foul gegen die Stürmer der eigenen Mannschaft. Man könnte fast den Eindruck haben, Du bist von der gegnerischen Mannschaft bestochen worden. Das verstärkt sich
besonders dadurch, dass Du zudem noch der Atomenergie das Wort redest, die bereits vor Deiner Zeit als Wirtschafts- und Arbeitsminister des Bundes (übrigens ein schwerer personalpolitischer Fehler von uns) durch Beschluss der Bundesregierung unter Leitung von Bundeskanzler Schröder zum
Auslaufmodell deklariert wurde.
Lieber Wolfgang, das Menschliche soll uns trotzdem nicht verloren gehen. - Da Deine Konflikte mit uns als SPD unerträglich werden, rege ich an: gib Dein Mitgliedbuch ab. Es wäre für Dich und für uns eine Erleichterung."
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Malzahn
21.01.2008
-- Tageszeitung (22. Febr.): Die persönliche Rendite
Frust über die eigene Partei plus Charakterschwäche plus Lobbytätigkeit macht: eine Politikerbeschimpfung à la Clement Als Wolfgang Clement in die Fahrschule ging, verlor er die Nerven. Während einer Fahrstunde stieg er wutentbrannt aus und ließ das Auto mit laufendem Motor zurück. Bis heute hat Clement keinen Führerschein. Der Mann ist unbeherrscht und von sich selbst überzeugt. Er weiß vieles gern besser als andere. Darin liegt schon ein Teil der Erklärung für Clements jüngsten Wutanfall. Der ehemalige SPD-Wirtschaftsminister und heutige Lobbyist des Energiekonzerns RWE hat eine Parteifreundin, Andrea Ypsilanti, beleidigt, und das eine Woche vor der Landtagswahl in Hessen. Clement warnte in einer Kolumne für die Welt am Sonntag davor, das Schicksal des Landes in die Hände der SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti zu legen. Der Grund: ihre angeblich industriefeindliche Energiepolitik. "Deswegen wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann - und wem nicht", schrieb Clement. Die schlichte Lesart sei hier ausnahmsweise erlaubt: Clement, ein herausragender Vertreter der SPD-Machofraktion, konnte Frau Ypsilanti noch nie leiden, er hält sie für politisch naiv. Dieses Zeugnis hat er ihr jetzt schriftlich ausgestellt, Sozialdemokratin hin oder her. Abgesehen davon, dass dieses Verhalten selbst unter parteipolitischem Aspekt außergewöhnlich ist, es zeugt von einer ausgeprägten Charakterschwäche Clements. Seine bodenlose Kritik beweist aber auch, wie vergiftet die politische Kultur der Sozialdemokraten immer noch ist. Für die Schröders, Lafontaines, Scharpings und Clements waren Intrigen, Machtspiele und persönliche Beleidigungen noch stets Teil des politischen Geschäfts. Auf diese Weise haben sie sich gegenseitig, aber auch ihrer Partei schwere Verletzungen zugefügt. Die SPD zahlte das auf ihre Weise heim: Sie entzog jedem der Spitzengenossen früher oder später ihre Liebe. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen über die Agenda 2010 bekam Clement bei der Wahl zum stellvertretenden SPD-Chef auf dem Bochumer Parteitag 2003 nur noch 56,7 Prozent der Stimmen.
Versöhnung? Ausgeschlossen! Schröder als Gazprom-Agent, Lafontaine als Linkspartei-Chef, Scharping mit seiner Gräfin Pilati im Schlepptau, Clement als RWE- und Zeitarbeit-Lobbyist, Schily als Aufsichtsrat zweier Firmen für biometrische Sicherheitstechnik - sie alle zahlen der SPD den Liebesentzug heim. Rücksicht auf die Partei, der sie ihre Karriere zum Teil zu verdanken haben, nehmen sie dabei nicht. Daran ändert auch der ein oder andere Wahlkampfauftritt des Exkanzlers nichts. Die Unterstützung Schröders für seinen Freund Michael Naumann in Hamburg täuscht nicht darüber hinweg, dass der Kanzler a. D. als moralisch-politische Instanz - vergleichbar etwa mit dem Elder Statesman Helmut Schmidt - ausfällt. Sein bedenkenloser Wechsel von der Politik in die Wirtschaft diskreditiert ihn.
Clement und Schröder stehen hier stellvertretend für die rot-grüne Regierung. Wie wohl keine andere Bundesregierung vor ihr zeichnet sie sich dadurch aus, dass ihre Protagonisten einen fliegenden Wechsel von der Politik in die Lobbywirtschaft vollzogen haben. In der Wissenschaft wird das als "Drehtüreffekt" bezeichnet: raus aus der Politik, rein in die Wirtschaft und umgekehrt - zum Vorteil beider Seiten, zum Nachteil der Demokratie.
Die Organisation LobbyControl hat das zweite Schröder-Kabinett (2002-2005) unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ihrer Studie vom November 2007 ist bezeichnend: "Ehemalige Regierungsmitglieder und Führungspersonen der Ministerialbürokratie wechseln in großem Umfang direkt nach Beendigung ihrer politischen Tätigkeit (oder parallel zur Fortführung ihres Bundestagsmandates) in Lobbytätigkeiten im engeren und weiten Sinn", schreiben die Autoren. "In den meisten Fällen sind die Lobbytätigkeiten eng mit den vorherigen politischen Aufgabenfeldern verbunden." Von 63 Ministern und Staatssekretären haben 12 klare Lobbytätigkeiten übernommen. "Hier liegt der Verdacht auf der Hand", heißt es in der Studie, "dass bei politischen Entscheidungen der Seitenblick auf die späteren Jobchancen zu einem bedeutenden Faktor wird."
Die rot-grünen Politiker sind fast ausschließlich für Unternehmen, Unternehmensverbände und unternehmensnahe Denkfabriken tätig. Der Wechsel zu einem Umweltverband ist die Ausnahme. Außerdem problematisch: Viele ehemalige Politiker zeigen sich nicht gerade auskunftsfreudig, was ihre neue Tätigkeit betrifft. Als zwei Tagesspiegel-Redakteure Joschka Fischer neulich im Interview fragten, was sich hinter seiner "Joschka Fischer Consulting" verberge und wie viel Geld man für eine vernünftige Beratung mitbringen müsse, antwortete der ehemalige Außenminister: "Rechenschaft schuldig bin ich nur noch dem Finanzamt. Schauen Sie, das ist der große Gewinn meiner letzten Transformation."
Nun ist eine Lobbytätigkeit allein noch kein Grund, Parteifreunde zu beschimpfen. Sie verführt aber dazu, die Politik für die Verfolgung privater wirtschaftlicher Interessen zu vereinnahmen. Dazu charakterliche Schwächen und der Frust über die eigene Partei - das macht einen klassischen Clement.
-- Klaus Stuttmann (24. Jan..)
Koch kämpft seinen härtesten Kampf
Kassel – Für Roland Koch geht es jetzt um alles oder nichts. Mit einer von unzähligen Auftritten heiseren Stimme ruft er: „Ich kämpfe bis zum Wahlergebnis.“ Auf dem kleinen Parteitag der CDU in Kassel brandet ein Applaus verzweifelter Entschlossenheit auf.
Alle Meinungsumfragen signalisieren: Kochs Wahlkampfthema, die Ausländer-Jugendkriminalität, hat die Werte für die Union sinken lassen. Schlimmer noch: In den jüngsten Umfragen wünscht sich eine Mehrheit der Hessen SPD-Herausforderin Andrea Ypsilanti als neue Ministerpräsidentin. In der hessischen CDU wird das bis vor Kurzem Undenkbare gedacht: Koch könnte nächsten Sonntag nach neun Jahren als Regierungschef abgewählt werden.
Koch weiß genau, wie ernst die Situation ist. Er ruft in den Saal: „Das ist eine Zeit, in der es keine Neutralität mehr gibt. Da kann niemand auf der Empore sitzen und zugucken.“ (...)
Nach der Rede erst sieht man, wie schwer gebeutelt Koch ist – nicht nur von den miserablen Umfragen, nicht nur von den persönlichen Angriffen, die er selbst provoziert hat. Bellender Husten kündet von einer schweren Erkältung. Schlimmer noch: An diesem Samstag liegt Regierungssprecher Dirk Metz, der engste Vertraute des Ministerpräsidenten, krank im Bett ... BILD (20. Jan.)
 
Koch und Ypsilanti im TV-Duell: Noch darf jeder ein Sieger sein Frankfurter Allgemeine Zeitung (21. Jan.)
Angela Merkel geht auf Andrea Ypsilanti los
Erst war es Wolfgang Clement, jetzt schimpft auch Angela Merkel auf die hessische SPD-Spitzenkandidatin. Eine Zusammenarbeit mit einer Frau wie Andrea Ypsilanti sei "schlicht und ergreifend unmöglich". Auch die FDP lehnte erneut ein Ampel-Bündnis ab...
Vor dem Hintergrund des Kopf-an-Kopf-Rennens in Hessen hat sich Kanzlerin Merkel auf der Zielgeraden erneut in den hessischen Wahlkampf eingemischt und SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti eine kräftige Breitseite verpasst: In einem Interview des Hessischen Rundfunks erklärte sie die Koch-Herausforderin zur Persona non grata, eine Zusammenarbeit im Rahmen einer großen Koalition sei „mit einer Frau wie Frau Ypsilanti schlicht und ergreifend unmöglich“. Merkel zeigte sich zugleich optimistisch, dass Union und FDP die künftige Regierung stellen werden. Letzten Umfragen zufolge liegt die bislang mit absoluter Mehrheit regierende Hessen-CDU wenige Tage vor der Landtagswahl mit der SPD gleichauf bei 38 Prozent.
Die zuletzt drastisch gefallenen Umfragewerte für die Landes-CDU und Ministerpräsident Roland Koch sind nach Ansicht der Kanzlerin kein Grund zur Besorgnis. „Beliebtheitswerte sind immer so eine Sache“, sagte Merkel. Wer wie Koch die Kontroverse nicht scheue, laufe Gefahr, in der gesamten Bevölkerung „nicht so tolle Werte“ zu haben. Im eigenen Lager habe Koch jedoch genauso viel Zustimmung wie der CDU-Spitzenkandidat in Niedersachsen, Christian Wulff... WELT online (24. Jan.)
Merkel knöpft sich Ypsilanti vor
Berlin - Angela Merkel hat sich Andrea Ypsilanti vorgenommen und eine Große Koalition in Hessen ausgeschlossen. Auf Bundesebene hätten Union und SPD "vieles auf den Weg gebracht" - unter anderem die Unternehmensteuerreform, die vom hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Wesentlichen entwickelt und ausgearbeitet worden sei. Aber: "Mit einer Frau wie Frau Ypsilanti wäre das schlicht und ergreifend unmöglich", sagte die Kanzlerin auf der Hörfunkwelle hr-info über die SPD-Spitzenkandidatin.
"Frau Ypsilanti hat gegen die Unternehmensteuerreform genauso gewettert, wie sie gegen die Agenda 2010 gewettert hat, die einen Teil dazu beigetragen hat, dass wir heute eine Million mehr Arbeitsplätze haben", sagte Merkel. Deshalb sollten in Hessen FDP und Union regieren. Sie sei optimistisch, dass das klappen werde. Im Hinblick auf den Aufruf der CDU in Hessen, die SPD, die Grünen und die Linken zu stoppen, sagte Merkel, im Wahlkampf sei Polemik erlaubt. Die Sozialdemokraten seien auch nicht auf den Mund gefallen, man dürfe nicht zu zartbesaitet sein. SPIEGEL online (24. Jan.)
hess. Landtagswahl, 27. Jan.:
ARD-Hochrechnung zur Landtagswahl
Die hessische SPD unter Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hat der CDU von Ministerpräsident Roland Koch dramatische Verluste beschert - doch im Landtag deutet sich nach der jüngsten ARD-Hochrechnung eine Pattsituation an. "Die Sozialdemokratie ist wieder da", sagte Ypsilanti vor jubelnden Genossen. Die SPD, die bei der letzten Landtagswahl ihr bisher schlechtes Ergebnis eingefahren hatten, kommt laut ARD-Hochrechnung auf einen Stimmenanteil von 37,2 Prozent - 8,1 Prozentpunkte mehr als 2003. Die CDU verlor 12,8 Prozentpunkte und erreichte nur noch 36 Prozent der Wählerstimmen. (...) Ypsilanti reklamierte den Sieg bereits für sich: "Wir haben die Wahl gewonnen!" Die SPD habe gezeigt, dass eine andere politische Kultur in Hessen erfolgreich sein könne. (...) Koch hatte 1999 die rot-grüne hessische Landesregierung abgelöst und sei 2003 allein regiert. Bei der Landtagswahl 2003 hatte die CDU mit 48,8 Prozent ihr bisher bestes, die SPD mit 29,1 ihr bisher schlechtestes Nachkriegsergebnis erzielt. Die Grünen kamen auf 10,1 Prozent, die FDP auf 7,9 Prozent.
CDU liegt in Hessen knapp vor der SPD
Es war ein Kampf bis zum Ende. Mit 0,1 Prozent gewann Roland Koch in Hessen die Landtagswahl gegen seine Herausforderin Andrea Ypsilanti. Die Welt (27. Jan.)
-- Heftige Kritik an Wahlcomputern
Bei der hessischen Landtagswahl ist es nach Beobachtungen des Chaos Computer Clubs zu Problemen und Unregelmäßigkeiten mit Wahlcomputern gekommen. Die Behörden sehen das anders.
-- Schwerwiegende Wahlcomputer-Probleme bei der Hessenwahl
Neben massiver Behinderung der Wahlbeobachtung in mehreren Gemeinden kam es zu einer Reihe von Vorfällen, welche die Behauptungen des hessischen Innenministeriums über die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Wahlcomputer klar widerlegen. In mindestens einer Gemeinde wurden die Computer über Nacht in den Privatwohnungen von Parteimitgliedern gelagert. Dies sei "gängige Praxis", bestätigten Mitarbeiter des Ordnungsamtes den Wahlbeobachtern. Alle neun Wahlcomputer der Gemeinde Niedernhausen seien privat gelagert worden.
"Die Lagerung der Wahlcomputer über Nacht zu Hause bei Lokalpolitikern ist das Albtraum-Szenario für eine Innentäter-Manipulation, auch nach der Logik des hessischen Innenministeriums. So etwas haben selbst wir uns nicht vorstellen können", sagte der Sprecher des Chaos Computer Club (CCC), Dirk Engling
-- politplatschquatsch (28. Jan.): Wagner grüßt die Yps-Wähler
-- Flegelskamp (28. Jan.): Die Landtagswahlen sind vorbei, so scheint es. Ob das wirklich so ist, wird sich in den nächsten Tagen erweisen, zumindest in Hessen. Dort wurden nämlich teilweise Wahlcomputer eingesetzt und manche Meldung dazu scheint dem Gruselkabinett zu entstammen. (...) Der Focus-Bericht Heftige Kritik an Wahlcomputern könnte dafür sorgen, dass es noch zu Anfechtungen der Wahlergebnisse kommt. Zwar hat der Hessische Staatsgerichtshof den Einsatz von Wahlcomputern für rechtens erklärt, damit aber sicherlich nicht die Lagerung der Wahlcomputer über Nacht bei Lokalpolitikern vorgesehen. Doch genau das ist passiert, eine gängige Praxis, meint zumindest das Ordnungsamt Niedernhausen. Alle 9 Wahlcomputer von Niedernhausen seien von lokalen Politikern über Nacht aufbewahrt worden. Der Fuchs als Wächter im Gänsestall. (...) Nun gibt es in Hessen ein weiteres Problem. Koch kann nicht mit der FDP und das tut beiden leid. Aber die Aussagen vor der Wahl, keine Ampelkoalition zu wollen, könnten sich bald als leeres Geschwätz herausstellen, vorausgesetzt, die Grünen machen mit (was durchaus möglich ist). Ypsilanti hat vor der Wahl und selbst bei der Verkündung des vorläufigen Wahlergebnisses stets betont, dass die Linken, falls sie die 5%-Hürde übersteigen, keinesfalls als mögliche Partner angesehen werden. Sehen wir einmal von der Dummheit solcher Aussagen ab, bestehen doch die Linken im Westen und in den Spitzenpositionen vorwiegend aus ehemaligen SPD-Mitgliedern und Gewerkschaftern, zeigt sich ein weiteres Mal, dass neue Parteien von den Etablierten wie Schmuddelkinder behandelt werden. Schuld ist nicht eine verfehlte Politik, sondern die Uneinsichtigkeit der Wähler, die nicht begreifen, dass sie hinzunehmen haben, was die "große" Politik beschließt.
Regierungsbildung in Hessen: SPD buhlt um die FDP
Schwierige Regierungsbildung in Hessen: Weil es für rot-grün allein nicht reicht, spricht SPD-Fraktionschef Peter Struck ein Machtwort. Koch sei klar abgewählt worden, die FDP müsse Verantwortung übernehmen. FDP-Chef Westerwelle lehnte ein Bündnis erneut ab. Stern (29. Jan.)
-- Rudolf Malzahn und Klaus Amoneit konkretisieren die Vorwürfe gegen W. Clement:
Zweiter Brief aus Deiner Heimat-Region Ruhrgebiet
29.01.08
Lieber Wolfgang Clement,
nach Deinen erneuten öffentlichen Angriffen gegen die aktuelle Politik der SPD u.a. in "spiegel-online" vom 27.01.08 und in Deinem Interview mit der WAZ (29.01.08) ist es dringend erforderlich, Dir noch einmal einige Regeln für unsere politische Zusammenarbeit in der SPD in Erinnerung zu rufen.
Wir im SPD-Ortsverein Bochum-Hamme haben natürlich ein gewisses Verständnis für Deine Situation.
Du nimmst am Parteileben Deines Ortsvereins und Deines Unterbezirks Bochum nicht teil. Du diskutierst Deine Gedanken nicht mit uns, wie es allgemein bei uns üblich ist. (...)
Dein heutiger Ärger darüber, dass Du nach der Bundestageswahl 2005 nicht wieder von der SPD für die Bundesregierung benannt wurdest, ist u.a. auf solche und viele weitere politisch massive Fehlleistungen Deinerseits zurück zu führen. Dazu gehören u.a. auch Dein Eintreten für die DÜ-BO-DO oder Deine Absicht, trotz aller SPD-Beschlüsse doch Studien-Gebühren an den Hochschulen zu erheben. Dieser Unsinn musste Dir erst durch einen klaren Beschluss des SPD-Landes-Parteirates NRW gegen Studien-Gebühren abgezwungen werden. (...)
Durch Deine verschiedenen Veröffentlichungen in den letzten Tagen wird deutlich, dass z.B. jene von uns in der SPD seit der Zeit der Kanzlerschaft von Willy Brandt entwickelte Reform-Konzeption immer verbunden war mit der Zielsetzung des sozialen Ausgleichs und der Teilhabe für alle an den gesellschaftlichen und ökonomischen Erfolgen. Wir haben nach wie vor die Vision von einem Land der fairen Chancen und der Weiterentwicklung der Bürgerrechte. Und wir wollen vor allem, dass der in Deutschland eklatant beklagenswerte Zustand, dass immer noch der Geldbeutel der Eltern über Lebens- und Bildungschancen der Kinder entscheidet, nun endlich - auch weil wir uns ökonomisch gar nichts anderes leisten können - der Vergangenheit angehören muss.
Das sind historisch und aktuell die Ziele unserer guten alten SPD, die wie Du weist im davorliegenden Jahrhundert aus der Notgemeinschaft der Schwachen und Entrechteten als Arbeiterbildungsverein entstanden ist.
Nicht dieser seit Willy Brandt und nach wie vor richtige Reformkurs wird durch die aktuelle SPD-Politik (auch nicht in Hessen) aufgegeben, sondern Du selbst hast mit Deinem in diesem Sinne fehlerhaften Handeln als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit diesen jetzt wieder aktualisierten SPD-Reformkurs auf den Kopf gestellt.
Durch Dein politisches Tun als Bundesminister in den den Jahren 2002 bis 2005 wurde die Armut von Kindern und Familien in Deutschland verstärkt. Ein solches Handeln ist im sozialdemokratischen Sinne keine Reformarbeit, sondern wie gesagt eine "politische Schlechtleistung".
Wir finden es deshalb auch richtig, dass Dich die SPD deshalb in Solidarität mit den Menschen und zu Deiner Entlastung mit Dir persönlich nicht wieder als Bundesminister in die große Koalition eingebracht hat.
Dein Handeln hat u.a. mit dazu beigetragen, dass die SPD, was die Wählerzustimmung betrifft, im Sommer/Herbst 2007 im 25-%-Loch gelandet war.
Wir brauchen unseren alten SPD-Standpunkt nicht andauernd zu wiederholen. Aber hier sei es noch mal gesagt: Es ist notwendig, soweit es politische und administrative Fehlentscheidungen in Regierungen, Parlamenten und in der Verwaltung gab oder gibt, solche Mängel analytisch sauber festzustellen und neue politische Entscheidungen zu treffen und daraus die entsprechenden gesetzlichen Initiativen abzuleiten.
Nun wird derzeitig auf Bundesebene vieles in einer Koalition mit den angeblichen C-Parteien nicht zu machen sein. Aber - wir in unserer fast 150 Jahre alten SPD haben einen langen Atem. Es kommen weitere Landtagswahlen und auch die Wahl des Deutschen Bundestages steht vor der Tür.
Zumindest, lieber Wolfgang, wirst Du zugeben können, dass unsere GenossInnen in Hessen, was ihren Stimmenzuwachs betrifft hier einiges richtiger gemacht haben, als Ihr damals in Berlin.
Am Schluss unseres heutigen Briefes bitten wir Dich noch, nicht unter Dein bisheriges Niveau zu gehen und in billigen Populismus zu verfallen: Aktuelle SPD-Politik auf allen Ebenen ist derzeitig nicht, wie Du sagst, das Kindergeld um 10 € zu erhöhen, sondern die daraus sich in der Summe ergebenden Milliarden in Kinderkrippen, Kindergärten, Schulen und Weiterbildung zu investieren. Dies gilt auch für das SPD-Arbeitsprogramm in Hessen. (Sh. Dein WAZ-Interview
Kürzungen an der Finanzierung des Weiterbildungsgesetzes NRW sind übrigens auch zu Deiner Zeit als sozialdemokratischer Ministerpräsident in NRW erfolgt. (...)
Lieber Wolfgang, das Briefeschreiben ist mühsam. Evtl. könntest Du Dir als einfaches Mitglied der SPD, das Du jetzt bist, doch mal die Zeit nehmen, in Deinen Unterbezirk Bochum zu kommen um all´ diese wichtigen Fragen mit uns zu diskutieren.
Trotzdem halten wir derzeitig unseren gestellten Antrag aufrecht, Dich aus der Partei auszuschließen.
Mit Deiner Unterstützung für den politischen Gegner in Hessen, hast Du unserer SPD großen Schaden zugefügt. Wenn Du für Deine vorgetragene Meinung in Deinem Heimat-Unterbezirk Bochum eine Mehrheit finden solltest, so sind wir gern bereit, diese neue Mehrheitsmeinung zu tragen. Vielleicht würden viele dann aber auch die SPD verlassen, wie es ja im Zusammenhang mit der Agenda 2010 bereits geschehen ist.
Lieber Wolfgang schade, dass Du beim Unterbezirksparteitag zur Solidarität mit den Kollegen von NOKIA nicht dabei warst, - Du hättest hier einiges über Solidarität lernen können. Es ist übrigens wirklich so, dass man etwas dabei lernt, wenn man öfter mit den Leuten spricht, die es mit dem Geld knapp haben und deshalb Ihren Geldbeutel häufiger wenden müssen.
Aber ... ? da Du mit uns hier nicht zusammenarbeitest, fehlt Dir offensichtlich auch der Zugang zu den Anliegen der kleinen Leute, zu Ihren Gedanken und Lebenslagen.
So gerät der gemeine Funktionär in irgendwelche abgehobenen Sphären und verliert den sogenannten Bezug zur Basis.Das ist schade für Dich und für uns.
Und deshalb hat uns als SPD auch Deine Agenda Politik als Bundesminister sehr geschadet.
Wir haben deshalb zigtausend Wähler und Mitglieder verloren.
Und deshalb ist es auch gut, dass Du in der SPD keine Funktionen mehr hast.
Deshalb sollte der gemeine SPD-Funktionär zu seiner eigenen politischen Schulung und Bildung sich immer verpflichtet fühlen, seine Haltung und seine Gedanken mit den einfachen Leuten zu reflektieren und zu kommunizieren.
Du kannst uns wirklich glauben, das schult und bildet.
Aber, - da Du das nicht tust, entstehen bei Dir derartig verquere Äußerungen, mit denen Du vorige Woche den hessischen Genossen im Wahlkampf sehr unsolidarisch geschadet hast.
Du arbeitest bei uns in Bochum an dieser sogenannten Parteibasis nun - solange wir denken können - nicht mit. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, warum Deine derzeitig und seit langem verkündeten Thesen und Gedanken so wenig mit SPD Politik zu tun haben.
Da Du jedoch offensichtlich nicht bereit bist, Deine Argumente innerhalb der SPD vorzutragen, sondern unserer Partei weiterhin über die Medien Schaden zuzufügst, solltest Du eigentlich den Mut haben, Dir eine von den neoliberalen Parteien als neue politische Heimat auszusuchen.
Viele Grüße nach Bonn
Rudolf Malzahn / Klaus Amoneit
(Ortsvereinsvorsitzender) / (Stellvertretender Vorsitzender)
Die SPD darf nicht weiter nach links rutschen. Peter Struck (SPIEGEL online, 29. Jan.)
Peter Struck - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende
Ruf nach einer großer Koalition in Hessen
Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) hat ihre Partei aufgefordert, eine große Koalition in Hessen nicht auszuschließen. „In ein bis zwei Wochen, mit etwas mehr Abstand zur Wahl, wird man pragmatischer denken. Eine große Koalition geht allerdings nur unter der Führung von Andrea Ypsilanti“, sagte Kastner WELT ONLINE. Die Bundespolitikerin gehört zum Führungszirkel des konservativen „Seeheimer Kreises“.
Linke will Andrea Ypsilanti im Landtag verführen
Das Werben um Andrea Ypsilanti durch die Linkspartei gleicht einem Balztanz: Flügelschlagen, Versprechungen und Gesang mit eingeschlossen. Noch ziert sich die hessische SPD-Chefin, das Angebot anzunehmen. Sie setzt auf eine Ampel-Koalition mit den Grünen und der FDP. Doch die FDP bleibt eisern. WELT online (31. Jan.)
-- Klaus Stuttmann (31. Jan..)
Merkel kritisiert Nein Ypsilantis zu Schwarz-Rot
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel (CDU) hat die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti scharf dafür kritisiert, sich einer großen Koalition unter Führung von CDU-Ministerpräsident Roland Koch zu verweigern.
Die Kanzlerin warnte in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Freitag) zugleich vor einer Ampelkoalition der SPD mit Grünen und FDP. «Roland Koch hat in Hessen als Chef der stärksten Partei einen Auftrag zur Regierungsbildung. Ich finde es staatspolitisch sehr bedenklich, dass die SPD dort eine große Koalition einfach ausschließt», sagte Merkel.
Ypsilanti selbst blieb bei ihrem Koalitionsangebot an Grüne und FDP. In der ZDF-Sendung «Johannes B. Kerner» am Mittwochabend schloss die SPD-Landeschefin zugleich eine große Koalition erneut aus: «Ich glaube, dass die CDU noch nicht ganz verstanden hat, dass sie die Wahl verloren hat.» Sie erwarte, dass in der konstituierenden Sitzung des Landtags am 5. April «eine Ministerpräsidentin gewählt wird. Denn das wollen die Hessen.»
Aus den Reihen der Grünen wurden Stimmen laut, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die Linke nicht auszuschließen. Die Linke bekräftigte ihre Bereitschaft, Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen.
Nach dem für die großen Parteien knappen Wahlausgang und dem Einzug der Linken ins Parlament gibt es in Hessen weder eine Mehrheit für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün. Ypsilanti schloss eine Zusammenarbeit mit der Linken zum wiederholten Male aus. Die SPD-Vorsitzende und Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn vereinbarten einen Termin für ein Treffen. Über Ort und Zeit wurde Stillschweigen vereinbart. Ypsilanti hatte den Fraktionschefs von Grünen und FDP Zweier-Gespräche über ein mögliches Regierungsbündnis angeboten.
Hahn, der eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen ablehnt, erwog erstmals öffentlich eine Koalition mit CDU und Grünen. Dem «Wiesbadener Kurier» sagte er, er wolle ausloten, «ob wir eine bürgerliche Regierung mit den Grünen zustandebringen». In dieser «Schwarzen Ampel» oder «Jamaika»-Koalition dürften die Grünen als einer der Wahlverlierer aber keine zu großen Bedingungen stellen. Die Grünen seien weniger links als die SPD, sagte Hahn der ««Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen» (HNA/Kassel).
Die Grünen wiesen den Vorstoß zurück. «Das ist ein durchsichtiger Versuch von Herrn Hahn, eine stabile Regierung unter Führung der Wahlsiegerin Ypsilanti zu verhindern», sagte Parteisprecherin Elke Cezanne. Auch Grünen-Parteichefin Claudia Roth lehnte eine solche Koalition in der Münchner «tz» (Donnerstag) ab. (N24, 31. Jan.)
Steinbrück und Struck warnen SPD vor Linksruck
Berlin - Finanzminister Peer Steinbrück hat seine eigene Partei nach dem Wahlerfolg der Linkspartei vor einem Linksruck gewarnt. "Mit einem Anpassungskurs nach links gewinnt man deutlich weniger Stimmen, als man in der Mitte der Gesellschaft verliert", sagte der Vize-SPD-Chef dem "Spiegel". Die SPD dürfe "nicht nach links unten schielen oder nach rechts", sondern müsse ihren eigenen Kurs bestimmen. Soziale Gerechtigkeit sei "ein notwendiges Thema, aber nicht hinreichend für Wahlsiege", so Steinbrück weiter. Die Hessen-Wahl sei "maßgeblich entschieden worden, weil Roland Koch eine völlig abwegige Konfrontation lostrat, die er verloren hat". Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Peter Struck, sprach sich derweil mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 für eine Koalition aus SPD, FDP und Grünen aus. "Es gibt in Deutschland zurzeit keine schwarz-gelbe Mehrheit. Es gibt eine linke Mehrheit, die aber nicht nutzbar ist", sagte Struck dem "Focus". "Deshalb gibt es für die SPD vor allem eine tragfähige Option: die Ampel." Damit widersprach auch Struck Forderungen aus der SPD, angesichts der Erfolge der Linkspartei weiter nach links zu rücken. (Welt online, 2. Febr.)
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff hat derweil Ypsilanti aufgefordert, in eine große Koalition unter Ministerpräsident Koch einzuwilligen. Es sei "unverantwortlich, wenn die hessische SPD eine große Koalition ausschließt und stattdessen auf eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit der Linkspartei spekuliert", sagte Wulff der "Bild am Sonntag". Ypsilanti habe "eine Wahrnehmungsblockade wie Gerhard Schröder nach seiner verlorenen Bundestagswahl 2005". (2. Febr.)
Nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen gäbe es für die SPD "keinen Anlass, sich selbstzufrieden zurückzulehnen (...) Das Heil der SPD [kann] nicht darin bestehen (...), den Positionen der Linkspartei hinterherzurennen." Matthias Platzeck (Welt am Sonntag, 3. Febr.)
Die SPD muss sich wieder auf den Normalbürger einstellen, den kaufmännischen Angestellten, der mit Arbeitslosigkeit, Hartz IV oderMindestlohn nichts zu tun hat. Garrelt Duin (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Febr.)
Garrelt Duin - Landesvorsitzender der SPD-Niedersachsen, die er eine Woche zuvor zum schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten führte
Bundesregierung: Union droht wegen Ypsilanti mit Koalitionsbruch
Im Streit um den Umgang der SPD mit der Linken in Hessen haben Unionspolitiker vor den Folgen für die große Koalition in Berlin gewarnt. Sollte Andrea Ypsilanti sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen, soll Kanzlerin Merkel die SPD-Minister in Berlin entlassen. (...) Der CSU-Vorsitzende Erwin Huber sprach gegenüber der „Bild“-Zeitung von einem „Spiel mit dem Feuer“ und warnte vor unabsehbaren Folgen. „Ein Pakt mit der kommunistischen Linken in Hessen wäre eine schwere Belastung für die große Koalition.“
Nach Ansicht von CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer wäre die SPD als demokratische Volkspartei infrage gestellt. Sie hoffe daher auf einen „Aufstand der Anständigen“ unter den Sozialdemokraten, sagte Haderthauer „Spiegel Online“.
Beck begehe einen massiven Wählerbetrug, wenn er zulasse, dass sich Ypsilanti mit den Stimmen der Linken zur neuen Ministerpräsidentin wählen lasse, sagte Haderthauer. Beck hatte dies zuletzt nicht ausdrücklich ausgeschlossen, einer „aktiven Zusammenarbeit“ aber eine Absage erteilt.
Das CSU-Präsidiumsmitglied Markus Ferber forderte für den Fall einer Wahl Ypsilantis mit Hilfe der Linken das Ende der Koalition und Neuwahlen. „Nach einem solchen Betrug am Wähler gäbe es keine Grundlage mehr für eine Zusammenarbeit mit der SPD“, sagte Ferber der „Bild“-Zeitung. „Dann sollte die Kanzlerin die SPD-Minister entlassen und Neuwahlen ansteuern.“
Auch der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz sprach sich dafür aus, die große Koalition bei der Wahl Ypsilantis zu beenden. „Ich halte es für unvorstellbar, dass wir in Berlin mit Herrn Beck und der SPD nach einer solchen Regierungsbildung so tun, als wenn nichts gewesen wäre, und die Koalition fröhlich weiter fortsetzen“, schrieb er laut „Bild“ in einer E-Mail an die CDU-Mitglieder seines Wahlkreises. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer (CDU), sagte: „Wenn die SPD in so einer Frage Wortbruch begeht, dann macht das die Vertrauensbasis für eine Zusammenarbeit auch in Berlin kaputt“.
Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Klaas Hübner, warnte in der „Sächsischen Zeitung“ ebenfalls vor einer Wahl Ypsilantis durch Parlamentarier der fusionierten Linken: „Ich gehe fest davon aus, dass das Wort gilt, das Andrea Ypsilanti selber und auch Kurt Beck immer gegeben haben: Die SPD wird keine wie auch immer geartete Kooperation mit den Linken eingehen.“ WELT online (23. Febr.)
-- Flegelskamp (23. Febr.): Frau Merkel hat gesprochen
Erstmalig hat Frau Merkel der deutschen Bevölkerung einen Hoffnungsschimmer gegeben. Im Falle, dass Ypsilanti sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lässt und damit Koch endgültig absägt, will Frau Merkel die Friedenspflicht aufheben ...
Jetzt kommt der Lager-Wahlkampf!
Mit dem Wortbruch des SPD-Chefs Kurt Beck hat ein neues politisches Zeitalter begonnen: Deutschland zerfällt in zwei Lager. Das eine ist schwarz und gelb, das andere rot, grün und DDR. Bild am Sonntag (23. Febr.)
Rot-Rot-Grün-Debatte: "SPD ist eine demokratische Volkspartei - bis jetzt"
"Ich hoffe auf einen Aufstand der Anständigen": Im Interview mit SPIEGEL ONLINE warnt CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer SPD-Chef Beck vor dem Links-Pakt in Hessen - und den Konsequenzen für die Große Koalition im Bund. Gegen DDR-Verherrlicher will sie per Strafrecht vorgehen. (23. Febr.)
Wir waren (in Hamburg) auf der Überholspur, und dann kam ein Lkw aus Mainz (Parteivorsitzende Kurt Beck) und hat alles plattgemacht (...) Das hat uns wohlmöglich auch den Wahlsieg gekostet. Michael Naumann (SPIEGEL online, 25. Febr.)
Michael Naumann - (beim Leben seiner Kinder) SPD-Spitzenkandidat und Wahlverlierer von Hamburg
FDP will nicht mit Andrea Ypsilanti koalieren
In Hessen wird das von SPD-Chefin Andrea Ypsilanti angestrebte Ampelbündnis immer unwahrscheinlicher. FDP-Sprecherin Dagmar Döring erklärte in Wiesbaden, der Landesvorsitzende der Liberalen, Jörg-Uwe Hahn, werde das Koalitionsangebot der Sozialdemokraten ablehnen. (Die Welt, 27. Febr.)
In SPD wächst Widerstand gegen Linksruck
Trotz des Streits über den neuen Linkskurs der SPD bemüht sich die große Koalition zum Auftakt ihrer zweitägigen Klausurtagung um ein "normales Arbeitsklima". Man wolle die Regierungsarbeit unverändert fortsetzen, hieß es bei SPD und Union.
Indes tragen der konservative SPD-Flügel und die reformorientierten Netzwerker den Linksschwenk der Partei nicht mit. Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Klaas Hübner, verteidigte zwar den Beschluss der Spitze, der hessischen Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti freie Hand bei einer Regierungsbildung zu lassen. Er würde es aber für einen großen Fehler halten, "wenn sie sich mit den Stimmen der Linken wählen lassen würde". Netzwerk-Sprecher Christian Lange hält die Öffnung zur Linken ebenfalls für falsch. "Die SPD gerät von einer babylonischen Gefangenschaft der CDU in die nächste babylonische Gefangenschaft. Und auf dem Weg dorthin verlieren wir Grüne und FDP, die wir für eine Ampelkoalition brauchen", sagte Lange der WELT. Auch Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement warnte vor den Linken: "Substanz gewinnt man nicht durch die Kooperation mit einer Kaderpartei."
Nicht zuletzt ist die Linke auch eine Partei, die ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat und zur Demokratie hat. Thomas Oppermann (n-tv, 28. Febr.)
Thomas Oppermann - Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion
Der Kurtschluss
SPD-Chef Beck will seine Partei für Bündnisse mit der Linken öffnen. Weiß er eigentlich, was er tut? DIE ZEIT (28. Febr.)
-- Klaus Stuttmann (3. März)
• Was man vor der Wahl gesagt hat, muss auch nach der Wahl gelten. Klaas Hübner - Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion
• Der Wortbruch hat jetzt einen Namen, und der heißt Ypsilanti. Ronald Pofalla - CDU-Generalsekretär
• Was sich in Hessen entwickelt, ist außerordentlicher Wortbruch. Volker Kauder - Unions-Fraktionschef
• Jeder kann sehen, dass die SPD in Hessen eindeutig eine linke Mehrheit mit den Kommunisten und Sozialisten bilden will. Guido Westerwelle
• Das ist ein eiskalter Wählerbetrug, der von langer Hand vorbereitet wurde. (...) Ypsilanti tritt den Wählerwillen mit Füßen.Ypsilanti tritt Wählerwillen mit Füßen. Christine Haderthauer - CSU-Generalsekretärin
Ein Fundament der Lüge
Ypsilantis Beteuerung, auf keinen Fall mit der Linken kooperieren zu wollen, war eines ihrer zentralen Wahlversprechen. Wenn sie dieses jetzt bricht, tut sie das auch deswegen, weil sie unbedingt Ministerpräsidentin werden will.
(...) Sie tut das übrigens auch deswegen, weil sie unbedingt Ministerpräsidentin werden will, weil auch sie am Heide-Simonis-Syndrom ("Und wo bin ich dann?") leidet. Süddeutsche Zeitung
-- Tageszeitung: Kein Ruck geht durchs Land
Wer schützt Deutschland vor Kurt Beck, der im Pakt mit den Roten nach der Macht giert? Und mal ehrlich: Wer hatte ihn, den Tapsigen, im Verdacht? Ottmar Schreiner, Andrea Nahles - bei beiden könnte man sich das vorstellen. Aber Kurt Beck als politische Schläfer im Pfälzerwald, nur auf die Chance wartend, mit Oskar, Gregor, Wladimir, Rosa und Karl zusammen Deutschland zu übernehmen?
Ein Glück, dass die Medien wachen: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung druckt Aufklärungsgrafiken unter der Überschrift "Rotes Deutschland". Ihnen ist zu entnehmen, dass Oskar Lafontaines Truppen bereits hinter Frankfurt stehen, bereit, in den Süden vorzustoßen.
Der Spiegel stellt Kurt Beck in die richtige Galerie: nicht mit Weinbruder Rainer Brüderle, sondern mit den roten Revolutionären Lafontaine, Lenin und Marx. Die Zeit verliert vor lauter Aufregung ihr Niveau ("Kurtschluss"), gibt dem Parteivorsitzenden jedoch wenigstens noch eine Chance, indem sie ihn in die politische Fratze von Rosa Luxemburg schauen lässt: erst Sozialdemokratin, dann Kommunistin; so winkt sie warnend dem Mainzer mit der als Bildzeile getarnten Dachlatte.
Gut, dass die Medien wachen und nicht allein sind: Die führenden deutschen Wirtschaftsliberalen kennen in diesen Tagen ihre eigene Partei nicht mehr, sondern nur noch die eine gemeinsame große Aufgabe - von Walter Steinmeier (Nicht mit der Linken!), Peer Steinbrück (So nicht!), Matthias Platzeck (Den Linken nicht nachlaufen!) bis Angela Merkel (Wortbruch!) -, gemeinsam den drohenden Durchmarsch zu stoppen. Schaffen sie es?
Es wird viel darüber lamentiert, die Qualität der Medien sei in Gefahr. Die Beispiele zeigen: Das ist nicht der Fall. Vielmehr ist die Qualität hoch. Die Medien schaffen es, innerhalb von kurzer Zeit aus langweiliger politischer Wirklichkeit spannende Unterhaltung pur zu konstruieren.
Doch der politische Stoff, aus dem diese packenden Drehbücher gemacht sind, ist mehr als mager. Seit Jahren gibt es bundesweit Umfragemehrheiten gegen eine bürgerliche Regierung und damit eine rein rechnerische Alternative links des Mainstreams. Seit geraumer Zeit nimmt die Partei, die sich Die Linke nennt, bei Landtagswahlen im Westen in der Regel die Fünfprozenthürde. Die Folgen: Zum einen ist via Die Linke die soziale Frage, die unter Kanzler Schröder mit der Agenda 2010 weggesprengt worden ist, erneut verlässlich in das Parteiensystem reintegriert. Zum anderen: Analysen zeigen, dass die Linkspartei viele Protestwähler anzieht. Das wiederum bedeutet, dass die Wahlerfolge der Linkspartei nicht stabil, sondern fragil sind. Und das heißt auch, dass die Partei von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine dieser Demokratie einen Dienst erweist: Ihr ist es zu verdanken, dass die rechten Parteien im Moment so gut wie keine Rolle spielen. Das ist nicht selbstverständlich. Anderswo wählen die sogenannten Modernisierungsverlierer Rechtsradikale. In Deutschland integriert also vor allem die Linkspartei diese Gruppen. Der nicht zu überschätzende Vorteil: Die Linkspartei ist - trotz ihrer vor allem von Oskar Lafontaine zu verantwortenden (seltenen) autoritären, sozial-nationalen Ausflüge und ihrer (sehr seltenen) latent fremdenfeindlichen Einsprengsel - nicht rassistisch, nicht nationalistisch, sondern demokratisch und plural. Ein Gewinn für diese Demokratie, der mit einem Linksruck nichts zu tun hat.
Nun wird argumentiert: SPD, Grüne und Linkspartei haben seit Jahren Umfragemehrheiten und nun auch noch die eine oder andere rechnerische Parlamentsmehrheit. Die Addition ergibt jedoch keine Politik. Denn diese drei Parteien können (noch) nicht miteinander: Da spielt der einstige SPD-Vorsitzende Lafontaine eine Rolle und seine Partei, die nicht nur von Proteststimmen lebt, sondern sich mehr als andere in einem programmatischen Gärungsprozess befindet. Da spielt eine Rolle, dass die SPD auf absehbare Zeit zu schwach ist, um in einem solchen Bündnis die Rolle des Kraftzentrums zu übernehmen. Und da spielt eine Rolle, dass nicht klar ist, wohin die Grünen tendieren. Sie sind im Kampf gegen den Mainstream groß geworden und vor geraumer Zeit in ihm gelandet. Jetzt, da die Linkspartei bundesweit präsent ist, alle Protest- und Linkswähler absaugt, müssen sie mit potenziellen 6 bis 8 Prozent Wählerstimmen sich inhaltlich so positionieren, dass sie mal im bürgerlichen und mal im linken Lager mitspielen können; Hamburg wird das Testfeld dafür sein.
Warum dann dieses ständige Reden über einen Linksruck? Seriöse Institute haben mehrfach das Bewusstsein des Volkes erforscht und Folgendes herausgefunden: Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom Juli 2006 sagen 83 Prozent der Bevölkerung, soziale Gerechtigkeit sei der wichtigste zu bewahrende Wert. 61 Prozent sagen, es gebe keine Mitte mehr, sondern nur noch ein Oben und Unten. In zwei weiteren Umfragen der Institute Allensbach und Emnid vom Herbst 2007 sind unabhängig von Parteipräferenzen breite Mehrheiten dafür, einen Mindestlohn einzuführen, die Gewerkschaften zu stärken, der sozialen Gerechtigkeit mehr Bedeutung beizumessen, deutliche Mehrheiten sind gegen eine Rente mit 67, für einen stärkeren Staat und gegen weitere Privatisierungen. Die Mehrheit der Bürger sieht die sozialen Verhältnisse außer Balance, starke soziale Kräfte sollen das wieder richten. Viele Politiker, Wirtschaftsführer, große Teile der veröffentlichten Meinung, wichtige ehemals linksliberale Medien interpretieren das, was zu einer intakten sozialen Marktwirtschaft gehört, als Linksruck. Linke Politik ist das nicht: die Zerschlagung der Bankenmacht und der Energie-Oligopole, mehr Demokratie in Betrieben, die Umverteilung von Vermögen von oben nach unten, die rigide Besteuerung von Erbschaften, Aktiengewinnen, Spitzeneinkommen, eine gute öffentliche Infrastruktur in vielfältigen öffentlichen Besitzverhältnissen, einen neuen Sozialstaat, der großzügige Hilfe, Selbsthilfe und Emanzipation gleichermaßen verbindet. Da die Linke noch nicht definiert hat, was sie will, schütten die anderen dieses Vakuum nach eigenem Gutdünken auf.
Rückt Deutschland nach links? Leider nein. Es ist nicht nur richtig, sondern unabdingbar, Kurt Beck wegen seiner Unglaubwürdigkeit - vor der Wahl die mit religiöser Inbrunst vorgetragene totale Abgrenzung und danach die Kehre - zu kritisieren. Aber was soll dieses Geschrei des politisch-medialen Komplexes über den Linksruck? Was sich in Wahlen und Umfragen ausdrückt, ist etwas anderes, und alle wissen es: Die Menschen wünschen sich in diesen unsicheren Zeiten eine soziale Schutzmacht. Sie wollen dieses System nicht überwinden, nicht einmal verändern, sie wollen fair an ihm teilhaben. Die politische Mitte dieser Republik ist so weit nach rechts verrückt, dass dieser Wunsch schon mit Erfolg als linkes Abenteurertum inszeniert und denunziert werden kann.
Umfrage-Schock Frau Lügilanti stürzt die SPD ins Chaos
Berlin - Das ist die Quittung für den Wortbruch von Andrea Lügilanti: schlechtester SPD-Umfragewert seit 2005 - 24 Prozent (minus 4). Nur noch zehn Prozentpunkte vor der Linkspartei (Stern/Forsa). Und: Nur noch 14 Prozent, so wenige wie nie zuvor, würden Beck zum Kanzler wählen. BILD (5. März)
Forsa-Chef Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
Ypsilanti spielt in Hessen Russisches Roulette
Die Bundes-SPD traut ihren hessischen Genossen nicht. Sie fürchtet, dass die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin an Gegnern aus den eigenen Reihen scheitert.
... Struck versucht deshalb ein Rettungsnetz für den Fall aufzuspannen, dass Ypsilanti bei der geheimen Abstimmung am 5. April im Wiesbadener Landtag das Simonis-Schicksal erleidet. Vorsorglich wird Ypsilanti und der hessischen SPD die "volle Verantwortung für das nicht risikofreie politische Experiment" zugeschoben, wie es Fraktionsgeschäftführer Thomas Oppermann formulierte. So möchte Struck verhindern, dass Ypsilanti womöglich Parteichef Beck gleich mit in den Abgrund reißt.
Der Schaden wird in Strucks Umfeld allerdings schon jetzt als groß eingeschätzt. Mit der Öffnung zur Linkspartei sind Beck und seine Partei in der Wählergunst auf Tiefstwerte abgestürzt. Die SPD verlor vier Punkte im Vergleich zur Vorwoche und sank in einer Forsa-Umfrage auf 24 Prozent, wie der „Stern“ berichtete. Das ist der niedrigste Wert seit Oktober. Auch Beck verlor weiter an Rückhalt: Nur noch 14 Prozent und damit so wenige wie nie zuvor würden ihn direkt zum Kanzler wählen. Unter den SPD-Anhängern kommt Beck auf 25 Prozent und erzielt damit sechs Punkte weniger als noch in der Vorwoche.
Steht Becks Kanzlerkandidatur auf der Kippe?
Laut Oppermann wird sich eine von der Linkspartei tolerierte Minderheitsregierung in Hessen in jedem Fall auf die Bundespolitik auswirken. Für ihn wäre es völlig naiv, das Gegenteil anzunehmen: "Eine fortgesetzte Bündnisdebatte wäre für die SPD tödlich." Schon jetzt scheint Becks Kanzlerkandidatur fraglich, weil er nicht mehr glaubwürdig machen kann, dass er sich nach der Bundestagswahl 2009 nicht mit den Stimmen der Linkspartei zum Bundeskanzler wählen lässt. Für den hessischen SPD-Fraktionsvize Jürgen Walter hat Beck in dieser Frage "jede Glaubwürdigkeit verloren." Selbst ein Erfolg von Ypsilanti wird daran wohl nichts mehr ändern. Sollte die von ihr angestrebte Regierung wirklich funktionieren, würde die Debatte über eine rot-dunkelrote Kooperation im Bund nur noch weiter befeuert. Die Welt (5. März)
Deutschlandtrend: Beck ist für die Bürger nicht mehr glaubwürdig
Das Ansehen des SPD-Chefs Beck bei den Bürgern ist schlecht wie selten zuvor. Träte er als Kanzlerkandidat in einer Direktwahl gegen Angela Merkel an, hätte er kaum eine Chance, wie der aktuelle Deutschlandtrend zeigt. Besonders bitter: Auch bei SPD-Anhängern findet Beck nur noch wenig Zuspruch.
Vielen Sozialdemokraten wird es inzwischen mulmig und unheimlich, wenn sie über Kurt Beck nachdenken. Sie rätseln, ob der SPD-Vorsitzende ein klug kalkulierender Profi, ein überforderter Provinzpolitiker oder ein gewiefter Pokerspieler ist. Wer sich umhört in der Partei, gewinnt den Eindruck, dass die Mehrheit an Beck zu zweifeln beginnt. Manches Mitglied wähnt den Chef sogar bereits auf einer schiefen Ebene, auf der er in ein dunkles Loch hinuntersaust. Ohne Halt, immer schneller, von einer Fehlentscheidung zur nächsten.
Auch in der Bevölkerung wachsen die Vorbehalte gegen Beck. Selten war das Ansehen eines SPD-Chefs so niedrig wie das des Pfälzers. Lediglich 15 Prozent der Deutschen halten ihn laut dem neuesten ARD-Deutschlandtrend von Infratest/Dimap für glaubwürdig – gegenüber der letzten Erhebung hat Beck damit nochmals vier Prozentpunkte eingebüßt. Wie katastrophal dieser Wert ist, zeigt der direkte Vergleich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie legte bei der Glaubwürdigkeit um neun Punkte zu und kommt inzwischen auf 60 Prozent. Ist damit die K-Frage bereits entschieden? Wenn die Deutschen den Kanzler direkt wählen und sich dabei zwischen Beck und Merkel entscheiden müssten, würde sich nur jeder Fünfte für den SPD-Vorsitzenden stimmen. Mit 62 Prozent (plus acht Punkte) wäre die CDU-Chefin bei diesem Duell drei Mal so gut.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier schneidet im Vergleich mit Beck deutlich besser ab. Wäre er der Herausforderer von Merkel, würden 31 Prozent (plus zwei Punkte) für ihn votieren. Nach Bundespräsident Horst Köhler führt Beck-Kontrahent Steinmeier im März mit einer Zustimmung von 68 Prozent übrigens auch die Liste der beliebtesten Politiker an, dicht gefolgt von Merkel mit 67 Prozent.
Laut Umfrage trauen Merkel 66 Prozent zu, „eher das Zeug zu haben“, Deutschland zu führen. Bei Beck sind es lediglich 15 Prozent. Exakt diesen Wert erreichte er auch bei der Frage, ob er ehrlich ist. Auf dem Tiefpunkt steht Beck auch hinsichtlich der Zufriedenheit mit ihm. Nur ein knappes Drittel der Bundesbürger schätzt seine Arbeit.
Ein ähnliches Minus für Beck und seine Partei hat auch eine Forsa-Umfrage ermittelt. Dort fällt er ebenfalls auf einen Tiefststand. „Derart schlechte Werte haben wir noch nie für den Chef einer Volkspartei gemessen“, sagte „Forsa“-Chef Manfred Güllner. Ihm erscheint eine Kanzlerkandidatur von Beck „völlig aussichtslos“. Der Parteivorsitzende halte sich zwar für einen großen Strategen. Seine Fähigkeit zur Einsicht sei aber „wohl nicht besonders groß.“ Die Entscheidung der hessischen Sozialdemokraten, mit Hilfe der Linken zu regieren, habe das Vertrauen in die gesamte SPD stark beschädigt.
Vor zwei Jahren attestierte Michael Naumann Beck in der Wochenzeitung „Die Zeit“ noch „Härte, Schläue und natürliche Intelligenz“. Nach seinem Kurswechsel hin zur Linkspartei hört sich das ganz anders an. Da erlebt man nicht nur den sonst eher gelassenen Hanseaten als zornigen Mann. Auch die stellvertretenden Parteichefs Steinmeier und Peer Steinbrück sowie der frühere Vizekanzler Franz Müntefering halten Beck für keinen großen Strategen.
Müntefering und Steinmeier hatten Beck geraten, die Agenda 2010 fortzuführen und die politische Mitte anzusprechen, zugleich aber Koalitionen mit der Linkspartei im Westen nicht ausschließen. Doch Beck entschied sich gegen diese Doppelstrategie. Zwar führte er die SPD inhaltlich nach links, nahm die Reformagenda teilweise zurück und verlängerte gegen Münteferings Willen das Arbeitslosengeld für Ältere. (...)
Furcht vor Preisgabe der politischen Mitte
Vor allem Parteirechte wie Fraktionschef Peter Struck fürchten, dass Beck durch seinen Flirt mit der Linken die politische Mitte preisgegeben hat. Strucks Mitstreiter Steinmeier und Steinbrück, die als SPD-Minister für einen vernünftigen Reformkurs stehen, sind durch Becks Taktiererei bereits beschädigt. Gestärkt wurde allein die Linke. „Unsere Partei wird links nicht das gewinnen, was sie in der Mitte verliert“, sagt Klaas Hübner, der Sprecher des konservativen Seeheimer. DIE WELT (7. März)
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Schwarz-Gelb gewinnt
Falls die Wähler der SPD nicht abnähmen, dass es auf Bundesebene keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei gebe, dann haben wir die politische Mitte geräumt. Peter Struck (BILD, 7. März)
Peter Struck - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende
Dagmar Metzger: Offen und ehrlich Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ypsilanti gibt Links-Experiment auf - Verzicht auf Wahl zur Ministerpräsidentin
Debakel für Andrea Ypsilanti und Kurt Beck: Die hessische SPD-Chefin gibt ihre Planspiele für eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Hilfe der Linken auf - und will nun doch nicht am 5. April im Landtag als Ministerpräsidentin kandidieren. Wegen der Parteirebellin Dagmar Metzger sieht sie keine Chance. SPIEGEL online
• (...) die mutige SPD-Abweichlerin verweigert Lügilanti ihre Stimme. BILD
• Herr Koch ist abgewählt, er bleibt jetzt geschäftsführend im Amt. Hubertus Heil - SPD-Generalsekretär
• Einen solchen erkennbaren Mangel an Professionalität sollte man sich kein zweites Mal leisten, sonst erweckt man den Eindruck einer Laienspielgruppe. Sebastian Edathy - Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages
Sebastian Edathy - auch im darauffolgenden Monat, dann zum BKA-(Ermächtigungs-)Gesetz befragt, "erweckt" er mitnichten "den Eindruck einer Laienspielgruppe"
Ypsiland ist abgebrannt
Andrea Ypsilanti ist gescheitert und hat die gesamte SPD in eine tiefe Krise gestürzt. Die hessische Partei- und Fraktionsvorsitzende hat ihren Plan aufgegeben, sich mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen und mit einer rot-grünen Minderheitsregierung anzutreten. (...)
Verpufft ist damit auch Kurt Becks Hoffnung, seine Macht zu stärken, in dem er sich mit Hilfe der Linkspartei neue Mehrheiten schafft. Für die SPD ist das Scheitern Ypsilantis ein Desaster. Ein Desaster, das man auch Kurt Beck anlasten wird. WirtschaftsWoche
Ypsilanti muss weg
Aus. Vorbei, der rot-rot-grüne Blütentraum der hessischen SPD. Nach der Weigerung der Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger, bei der Ministerpräsidentenwahl mit ihrer Partei zu stimmen, hat Andrea Ypsilanti kurz vor dem politischen Selbstmord die Notbremse gezogen: Sie wird am 5. April nicht antreten. Doch mit der Wahrheit steht die SPD-Chefin weiter auf Kriegsfuß. Handelsblatt
• Politisch hat sich die Option für Andrea Ypsilanti, mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin gewählt zu werden, am Freitag erledigt. SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend - wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Rainer Wend - u.a. im Aug. 2003: Das wenige Geld, das da ist, darf man nicht in erster Linie in Rentenerhöhungen stecken (...) Ein späteres Renten-Eintrittsalter ist alternativlos. 2004 Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, im Dez. 2008 Gelungenes Politikerrecycling
-- Der Glasperlenspieler: Das schwarze Schaf
Da haben wir den Salat. Das schwarze Schaf der hessischen SPD-Fraktion, Dagmar Metzger, will Frau Ypsilanti nicht wählen, wenn sie auf die Stimmen der Linken angewiesen ist, um das Amt der Ministerpräsidentin zu übernehmen. Sie ist Neuling in der Fraktion. In ihrer ersten richtigen Pressekonferenz, bei der sie doch sehr aufgeregt war, wie sie selber sagte, verdeutlichtet sie ihre Gründe für die ablehnende Haltung. Sie verabscheue Lügen, könne es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, den Bürgern das Versprochene wieder zu nehmen. Auch die Erfahrungen ihrer Familie mit dem SED-Staat DDR helfen da nicht gerade für die Öffnung in Richtung Linkspartei. Sie hat es damit geschafft, dass die SPD in eine schwere Krise fällt.
Und nun steht alles auf der Kippe. Ypsilanti scheint schwer angeschlagen, die Flamme des Roland Koch war schon erloschen, doch nun erhält sie wieder Zunder. In seiner abartigen Art spottet er über seine Gegner, noch Stunden zuvor hatte er kleinlaut und müde gewirkt. Kurt Beck, der dicke Affe, gerade noch schwer von seiner Krankheit gezeichnet, greift am kommenden Montag wieder in das politische Geschehen ein. Er hat eine Bundespressekonferenz anberaumt, Indikator für schwerwiegende Bekanntmachungen, manche spekulieren mit dem Gröbsten. Und auch der von Beck eingelegte Linksruck, umstritten genug, kann nun wieder für die Katz gewesen sein.
Der Glasperlenspieler (bedauert das)
Struck knöpft sich Ypsilanti vor
Die Entscheidung Andrea Ypsilantis für eine Tolerierung durch die Linke haben weder Kurt Beck, seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch ich begrüßt. Peter Struck (Welt am Sonntag, 8. März)
Peter Struck - Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
SPD-Debakel in Hessen: Fiasko und Humbug
Frau Metzger hat viel für die Glaubwürdigkeit der SPD getan. Johannes Kahrs - Sprecher des Seeheimer Kreises
Ich kann über dieses Fiasko nur noch den Kopf schütteln. Ich rate Frau Ypsilanti, Roland Koch ohne Mehrheit regieren zu lassen und vor sich herzutreiben. Susanne Kastner - 2007 (dpa): Bundestags-Vizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) will Ex-Kanzler Gerhard Schröder auf dem Parteitag zum Ehrenvorsitzenden vorschlagen. Dies soll auch "ein Zeichen der Partei für die Unterstützung der von ihm eingeleiteten Reformpolitik sein", sagte die bayerische Bundestagsabgeordnete der "Leipziger Volkszeitung". Mit der Agenda 2010 habe Schröder "Deutschland auf den Weg in die Zeit gebracht". Kastner kritisierte zugleich: "Es gibt Teile in der SPD, die das Agenda-Reformpaket insgesamt aufschnüren wollen. Das darf nicht passieren." Sie forderte die Hauptbeteiligten, Parteichef Beck und Vizekanzler Müntefering, zu "mehr öffentlicher Zurückhaltung im Streit und zu Kompromissbereitschaft" auf. So sollte für die SPD eine verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes I für 45-Jährige "völlig ausgeschlossen" sein, verbesserte Leistungen für ältere Arbeitslose wären aber durchaus überlegenswert. 2008 Bundesverdienstkreuz I. Klasse.
Abtreten, Ypsilanti und Beck!
Andrea Ypsilanti zahlt nun den Preis für politische Dummheit. Frankfurter Rundschau
Drama in Hessen: SPD-Rebellin Metzger will aufgeben - und den Weg für Ypsilanti frei machen SPIEGEL online
Hessische SPD spricht Ypsilanti Vertrauen aus
(...) Einen entsprechenden Beschluss fassten Landesvorstand, Parteirat und Landtagsfraktion bei einer Sitzung in Frankfurt am Main. „Ich kann Ihnen sagen, dass ich die breite Rückendeckung ... von meiner Partei noch einmal bekommen habe“, sagte sie in Frankfurt am Main nach einer Sitzung des Parteirats. Die Situation sei nach der Aufgabe des Plans, mit Hilfe der Linken eine rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden „nicht einfacher geworden“. Die hessische SPD wolle aber ihre für wichtig erachteten Projekte fortsetzen. Ypsilanti forderte die gegen diesen Plan opponierende Darmstädter Abgeordnete Dagmar Metzger auf, ihr Mandat niederzulegen. Wer Mehrheitsentscheidungen aus Gewissensgründen nicht mittragen könne, habe die Konsequenzen zu ziehen. Die Landtagsabgeordnete Petra Fuhrmann wollte nicht ausschließen, dass sich die Parteivorsitzende in einer späteren Sitzung des Landtags zur Wahl als Ministerpräsidentin stellen könnte. Dagegen haben nach dem Koalitions-Debakel in Hessen führende SPD-Politiker Parteichef Kurt Beck gegen Kritik verteidigt und der Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti die Schuld zugeschoben. Bundestagsfraktionschef Peter Struck sagte: „Die Entscheidung Andrea Ypsilantis für eine Tolerierung durch die Linke haben weder Kurt Beck, seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch ich begrüßt. Diese Entscheidung war kontraproduktiv zu dem, was wir in Bezug auf die Linken auf der Bundesebene planen.“ Auch der konservative „Seeheimer Kreis“ stellte sich hinter Beck. Das pragmatisch orientierte SPD-„Netzwerk“ forderte von ihm aber einen klaren Kurs gegen die Partei Die Linke. (...) Auch „Seeheimer“-Sprecher Klaas Hübner sagte dem Magazin „Focus“: „Die gesamte Verantwortung liegt bei der hessischen SPD.“ Deren Parteirat beriet am Samstag in Frankfurt über die Lage. (...) Der Co-Sprecher des „Seeheimer Kreises“, Johannes Kahrs, räumte in der „Bild“-Zeitung ein: „Beck hat einen Fehler gemacht - aber Fehler machen wir alle. ... Ich stehe hinter ihm.“ Sein Kollege Hübner sagte: „Kurt Beck bleibt Parteivorsitzender.“ Kahrs und Hübner hatten zu den schärfsten Kritikern von Becks Öffnungskurs gehört. (...) Anders als die SPD-Politiker sieht der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, Beck durch den gescheiterten Linkskurs „extrem beschädigt“, wie er der „Passauer Neuen Presse“ sagte. DIE WELT (8. März)
Heil erklärt Ypsilantis Rückzug
Die Bundes-SPD hat einem neuen Anlauf für eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen eine Absage erteilt. Generalsekretär Heil erklärte, Ypsilanti werde sich vorerst nicht der Wahl zur Ministerpräsidentin stellen.
"Jetzt, nachdem wir keine Basis haben, wird Roland Koch bis auf weiteres als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt bleiben. Aber die SPD wird ihre Inhalte einbringen", sagte Hubertus Heil am Sonntagabend in Berlin unmittelbar vor einem Spitzentreffen der SPD. (...) Heil distanziert sich indess von den Versuchen, Metzger wegen ihrer Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei zum Mandatsverzicht zu bewegen. Grundsätzlich solle man kontroverse Auffassungen in einer Partei miteinander diskutieren, aber keinen Druck ausüben, sagte Heil am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Es gehe auch nicht um Mandatsverzicht. "Das muss eigenverantwortlich von Parlamentariern entschieden werden. Das sind frei gewählte Parlamentarier", betonte er. (FOCUS online, 9. März)
SPD hadert mit ihrem Parteichef
Geschwächt vom Debakel in Hessen, stellt sich Kurt Beck heute seinen Kritikern. Streit um künftigen Kurs. Ypsilanti bleibt Landesvorsitzende (...) Am Freitag war sie jedoch von ihren Regierungsplänen abgerückt, nachdem die Darmstädter SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger angekündigt hatte, ihr die Unterstützung bei der Ministerpräsidenten-Wahl zu verweigern. Ypsilanti sah dadurch ihre hauchdünne Mehrheit im Landtag gefährdet. Metzger begründete ihren Entschluss damit, dass sie eine Kooperation mit den Linken nicht mitragen wolle. Als gebürtige Westberlinerin habe sie die Folgen des Mauerbaus hautnah zu spüren bekommen, sagte sie. Daher wolle sie mit den SED-Nachfolgern keine gemeinsame Sache machen. Der Zickzackkurs von Ypsilanti hat der hessischen SPD offenkundig geschadet. Nach einer Emnid-Umfrage für "Focus" hat die Partei im Vergleich zur Landtagswahl zwei Prozentpunkte eingebüßt und käme jetzt auf 35 Prozent. Die Linkspartei legte zwei Prozentpunkte zu und erreichte sieben Prozent. Die übrigen Parteien blieben stabil: die CDU bei 37, die FDP bei neun und die Grünen bei sieben Prozent. Ein sogenannter kleiner Parteitag der Hessen-SPD sprach Ypsilanti gestern trotzdem das Vertrauen aus. Auch die Abgeordnete Metzger stimmte für ihre Parteichefin... WELT online (9. März)
Ich erwarte, dass SPD-Chef Kurt Beck persönlich Verantwortung für die verfahrene Situation übernimmt, in der sich die SPD befindet. Für meinen Begriff hat sich seine Kanzlerkandidatur erledigt, weil er aus der Glaubwürdigkeitskrise nicht heraus kommt. Gerd Andres (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10. März)
Hessen-Poker: Höchststrafe für die SPD
Manchen erscheint es wie ein immer wiederkehrender Alptraum: Die Machtgelüste von Hessen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti gefährden Koalitionen und ganze Karrieren. Von anderer Stelle setzt es angesichts dieser Szenarios gleich die politische Höchststrafe: Aufrichtiges Mitleid.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Rainer Wend, kritisierte die Annäherung von Sozialdemokraten an die Linkspartei. Wenn sich Ypsilanti von den LINKEN wählen lasse, gebe es ein "großes Glaubwürdigkeitsproblem für die SPD insgesamt", sagte Wend der "Bild"-Zeitung.
Bundesverkehrsminister [Wolfgang] Tiefensee sagte, die SPD müsse "alles dafür tun, dass sich die Linkspartei nicht etabliert". Er finde es unerträglich, dass sich die Linke nicht mit Fragen der Verfolgung von Sozialdemokraten durch die SED nach 1945 auseinandersetze. Ebenso wie es die SED bis 1989 getan habe, gaukele Linke-Parteichef Oskar Lafontaine den Menschen vor, "dass das Paradies auf Erden zu verwirklichen sei", sagte Tiefensee.
Niedersachsens SPD-Chef [Garrelt] Duin befürchtet im Fall einer möglichen Kooperation der SPD mit der Linken in Hessen einen Verlust von Wählern "in der Mitte". Dort habe die SPD "ein riesiges Potenzial", jedoch wollten diese Wähler nichts mit der Linken zu tun haben. Er gehe allerdings davon aus, dass die hessische SPD diesen Weg einschlagen werde. Dies würde Duin zufolge die SPD im Bundestagswahlkampf 2009 in Erklärungsnöte bringen. Rheinische Post (11. März)
Rainer Wend - u.a. im Aug. 2003: Das wenige Geld, das da ist, darf man nicht in erster Linie in Rentenerhöhungen stecken (...) Ein späteres Renten-Eintrittsalter ist alternativlos. 2004 Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, im Dez. 2008 Gelungenes Politikerrecycling
Wolfgang Tiefensee - als Leipziger Oberbürgermeister 2003 auch Mitglied der sog. Hartz-IV-Kommission
Kesseltreiben gegen Dagmar Metzger Frankfurter Allgemeine Zeitung
• FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der Neuen Presse in Hannover: "Dieses Mobbing gegen Frau Metzger in Hessen ist geradezu verfassungswidrig". Jeder Abgeordnete sei frei gewählt und nur seinem Gewissen und nicht der Parteizentrale verpflichtet. "Ich hoffe sehr, dass sich die Parlamentspräsidenten mit ihrer ganzen Autorität in dieser Frage rasch und deutlich zu Wort melden."
Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch wirft der hessischen SPD im Zusammenhang mit der Abweichlerin Dagmar Metzger einen "Anschlag auf den Rechtsstaat" vor. "Die nachhaltigste Verletzung des Demokratieprinzips findet dann statt, wenn Parteien nicht nur unangemessen auf die Meinungsbildung ihrer Abgeordneten einwirken, sondern das Auswechseln von Abgeordneten erzwingen wollen, die das Wahlvolk bestellt hat", sagte Jentsch der Mainzer Allgemeinen Zeitung. (Süddeutsche Zeitung)
Erschöpft, aber standhaft
SPD-Rebellin Dagmar Metzger aus Darmstadt will sich nicht für das hessische Politdesaster verantwortlich machen lassen. FOCUS online
Metzger bleibt - Seeheimer Kreis jubelt Handelblatt
• Der niedersächsische SPD-Chef Garrelt Duin, der im SPD-Parteivorstand als einziger gegen Becks Linkskurs gestimmt hatte, nannte es "sehr gut", dass Metzger ihr Mandat behalte. "Alles andere wäre eine Katastrophe gewesen", sagte er dem Handelsblatt.
Der Abgeordnete Gerd Andres wiederholte seine Äußerung, aus seiner Sicht habe sich die Kanzlerkandidatur für Beck erledigt: "Dazu stehe ich." Der Haushaltsexperte Carsten Schneider verlangte, die SPD soll ihre eigene Politik definieren, statt stets nach links zu schielen. Der sächsische Abgeordnete Rolf Schwanitz nannte die von Beck für Ende Mai geplante Funktionärskonferenz zur Festlegung des Links-Kurses eine "Bluttransfusion für die PDS".
Garrelt Duin - Landesvorsitzender der SPD-Niedersachsen, die er wenige Wochen zuvor zum schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten führte
Die Abweichlerin zeigt Rückgrat
Auch nach dem öffentlichen Auftritt von Parteichef Kurt Beck spaltet der Umgang mit der Linkspartei die SPD. Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti war "nicht begeistert" darüber, dass die Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger, die eine Regierungsbildung mit der Linkspartei kategorisch ablehnt, ihr Mandat behalten will. Dagegen zeigten sich Vertreter des konservativen Parteiflügels erleichtert: "Ich freue mich", sagte Klaas Hübner, der Sprecher des Seeheimer Kreises, dem Handelsblatt: "Respekt vor dieser Entscheidung!"
• Die Bundes-SPD respektiert die Entscheidung der hessischen SPD-Landtagsabgeordneten. "Ich halte es für richtig, dass ein Abgeordneter nach seinem Gewissen entscheidet", sagte Fraktionschef Peter Struck. Metzger müsse es mit ihrem Gewissen vereinbaren, wenn sie der Meinung sei, dass sie ihr Mandat behalten solle. "Niemand wird aus der SPD-Landtagsfraktion ausgeschlossen werden können." Dies gelte auch für die Partei.
Struck fügte hinzu, Metzger habe eine klare Position artikuliert. (Süddeutsche Zeitung)
"Das bleibt eine Gewissensfrage"
Über ihre Entscheidung habe sie in den vergangenen Tagen mit vielen Menschen gesprochen, die ihr alle geraten hätten, in der Sache fest zu bleiben. In der Bundespartei seien es unter anderen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel gewesen, die ihr den Rücken gestärkt hätten. (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Hans-Jochen Vogel - Bruder von "CDU-Ikone" Bernhard V. und Mitbegründer der 5. Kolonne von Union/FDP
• Beck ist der Garant dafür, dass die SPD die Bundestagswahl 2009 verliert. Manfred Güllner (Wetzlarer Neuen Zeitung)
Forsa-Chef Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
-- Klaus Stuttmann (13. März)
- Fünf Jahre Agenda 2010 -
Andere beneiden uns
Mit der Agenda 2010 haben wir Sozialdemokraten mutig die Konsequenzen daraus gezogen, dass die Globalisierung unser Land immer stärker beeinflusst und dass wir davor nicht die Augen verschließen können. Inzwischen werden wir von anderen Ländern in Europa, die nicht den Mut zu solch umfassenden Reformen hatten, beneidet. Deshalb können wir stolz darauf sein, vor fünf Jahren den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Peter Struck - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende
Bleib, wie du bist!
Liebe Agenda 2010 zu Deinem 5. Geburtstag wünsche ich Dir, (...) dass die, die Dich unter - zum Teil - großen persönlichen Opfern zur Welt brachten, weiter für Dich einstehen und (...)
- dass Du so bleibst wie Du bist und Deine Gegner mit ihren offenen und versteckten Attacken auf die Reformfreude künftig kläglich scheitern. Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I bleibt hoffentlich die einzige Wunde, die Du erleiden musst.
- dass Du viele lebendige Reformkinder erleben darfst, die von dem Geist beseelt sind, nicht nur einfach Populäres zu tun, sondern Unpopuläres populär zu machen und so das Richtige zu tun. (...)
Happy Birthday! Ludwig Georg Braun
Horst Köhler - Mai 2004: Warum bekommen wir den Ruck noch immer nicht hin? Weil wir alle noch immer darauf warten, dass er passiert! Aug. 2004: Bei der Anwendung der Hartz-Richtlinien macht der Ton die Musik. März 2005: Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir in Deutschland jetzt eine politische Vorfahrtsregel für Arbeit. Was der Schaffung und Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze dient, muss getan werden. Was dem entgegensteht, muss unterlassen werden. Was anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist nachrangig. (- Claudia Roth: Wir sagen ja, zur Vorfahrt für Arbeit.) Dez. 2005: Unsere Regierungspolitiker beginnen, parteipolitische Gegensätze zu überbrücken. Wir sind bereit, neue Erfahrungen zu sammeln. Dez. 2006: Es war ein gutes Jahr für Deutschland. Die Fußball-Weltmeisterschaft war kein Märchen (...) Da bleibt etwas. Deutschland ist keine Insel. Wir stehen in einem internationalen Qualitätswettbewerb, der alle Bereiche unseres Zusammenlebens betrifft: Welcher Nation gelingt es am besten, die schöpferischen Kräfte ihrer Menschen zu wecken? Wie offen ist eine Gesellschaft für Neues? Sept. 2007: Systematische Bestenauslese bei Chancengleichheit - davon sind wir in den meisten (...) Lebensbereichen leider weit entfernt. Dez. 2007: Eines berührt mich (...) immer besonders: Die Bürger finden sich zusammen und so entsteht etwas: (...) Jobbörsen für Arbeitslose (...) zum Beispiel [und] Ein Mindestlohn, der von den Arbeitgebern im Wettbewerb nicht gezahlt werden kann, vernichtet Arbeitsplätze. Juni 2008: Die demokratische Teilhabe ließe sich durch Änderungen des Wahlrechts stärken (...) Legislaturperiode des Deutschen Bundestages auf fünf Jahre verlängern (...) und es könnten öfter (...) mehrere Landtags- und Kommunalwahlen auf denselben Tag gelegt werden. Juni 2008: Die Beschäftigungserfolge (...) sind wacker erarbeitet worden (...) von den Unternehmen, die sich modernisiert haben (...) von den Arbeitnehmern, die Spitzenarbeit leisten und Lohnzurückhaltung geübt haben; von den politisch Verantwortlichen, denn Reformen wie die Riester-Rente, die Rente mit 67 und die Agenda 2010 waren ein guter Anfang (...) Darum lautet die letzte von den wichtigsten heimischen Voraussetzungen für mehr Arbeit in Deutschland: Wir (...) brauchen eine Agenda 2020.
Schröder Standpauke für die SPD
Schröder: (...) Eine Ausrichtung auf die Mitte sei das Fundament für die sozialdemokratischen Wahlerfolge in den 70er-Jahren und unter seiner Kanzlerschaft nach 1998 gewesen...
Meinungsforscher geben dem Altkanzler recht. Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner zu BILD: "Schröder hat recht, weil man langfristig nur politischen Erfolg haben kann, wenn man Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Interessen in Einklang bringt. Sollte Beck seinen Linkskurs weiterfahren, wird er als Kanzlerkandidat nicht das Ergebnis seiner Vorgänger erreichen.
Fünf Jahre Agenda 2010: Schröder drängt Beck in die Mitte
Mahnung vom Altkanzler: Mitten in der Rot-Rot-Grün-Debatte und zum fünften Jahrestag der Agenda 2010 warnt Gerhard Schröder, die SPD dürfe die Mitte nicht aufgeben. Allerdings scheint er das Vertrauen in Parteichef Kurt Beck noch nicht ganz verloren zu haben. SPIEGEL online
- Die SPD hat seit 1998 400.000 Mitglieder verloren, 6 Ministerpräsidenten, tausende von Mandaten und 11 Millionen Wähler. Rudolf Dreßler - wobei, des ganzen Ausmaßes wegen, der hochgeschätzte Herr R. Dreßler dahingehend zu ergänzen ist, dass während des Schröder-Regimes von 16 Landtagswahlen 12 verlorengingen (und der SPD-Niedergang erst durch eine glaubwürdige Andrea Ypsilanti gestoppt werden konnte)
Wortbruch, Linksruck, fünf Parteien. Wird Deutschland unregierbar?
Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel hat seiner Partei im Zusammenhang mit der Diskussion um den Umgang mit der Linkspartei in Hessen ein Glaubwürdigkeitsproblem bescheinigt. "Ich halte die Glaubwürdigkeitsfrage für eine ernste Frage", sagte Vogel in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Es sei "für alle Parteien ein Problem, dass die Menschen das Vertrauen darin verlieren, dass das, was vor der Wahl gesagt wird, auch nach der Wahl gilt", betonte der SPD-Politiker und lobte die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger, die sich dem Abstimmungsbündnis mit der Linkspartei in Hessen verweigert hatte: "Es hat ja eine Abgeordnete in Hessen gegeben, die ihrer Partei geholfen hat, dass man jetzt wieder beim Wahlversprechen angekommen ist." Maybrit Illner (13. März)
Hans-Jochen Vogel - Bruder von "CDU-Ikone" Bernhard V. und Mitbegründer der 5. Kolonne von Union/FDP
-- f. lübberding, Leserartikel auf ZEIT ONLINE (13. März): Gnade für Andrea Ypsilanti
"Dilettantismus" und "Machtbesessenheit" - das sind einige der Formulierungen, die vielen Medien zur Charakterisierung Andrea Ypsilantis einfallen. Der Vorwurf "handwerklicher Fehler" wirkt dagegen vergleichsweise moderat. Die hessische SPD Landesvorsitzende hat es schon schwer. Und das alles nur wegen einer Selbstverständlichkeit: Sie will Ministerpräsidentin werden. Also das tun, wofür sie kandidiert hat. Man reibt sich die Augen. Nun hat Christian Wulf in Niedersachsen ebenfalls für dieses Amt kandidiert - und ist sogar gewählt worden. Und zwar mit den Stimmen seiner Koalitionsfraktionen aus CDU und FDP. So meint man. Oder hat nicht doch ein Koaltionsabgeordneter Herrn Wulf die Stimme verweigert und ihn dafür vielleicht ein Abgeordneter der Linken gewählt? Wer weiss das schon? Es war schließlich eine geheime Wahl. Am Ende ist das irrelevant. Christian Wulf ist gewählt - und damit erübrigen sich Spekulationen. Erst nach der Wahl zeigt sich, ob der neue Ministerpräsident eine handlungsfähige Mehrheit hat. Die Abstimmungen über Gesetzesvorlagen sind nicht geheim. Aus gutem Grund: Schließlich sollen Sachfragen für den Bürger transparent entschieden werden. In Niedersachsen ist das alles kein Problem, so hört man. In Hessen schon. Denn es hat seit den Landtagswahlen eine Besonderheit zu bieten. Es gibt im neuen Landtag keine regierungsfähige Mehrheit. Alle denkbaren Koalitionskonstellationen, von CDU/SPD über CDU/FDP/Grüne bis zu SPD/Grüne/Linke, werden von den handelnden Akteuren ausgeschlossen. Das kann man bedauern, auch hart kritisieren. Man kann sogar eigene Überlegungen haben. So befürwortete der Autor dieser Zeilen eine Große Koalition. Nur das ändert alles nichts. Denn die Fraktionen im Landtag sehen das anders - und finden keinen Ausweg aus dieser Sackgasse. Das hat verfassungsrechtliche Konsequenzen: Die CDU Regierung mit dem abgewählten Ministerpräsidenten, Roland Koch, bleibt im Amt.Was, bitte schön, ist daran logisch? Und was, bitte schön, wäre nun das Problem, wenn in Wiesbaden statt einem abgewählten Ministerpräsidenten namens Roland Koch eine gewählte Ministerpräsidentin namens Andrea Ypsilanti regierte? Beide haben nämlich eine Gemeinsamkeit: Keine Mehrheit im Landtag. Denn eines war schon vor dem Wahltag klar: Die Linke wird sich an keiner Regierung beteiligen - allerdings Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen. Was für unvoreingenommene Beobachter nachvollziehbar sein sollte. Schließlich bedeutete die Nichtwahl Ypsilantis die Bestätigung Roland Kochs. Das ergibt sich aus der hessischen Verfassung. Und warum soll nun ausgerechnet die Linke Roland Koch im Amt lassen? Ein Grund dafür ist aus deren Sicht nicht zu finden. Sie handeln also konsequent. Genau auf diesen Sachverhalt hatte Kurt Beck in seinem berühmten Hamburger Hintergrundgespräch mit Journalisten hingewiesen. In Hessen gehört nicht mehr zusammen, was ansonsten immer zusammen gedacht wird: Nämlich die Wahl des Ministerpräsidenten und die Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit. (...) Diese Selbstverständlichkeit - die Wahl zur Ministerpräsidentin - wird Andrea Ypsilanti im Brustton der Empörung verweigert. Vom Wortbruch ist die Rede. Davon könnte man allerdings nur reden, wenn Andrea Ypsilanti politische Zugeständnisse an andere Parteien gemacht hätte. Davon ist bis heute nichts bekannt. Kein Wunder. Selbst mit den Grünen hat es noch kein Gespräch über ein Regierungsprogramm gegeben. "Dilettantismus" und "Machtbesessenheit" von Andrea Ypsilanti? Beides häufig formuliert und schlecht begründet. Der Vorwurf "handwerklicher Fehler" ist dagegen ein Argument. Denn weder Kurt Beck, noch Andrea Ypsilanti haben den Sinn dessen verstanden, was sie gerade tun. Dieses Manko teilen sie zwar mit fast allen anderen Beobachtern des Dramas. Allerdings haben nur sie - und die SPD - den politischen Preis für diesen Fehler zu zahlen: Nämlich dass aus der Kandidatur Andrea Ypsilantis am 5. April im Wiesbadener Landtag eine politische Gundsatzentscheidung über den Umgang mit der Linken geworden ist. Zwar gibt es in dieser Frage Klärungsbedarf: Nur hat das eben nichts mit der Wahl zur Ministerpräsidentin zu tun. Da ging es um das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten in eine Person. Alles andere kommt in Hessen später. Etwa wo eine rot-grüne Minderheitsregierung in Sachfragen die fehlenden Mehrheiten findet. Warum eigentlich nicht bei der FDP? Manche halten so ein Bündnis für möglich. Vor dem Hintergrund ist der Fall der Darmstädter Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger zu beurteilen. Sie war ja die Auslöserin des Dramas, als sie die Vertrauensfrage über die Person Andrea Ypsilanti in eine Grundsatzfrage über das Verhältnis zur Linken transformierte. Manche sehen in ihr eine Art "heilige Johanna" des deutschen Parlamentarismus. Sie ist zur Inkarnation der freien Abgeordneten geworden, die sich heroisch den Anfeindungen machtbesessener Parteifreunde widersetzt. Der Grund ist bekannt. Sie lehnt jede Zusammenarbeit mit der Linken ab - und beruft sich auf ihr Gewissen. Nun mögen die Gründe von Frau Metzger überzeugen oder nicht. Die sollen hier gar nicht zur Diskussion gestellt werden. Nur versichert sie zugleich ihr Vertrauen in Andrea Ypsilanti. Dieses Vertrauen ist aber nichts wert. Denn sie entzieht es ihr in dem Moment, wo es auch von den Abgeordneten der Linken ausgesprochen werden sollte. Deren Vertrauen in Frau Ypsilanti hat bekanntlich nur einen Grund: Die Linke wählt lieber die SPD Landesvorsitzende als Roland Koch im Amt zu lassen. Es ist deshalb bedingungslos ausgesprochen worden. Inhaltliche Zugeständnisse für ihre Wahl musste die SPD Kandidatin nicht machen. Wenigstens sind selbst von Dagmar Metzger solche Gründe nicht genannt worden. Solche Gründe könnten eine Gewissensentscheidung durchaus begründen - sie gibt es aber nicht. Nun kündigte Dagmar Metzger an, den amtierenden Ministerpräsidenten im Landtag unter Druck setzen zu wollen. Das geht durchaus. Schließlich hat Roland Koch keine Mehrheit. Dafür braucht sie allerdings die Zusammenarbeit mit der Linken. Denn ansonsten kommen im Landtag nicht die Beschlüsse zustande, die eine Regierung Koch umsetzen müsste. Also etwa die Abschaffung von Studiengebühren. Warum löst diese Kooperation bei der Abgeordneten keine Gewissenskonflikte aus? Und warum kann eigentlich ein nicht gewählter Ministerpräsident Koch die Früchte dieser Kooperation besser umsetzen als eine gewählte Ministerpräsidentin Ypsilanti? Frau Metzger wird diese Fragen kaum beantworten können. Genauso erklärungsbedürftig ist ein anderes Phänomen. Nämlich warum eine SPD Abgeordnete lieber Roland Koch im Amt des Ministerpräsidenten sieht als als ihre eigene Parteivorsitzende. Selbst zwei politische Konkurrenten der SPD im Wiesbadener Landtag sehen das anders. Gnade für Andrea Ypsilanti? Keine Gnade. Das würde Schuld voraussetzen. Gnädig sollte man mit denen sein, die nicht das Gewissen plagt, sondern unter Vertrauen politisches Kalkül verstehen. Nicht jede Heldin ist eben so unschuldig wie die "heilige Johanna".
"Angst vor der Linkspartei"
Vor jeglicher Zusammenarbeit mit der Linkspartei warnte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU). "Man muss vor der Linkspartei große Angst haben", sagte er. "Diese Leute gehören in kein Parlament, sie sind eine Gefahr für die Demokratie, die werden zurecht vom Verfassungsschutz beobachtet und sie verändern unser Land zum Schlechten", so Wulff. Mit Blick auf den Ausgang der Regierungsbildung in Hessen zeigte Wulff sich überzeugt, dass Roland Koch (CDU) Mehrheiten finden werde: "Ich selber glaube, es kommt zur Großen Koalition. Das bietet sich eigentlich an auf Grund des Wahlergebnisses. Das stärkt dann auch die Große Koalition im Bund, wenn sie im Bundesrat auf diese Stimmen Hessens zählen kann." (BILD, 14. März)
Ich halte Frank-Walter Steinmeier für geeignet, Kanzlerkandidat zu sein. Peer Steinbrück wäre auch ein möglicher Kanzlerkandidat. Peter Struck (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16. März)
Peter Struck - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende
-- Sozial-Gangbang (16. März): Skandal um hessische Wahlmanipulation geht in die zweite Runde
Bereits vor der hessischen Landtagswahl hat der Chaos Computer Club (CCC) deutlich darauf hingewiesen, daß die, bei der Wahl verwendeten und äußerst umstrittenen Wahlcomputer, Manipulationen ermöglichen und somit gegen die Grundsätze einer freien, demokratischen und heimlichen Wahl verstoßen.
Aus diesem Grund hatte der CCC bereits, vor der hessischen Landtagswahl, eine Einstweilige Verfügung beim hessischen Staatsgerichtshof beantragt. Hauptgegenstand der Begründung war die mangelnde Möglichkeit, die Stimmen nachträglich zur Kontrolle ein zweites Mal auszählen zu können, sowie die Möglichkeit, einer Verfälschung der Stimmabgabe mittels einer einfachen Manipulation der Wahlzettel.
Der Antrag des CCC wurde mit der Begründung abgelehnt, man könne dieses zwielichtige Wahlverfahren erst nach der Wahl, mittels eines Wahlprüfungsverfahrens anfechten. Das hat der CCC nun beantragt.
Neben den, zuvor vom CCC angeführten Zweifeln an der Stimmauszählung, wurde die hessische Landtagswahl von weiteren Ungereimtheiten begleitet. So wurde verschiedentlich Wahlbeobachtern des CCC der Zugang zu den Wahllokalen verweigert ...
-- Tageszeitung (16. März): Chaos Computer Club ficht Wahl an
Weil mit manipulierbaren Maschinen abgestimmt wurde und Wahlhelfer Beobachter ausgesperrt haben, zieht der Chaos Computer Club vors Wahlprüfungsgericht.
(Für Schwarz-Grün in Hamburg bin ich guter Hoffnung [und] in Hamburg passen die Parteien wirklich gut zusammen. Margareta Wolf - Ex-MdB der Grünen und Atom-Lobbyistin / Manche Paarungen haben ästhetischen Reiz. Daniel Cohn-Bendit / Selbstverständlich wird die Hamburger Koalition ­ entgegen allen Dementis - das entscheidende Vorbild für den Bund sein, wenn dies die Verhältnisse möglich machen oder gar erzwingen sollten. Was denn sonst? Joschka Fischer)
 
-- Süddeutsche Zeitung (20. März): Hessischer Rundfunk - Koch und Kellner im Funkhaus
Streit im öffentlich-rechtlichen HR: Offenbar verhinderte Fernseh-Chefredakteur Theisen, dass eine Umfrage publiziert wurde. Sie war negativ für Landeschef Roland Koch (CDU) ausgefallen.
- Ivan Nagel: Ein solche Seuche des Hasses wie in den letzten Wochen gegen Beck und "Frau Lügilanti" wurde hierzulande seit den Dutschke-Jahren nicht mehr entfesselt.
SPD verharrt auf Rekordtief
Zu den Umfrageergebnissen sagt Forsa-Chef Manfred Güllner* gegenüber stern.de, dass die CDU nicht wesentlich von der Schwäche der SPD profitiere. (...) Darüber könnten die hohen Sympathiewerte für die Bundeskanzlerin nicht hinwegtäuschen. "Die Person Merkel ist abgekoppelt von der CDU. Und sie hat das große Glück, dass sie Kurt Beck als Gegenpol hat" ...
Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
Kanzlerkandidat Steinmeier?
Der Außenminister fordert Klarheit über den Kurs der SPD. Dann soll über den Kandidaten entschieden werden. So bringt er sich selbst in Stellung
Mit der SPD mag es in den Umfragen bergab gehen, die Lust aufs Debattieren ist ihr gleichwohl nicht vergangen. Da schreibt etwa der frühere Vorsitzende Franz Müntefering aus dem fernen Bonn der amtierenden Parteispitze in Berlin auf seiner alten Reiseschreibmaschine politische Ratschläge unter dem Titel "Die Verantwortung der Sozialdemokratie - Hessen und die Konsequenzen". DIE WELT (23. März)
Wie sich Steinmeier in der SPD in Position bringt
In der SPD schlägt die Debatte über Richtung und Führung immer neue Funken. Außenminister Steinmeier fordert vor dem Hintergrund des Linksrucks der Partei, die SPD müsse nun erst einmal Klarheit über ihren politischen Kurs schaffen. Einiges spricht dafür, dass hinter den Kulissen ein Machtkampf entbrannt ist. WELT online (23. März)
-- NGO online (26. März): Ypsilanti erfüllt Wahlversprechen: Hessens SPD und Grüne wollen Studiengebühren abschaffen
Die zum laufenden Wintersemester eingeführten Studiengebühren in Hessen sollen nach dem Willen von SPD und Grünen "schnellstmöglich" wieder abgeschafft werden. Die Landtagsfraktionen beider Parteien wollen dazu bereits in der ersten Sitzung des neuen Landtags am 5. April entsprechende Initiativen auf den Weg bringen. Das kündigten SPD und Grüne am 26. März in Wiesbaden an. Man wolle damit "ein Wahlversprechen erfüllen", betonte die hessische SPD. Beide Parteien gaben sich überzeugt, eine parlamentarische Mehrheit zu bekommen. Neben SPD und Grünen will auch die Linke die Studiengebühren abschaffen. Studierende in Hessen sollen demnach bereits zum nächsten Wintersemester 2008/2009 nicht mehr für ihr Studium zahlen müssen. Neben den allgemeinen Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester wollen SPD und Grüne auch die Langzeit- und Zweistudiengebühren kippen.
Nach Hessen dürfte es schwer für ihn (Kurt Beck) sein, Wahlkämpfe zu organisieren. Bernd Strauch (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 26. März)
Bernd Strauch - Ratsvorsitzender und Bürgermeister von Hannover
Wenn sich der Parteivorsitzende seiner Kanzlerkandidatur nicht sicher ist, kann er auf das Mittel zurückgreifen, das einem seiner Vorgänger, Rudolf Scharping, in der Stunde politischer Not zur Verfügung stand: Er kann sich in einer Mitgliederumfrage zur Wahl stellen (...) So viel Demokratie muss in Willy Brandts SPD gewagt werden. Michael Naumann (Die Zeit, 27. März)
Michael Naumann - (beim Leben seiner Kinder) SPD-Spitzenkandidat und Wahlverlierer von Hamburg
Die Zeit (zur SPD-Kanzlerkandidatur) drängt, es ist Blaulicht-Stimmung in der SPD. (anonyme) Hochrangige SPD-Mitglieder der Bundesebene (Leipziger Volkszeitung, 28. März)
Das hat uns in Hamburg das Genick gebrochen (...) Dafür muss er büßen. Damit hat sich die Kanzlerfrage schon erledigt. Johannes Kahrs (SHZ online, 28. März)
Johannes Kahrs - Sprecher des Seeheimer Kreises
Bei einer Mitgliederbefragung hätte Frank-Walter Steinmeier die Nase vorn. Er ist nicht zuletzt wegen seiner hohen persönlichen Glaubwürdigkeit der beste Kandidat. Boris Pistorius (Welt am Sonntag, 30. März)
Boris Pistorius - Oberbürgermeister von Osnabrück
In der SPD wird die Kompetenz und Seriosität von Frank-Walter Steinmeier sehr geschätzt. Unbestritten ist, dass er ein großes Potential hat, das ihn zu den höchsten Ämtern befähigt. Stephan Weil (Welt am Sonntag, 30. März)
Stephan Weil - Oberbürgermeister von Hannover
SPD-Rebellin Metzger besteht auf Landtagsmandat Frankfurter Allgemeine Zeitung (30. März)
-- NGO online (31. März): "Petra Roth wollte Bündnis mit Rechtsextremen" / Hessens SPD und Ypsilanti halten Kurs auf Politikwechsel
Die hessische SPD-Basis wünscht sich einen klaren Politikwechsel. Man sei die "Nach-Agenda-SPD", hieß es in einem Redebeitrag auf einem außerordentlichen Parteitag am 29. März in Hanau. Inhaltliche Anträge zur Energiewende, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zu mehr Chancengleichheit in der Bildung wurden von den Delegierten fast einstimmig angenommen. Weiterhin beschlossen die hessischen Sozialdemokraten bei nur wenigen Gegenstimmen, zur Mehrheitsfindung im Landtag auch die Stimmen der Linken zu nutzen. Einer großen Koalition erteilte der Parteitag nach längerer Diskussion eine klare Absage. Parteichefin Andrea Ypsilanti machte gleich zu Beginn ihrer mit viel Spannung erwarteten Rede deutlich, dass die hessische SPD nicht gewillt ist, sich von Medien ihre Entscheidungen diktieren zu lassen: "Vor ein paar Wochen hat eine große Tageszeitung getitelt: Linkes Projekt gescheitert, Ypsilanti gibt auf. Da mag ja der Wunsch den Texter geleitet haben", so Ypsilanti. "Aber weder das eine, noch das andere stimmt." Es gebe eine gesellschaftliche Mehrheit in diesem Land für einen Politikwechsel, so Ypsilanti. Man sei in allererster Linie für politische Inhalte gewählt worden und nicht für Koalitionsaussagen. "Gerade Werte und Inhalte haben mit Glaubwürdigkeit zu tun." Das sei leider in der "Medienhysterie" der letzten Wochen untergegangen. "Wir haben immer gesagt: Wir wollen mehr als einen Regierungswechsel, wir wollen einen Politikwechsel."
Der Anblick ist schrecklich: Die älteste demokratische Partei unseres Landes scheint in Auflösung begriffen. Es gibt historisch keine Parallele mit der heutigen, nachgerade chaotischen Lage der SPD. Die Partei treibt im allgemeinen Eindruck orientierungs- und führungslos dahin. Wolfgang Clement (Cicero, Aprilausgabe)
Deshalb gilt das, was Kurt Beck gesagt hat, bis auf weiteres. Wer weiß, was immer sich irgendwann entwickeln mag. Hubertus Heil - SPD-Generalsekretär (Frankfurter Allgemeine, 1. April)
Hubertus Heil - SPD-Generalsekretär
Warum ist Steinmeier der bessere SPD-Kanzlerkandidat?
Aus dem Herzen der Hauptstadt kommt Café Einstein, das neue Web-TV-Format auf stern.de. Heute im bekannten Polit-Treffpunkt "Unter den Linden": Forsa-Chef Manfed Güllner.
Manfred Güllner - Gründer u. Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
Diese Geschichte (in Hessen) hat uns nicht genutzt - weder ihm (Kurt Beck) noch der SPD. Sollte die SPD auch nur versuchen, weiter nach links zu rücken, kann sie nur verlieren. Peter Struck (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 4. April)
Peter Struck - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende
Schwarz-Gelb in Hessen bei 50 Prozent
Die SPD-Wähler in Hessen sind schwer enttäuscht. Ihre Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hat das Vertrauen in ihre Person in den vergangenen Wochen verspielt. Profiteur der Situation: Roland Koch. Wäre jetzt Wahl in Hessen, würde alles ganz anders aussehen.
Wäre jetzt Landtagswahl in Hessen, könnten CDU und FDP mit einer Mehrheit rechnen. Das ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von stern.de, der Online-Ausgabe des Hamburger Magazins stern.
Das Comeback des Roland Koch
Aus dem Herzen der Hauptstadt kommt Café Einstein, das neue Web-TV-Format auf stern.de. Heute im bekannten Polit-Treffpunkt "Unter den Linden": Forsa-Chef Manfred Güllner
Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Vertrauter Gerhard Schröders im Doppelpassspiel mit Hans-Ulrich Jörges (I, II, III, IV)
Ein solches Chaos haben wir seit 1993 nicht mehr erlebt. (anonyme) Mitarbeiter des Willy-Brandt-Hauses (Die Welt, 9. April)
Die Angebote der hessischen SPD waren ja schon richtig Ekel erregend. Ich habe schon viele interessierte und hartnäckige Verehrerinnen kennen gelernt, aber keine, die so dämlich war wie die SPD in Hessen. - FDP-Generalsekretär Dirk Niebel (ZDF, 18. April)
Prinzessin Ypsilanti und ihr Geheimnis
Andrea Ypsilanti, die Gegenspielerin von Hessens Ministerpräsident Roland Koch, hat ein Geheimnis: ihren Ex-Mann. In dessen adlige Familie passte sie viel besser als ihre Wähler auf den ersten Blick vermuten würden.
Es gibt Rätsel, die sind nur spannend, bis sie gelöst sind. Das Mysterium um den Ex-Mann der hessischen SPD-Spitzenkandidatin gehört nicht dazu. Geradezu verdächtig still wird Andrea Ypsilanti, wenn sie nach ihm gefragt wird. Wer allerdings mit einem so aufregend klingenden Namen Wahlkampf betreibt, muss sich die Frage nach dessen Herkunft schon gefallen lassen. Die Frage nach Manoli. So nennt ihn sein Clan liebevoll.
Der Clan, das ist die Fanariotendynastie Ypsilanti: griechischer Adel, Fürsten der Moldau und Walachei, schließlich in Österreich verarmt. Und Manoli, der in den Achtzigern die adrette Andrea heiratete, ist der 1944 in Athen geborene Prinz Emmanuel Ypsilanti. Ein glutäugiger, stolzer Grieche, der heute mit seiner vierten Frau und einer gemeinsamen Tochter in einem eleganten Haus bei Nizza an der Côte d’Azur residiert. Dort sei er glücklich, heißt es, und habe einen ganz exzellenten Weinkeller.
Es war Anfang der Achtziger, als der Prinz eine Lufthansa-Stewardess mit breitem Rüsselsheimer Dialekt kennenlernte, das junge Fräuleinwunder Andrea Dill. Sein Beruf als IT-Experte führte ihn für zwei Jahre nach Madrid. Andrea folgte ihm und lernte Spanisch, bis die beiden 1985 nach Deutschland zogen. Dort lebte das mittlerweile verheiratete Prinzenpaar auf dem Gelände eines Bauernhofes bei Oberursel, einem wohlhabenden Städtchen am Taunus. Und dann, irgendwie, irgendwann in den Neunzigern, das Ende. Andrea habe den Prinzen verlassen, und einen getroffen, der sich besser mit ihren Karriereplänen arrangierte, sagt ein Bekannter. Wie sehr, konnte man am hessischen Wahlabend beobachten, an dem Emmanuels Nachfolger Klaus-Dieter Stork seiner Andrea vor laufenden Kameras Soufflierdienste leistete.
Ob sich auch Prinz Ypsilanti als “fleischgewordener Teleprompter” hergegeben hätte? Vermutlich nicht. Ohnehin haben Frauen es nicht so leicht mit dem griechischen Alpha-Männchen, sagt ein Familienmitglied: "Der Manoli ist ein großer Damenliebhaber mit einer Wahnsinnsausstrahlung. Für Ehefrauen ist das manchmal schwer." Wenn dem so war, Andrea wäre nicht die Einzige. 1962 heiratet der Prinz in London seine erste Frau Virginie, Tochter eines Mannes namens Constantin Canaris. Dann, zehn Jahre später, die zweite Ehe mit Maria Missios in Athen. Als Vater von zwei in London geborenen Söhnen, Gregoire und Alexandre, heute beide erwachsen, übersiedelt er schließlich nach Deutschland. Als Kind soll Emmanuel auch einige Zeit bei der Schwester seines Vaters in Johannesburg verbracht haben. Die war Hofdame am griechischen Königshof gewesen und mit dem Kronprinzen vor dem Einmarsch der Deutschen nach Südafrika geflohen.
Solche Geschichten sind natürlich peinlicher Ballast für eine zünftige Linke, könnte man meinen. Doch so schlimm ist es gar nicht: Ganz abgesehen davon, dass Emmanuels Vorfahre Alexander Ypsilanti sich 1821 an die Spitze der griechischen Rebellion gegen die Türkenherrschaft stellte und bis heute als Freiheitsheld verehrt wird: Die Ypsilantis waren selten bräsige Salon-Durchlauchten und politisch höchst agil. Insbesondere dem Bruder von Emmanuels Vater, einem Diplomaten, hätte die Politikerin alle Ehre gemacht: Zwar vertrat der zuerst, recht mondän, Griechenland in exotischen Orten wie Casablanca oder Addis Abeba. Dann allerdings verkrachte der Prinz sich mit dem griechischen Außenminister und wurde Abgeordneter der sozialistischen Zentrumspartei. Und überhaupt sind die Ypsilantis trotz historischer Höhenflüge längst wieder auf dem Boden gelandet. Der Familienbesitz, das niederösterreichische Schloss Rappoltenkirchen, auf dem Emmanuels Vater aufwuchs und das dessen Großvater durch eine Heirat in die Hände fiel, wurde 1990 aus Geldnot versteigert.
In der Vorgeneration allerdings wäre Andrea in der Familie vielleicht doch auf Widerstand gestoßen. Die heute in Wien lebende Helga Ypsilanti hatte als bürgerliche, geschiedene Frau Emmanuels Onkel, den späteren Familienchef Constantin Ypsilanti, geheiratet. Ihrem Schwiegervater, der in Rappoltenkirchen residierte, rief man im Dorf noch "Küss die Hand, Durchlaucht!" zu. Sie hingegen, erinnert sich die alte Dame, bekam von den Schwiegereltern als Erstes zu hören: "Eine Mätresse empfangen wir nicht." Dennoch, die Frau eines Ypsilanti sei gesegnet, denn die "sind schön wie Omar Sharif, allesamt!" Und unter dem jetzigen Familienchef, dem bodenständigen Fürsten Georg Ypsilanti, einem Wiener Künstler, hätte Andrea es leicht gehabt. Dass sie nicht auf ihren Titel pocht, beeindruckt ihn: "Hut ab, das zeigt, dass sie Hirn hat." Als Emmanuel sie ihm vorstellte, fand er sie "sehr sympathisch". Nur eines wusste er nicht: "Dass sie eine Rote ist. Ich halte nicht viel von der Bagage." Allerdings räumt er ein: "Die richtigen Sozis, die sagen: Wir sind links-links, wirklich links, das ist was anderes. Das ist ehrlich." Na also! Stern (Constantin Magnis, 2. Mai)
Der Beck hat manchmal einen Aussetzer, und da hatte er wieder einen. Rainer Speer (Märkische Allgemeine, 14. Mai)
Rainer Speer - Minister der Finanzen des Landes Brandenburg im Kabinett Platzeck II über die Ankündigung des SPD-Parteivorsitzenden zur Ausarbeitung eines Steuerreformkonzepts
(Die SPD) hat das (Agenda 2010-Reformpaket) nicht als eine neue Orientierung der Politik akzeptiert. Und diese neue Orientierung fehlt heute der SPD, der reformerische Ansatz. Das ist auch meine Kritik an der heutigen SPD, auch an Kurt Beck. Wir haben die Chance verspielt, die Reformkraft Deutschlands zu sein. Wolfgang Clement (Kölner Stadt-Anzeiger, 14. Mai)
Derzeit reißt er (Kurt Beck) im Wochentakt ein, was wir vorher mühevoll aufgebaut haben. (anonymes) SPD-Präsidiumsmitglied (BILD, 14. Mai)
Beck führt uns in den Abgrund. (anonymes) Mitglied der SPD-Parteispitze (Rheinische Post, 21. Mai)
Müntefering bringt Beck in Bedrängnis
Die Präsentation Gesine Schwans als Kandidatin für das höchste Staatsamt galt in der SPD als gelungen. Die Sozialdemokraten gaben sich nach dem Beschluss ihrer Gremien geradezu euphorisch. Sie wirkten plötzlich glücklich, zufrieden und zuversichtlich - wovon in den Monaten zuvor in der SPD wenig zu spüren war.
Gestern dann aber erklang eine Stimme, die in den vergangenen Monaten selten zu hören war: Franz Müntefering, der frühere Vizekanzler, forderte die Sozialdemokraten zu einem erneuten Beschluss auf, in dem sie eine Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke ausschließen. Entsprechend äußerte er sich in einem Zeitungsbeitrag und während eines Auftritts im Frühstücksfernsehen. Der Hintergrund: Bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai 2009 will die SPD um Stimmen aus allen Parteien werben, auch um solche aus den Reihen der Linken.
Münteferings Wortmeldung gilt schon an sich als "Vorgang", da er das Wirken des Parteivorsitzenden Kurt Beck äußerst kritisch beäuge, wie es in der SPD heißt. Für seinen Vorstoß erfuhr Müntefering sogleich Unterstützung aus Reihen der SPD-Bundestagsfraktion.
Die Sprecherin des reformorientierten "Netzwerks", die Abgeordnete Nina Hauer, begrüßte den Ruf nach einer erneuten Absage an Rot-Rot. "Das kann in einen gesonderten Beschluss gefasst oder ins Regierungsprogramm geschrieben werden", sagte Hauer der WELT. Der Seeheimer Kreis in der SPD signalisierte ebenso Zustimmung. Sein Sprecher Klaas Hübner pflichtete Müntefering im "Tagesspiegel" bei, die SPD könne so einen drohenden Lagerwahlkampf verhindern. Er sprach sich für eine "definitive Absage" aus, "um unser Nein zu Rot-Rot im Bund zu bekräftigen".
In der Union wurde abermals Kritik an der Nominierung Schwans gegen Bundespräsident Horst Köhler laut. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder sagte: "Man kann sich auf Zusagen der SPD nicht mehr verlassen." Kanzlerin Angela Merkel fasste ihre Kritik vor der Unionsfraktion mit Ironie zusammen. "Manchmal weiß man gar nicht mehr, wen man morgens anrufen soll. Am besten gleich Frau Nahles?", sagte Merkel Sitzungsteilnehmern zufolge. In der Union gilt SPD-Vizechefin Andrea Nahles als treibende Kraft hinter der Nominierung Schwans. Die SPD habe sich damit als unzuverlässig erwiesen, sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. DIE WELT (28. Mai)
Ich will gar nicht verschweigen, dass ich eine andere Auffassung hatte in dieser Frage. - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Peter Struck (Deutschlandfunk, 1. Juni)
Peter Struck - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende, über den Beschluss, für das Amt des Bundespräsidenten mit eigener Kandidatin anzutreten
(Kurt Beck: "Wir lassen uns nicht einmauern" - Bei einer Rede zum 145-jährigen Bestehen der SPD in Leipzig sagte Beck, seine Partei werde sich „nicht einmauern lassen“, sondern selbst entscheiden, wen sie aufstelle. Der SPD-Vorstand wird Schwans Kandidatur an diesem Montag aller Voraussicht nach mit großer Mehrheit beschließen. Die Union wirft der SPD unter anderem vor, sich bei der Präsidentenwahl im Mai kommenden Jahres in der Bundesversammlung von den Stimmen der Linkspartei abhängig zu machen. „Wir werden uns von der Rechten nicht bestimmen lassen in dem, was wir tun“, sagte Beck vor rund 180 Zuhörern. Er berief sich dabei auf Willy Brandt, der sich in einer seiner letzten Reden gegen die Tabuisierung der seinerzeit umstrittenen Zusammenarbeit von SPD und Grünen gewandt hatte. Auch damals habe der politische Gegner die SPD vor dem politischen Abseits gewarnt, sagte Beck. Wer glaube, die SPD werde sich dadurch den Schneid abkaufen lassen, der schneide sich, fügte der SPD-Vorsitzende hinzu.)
-- NGO online (4. Juni): Einlösung von Wahlversprechen in Hessen: Landtag beschließt mit rot-rot-grüner Mehrheit Abschaffung der Studiengebühren
In Hessen ist das Studium an Universitäten und Fachhochschulen ab Herbst wieder gebührenfrei. Mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linksfraktion und gegen das Votum von CDU und FDP beschloss der Landtag am 3. Juni in Wiesbaden, die erst zum vergangenen Wintersemester eingeführten Beiträge wieder abzuschaffen. Neben den allgemeinen Gebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester setzte die linke Landtagsmehrheit auch das Aus der Gebühren für ein Zweitstudium und für eine überlange Studiendauer durch. SPD und Grüne betonten, mit der Abschaffung der Gebühren ein zentrales Versprechen aus dem Landtagswahlkampf einzulösen. Beide Parteien wie auch die Linke halten die Studienbeiträge für unsozial und verfassungswidrig.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, rund 14 Monate später (quasi wenn alles polit. "gelaufen", alles "in Sack & Tüten" ist): [Jürgen] Walters engster Kreis war es demnach, der Frau Ypsilantis zweiten Versuch, sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, eingeleitet hatte - offenkundig aus freien Stücken. Am Rande der Plenarsitzungen am 4. und 5. Juni 2008 trafen sich Frau [Carmen] Everts, die Abgeordnete Nancy Faeser und der Sprecher des hessischen SPD-"Netzwerks", Gerrit Richter, in Wiesbaden. Auf dem Treffen wurde beschlossen, einen zweiten Anlauf mit der Linkspartei einzuleiten; unmittelbar danach nahm Richter Kontakt zu Andrea Ypsilantis Generalsekretär Norbert Schmitt auf. Schon während der Sommerpause (sic) warb Walter intern für den zweiten Anlauf mit Hilfe der Linkspartei. Am 16. Juli 2008 fand dann in der Wohnung von Carmen Everts ein Treffen der Walter-Gruppe statt. Hier wurde schon ein Fahrplan für den zweiten Anlauf Ypsilantis erstellt, der alle wesentlichen Stationen enthielt, welche die SPD später tatsächlich anlief.
Wir werden dafür sorgen müssen. - Dass langsam mal Klarheit in den Laden kommt, in welche Richtung man marschiert (...) Die Entscheidung muss fallen. Da dürfen wir uns keine Hängepartie bis Anfang 2009 erlauben. Ingo Egloff (Financial Times Deutschland, 6. Juni)
Ingo Egloff - Landesvorsitzender der SPD-Hamburg
SPD stürzt auf Rekordtief von 20 Prozent
Die SPD ist in der Wählergunst der Deutschen auf ein neues Rekordtief gefallen.
In der wöchentlichen Umfrage des stern sowie des Fernsehsenders RTL stürzte sie im Vergleich zur Vorwoche um 3 Punkte auf 20 Prozent ab. Es ist der niedrigste Wert, den das Forsa-Institut je für die Sozialdemokraten gemessen hat.
Forsa-Chef Manfred Güllner* bezeichnete den SPD-Wert als einen "bis jetzt nicht für möglich gehaltenen Tiefpunkt". Geschadet habe der Partei unter anderem die Ankündigung ihrer Präsidentschafts-Kandidatin Gesine Schwan, um die Stimmen der Linken werben zu wollen. Güllner zum stern: "Viele Wähler fürchten, dass entgegen allen Beteuerungen von Parteichef Kurt Beck mit ihrer Kandidatur ein Signal für ein bundesweites Zusammengehen mit der Linkspartei gegeben wird."
Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
CDU-General: Pofalla verspottet die SPD
Schwere Zeiten für die SPD: In der neuen Umfrage des stern verharren die Genossen bei katastrophalen 20 Prozent. Und als sei das noch nicht genug, tritt jetzt auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nach.
6 Prozent wollen bald austreten
Eine Umfrage des Forsa-Institus, im Auftrag des stern, hatte ergeben, dass die SPD auf ein historische Zustimmungstief gesunken ist. Nur noch 20 Prozent würden ihre Stimme momentan den Sozialdemokraten um Parteichef Kurt Beck geben. In der SPD denkt jedes dritte Mitglied über einen Austritt nach. In einer Umfrage für den stern bejahten 36 Prozent der befragten SPD-Mitglieder die Frage, ob sie angesichts der Turbulenzen der Partei in jüngster Zeit über einen solchen Schritt nachgedacht hätten. Demnach wollen 6 Prozent tatsächlich auch in Kürze austreten. Die Studie wurde vom Meinungsforschungsinstitut Forsa gemacht. Derzeit hat die SPD noch annähernd 532 000 Mitglieder.
Mehrheit mit Beck nicht zufrieden
Die Arbeit von Parteichef Kurt Beck bewerteten 40 Prozent der befragten SPD-Mitglieder gut, 60 Prozent dagegen schlecht. Einen stärkeren Einfluss von Vize-Parteichefin Andrea Nahles vom linken Flügel wünschen 43 Prozent, 57 Prozent sind dagegen (...)
Kann Steinmeier die SPD retten?
Aus dem Herzen der Hauptstadt kommt Café Einstein, das neue Web-TV-Format auf stern.de. Heute im bekannten Polit-Treffpunkt "Unter den Linden": Forsa-Chef Manfred Güllner über die Krise der SPD.
Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter im Doppelpassspiel mit Hans-Ulrich Jörges (I, II, III, IV)
-- Klaus Stuttmann (16. Juni)
Wir sollten nicht glauben, dass wir mit dem Thema Altersteilzeit punkten könnten. Peer Steinbrück | Juni 2008
(Das hat mit Zukunftsorientierung nichts zu tun. Brigitte Pothmer - Grüne-MdB / Wir finden, dass der Vorschlag der SPD ein Griff in die Mottenkiste ist. - Christine Scheel - Grüne-MdB / Ich befürchte, dass die SPD auf der Suche nach der verlorenen Identität ein Stückweit den populistischen Forderungen der Linkspartei hinterher rennt. So ist auch der Vorschlag für die Altersteilzeit zu verstehen. Claudia Roth - Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen)
Es bestehen erhebliche Zweifel an der Regierungs- und Parlamentsfähigkeit dieser Truppe. Jürgen Walter (SWR, 17. Juni)
Jürgen Walter - Landtagsabgeordneter der SPD im hess. Landtag (und später, nachdem er A. Ypsilanti "aufs Dach getrieben hat, um ihr die Leiter wegzuziehen", einer der "Phantastischen Vier-Persönlichkeiten")
Beck zieht SPD in den Abgrund.
Die SPD ist in der jüngsten Forsa-Umfrage auf ein neues Tief gesunken. Grund dafür dürfte Parteichef Kurt Beck sein. Nie war ein potenzieller SPD-Kanzlerkandidat so unbeliebt beim Volk - selbst SPD-Wähler wollen lieber Angela Merkel als Kanzlerin. (Focus, 20. Juni)
Forsa-Chef Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
SPD-Rechte fordert Kontaktverbot mit Linken
Bei der SPD sorgt ein Treffen junger Abgeordneter mit Parlamentariern der Linken weiter für Aufregung. Der Fraktionschef Peter Struck hat einem Zeitungsbericht zufolge nun eine schärfere Abgrenzung von der Linkspartei angemahnt. Auch für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl. DIE WELT (21. Juni)
Kurt Beck wirft seinen Kritikern Feigheit vor
SPD-Parteichef Kurt Beck hat seine innerparteilichen Kritiker in ungewohnter Schärfe angegriffen. Auf dem Landesparteitag der Berliner SPD warf er ihnen Feigheit und Unsolidarität vor. Der in Meinungsumfragen schwer angeschlagene SPD-Chef verband dies mit einer Kampfansage, dass er sich nicht verstecken werde. „Ich werde nicht hinter den Baum gehen, weil es dort bequemer ist, sondern werde stehen, auch wenn das nicht jeden Tag vergnügungssteuerpflichtig ist“, sagte Beck unter dem Beifall der Delegierten.
„Das, was ohne Namensnennung an Kritik geäußert wird, interessiert mich nicht“, sagte der Parteichef. „Entweder es ist unwahr, oder es ist unsolidarisch und feige.“ Wer kritisiere, müsse „dazu stehen mit seinem Namen“. Beck mahnte seine Partei zu Geschlossenheit. Sie werde nur erfolgreich sein, „wenn wir die Gemeinsamkeiten über die kleinen Nickeligkeiten gegeneinander zu stellen wissen“. Nach „manchem Gerumpel“ habe die Parteispitze begriffen, „dass wir zusammenzuarbeiten haben“.
Medien hatten unter Berufung auf ungenannte SPD-Politiker berichtet, in der SPD-Führung würden Beck keine Chancen für die Kanzlerkandidatur 2009 eingeräumt. Als Anwärter darauf gilt auch Vizeparteichef und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. (...)
Das Magazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner neuen Ausgabe ohne Angabe von Quellen von Überlegungen in der SPD, Beck noch in diesem Jahr aus dem Amt des Parteichefs zu drängen. Führende Vertreter des rechten Parteiflügels hätten über einen Wechsel an der Spitze beraten. Im Gespräch sei, dass Steinmeier zeitgleich mit der Kanzlerkandidatur auch den Parteivorsitz übernehme.
Der konservative „Seeheimer Kreis“ widersprach dem Magazinbericht. „Der ’Spiegel’ erfindet im Wochenrhythmus einen Putsch, der nie stattfindet“, erklärte deren Sprecher Klaas Hübner. „Es lohnt sich nicht einmal mehr, das noch zu dementieren, weil absolut nichts dran ist.“ FOCUS (21. Juni)
- SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck im Interview: Sagen Sie: Der Beck macht alles falsch. (Berliner Zeitung)
- (Kurt) Beck beklagt sich über einen "Vernichtungsfeldzug", über "Mobbing" und "Herabwürdigung" in den Medien. Dann geht es gegen die Genossen: "Wichtigtuer" in der SPD schwächten die Partei. Und schließlich, am Ende seiner Suada, entfährt es ihm: "So, jetzt ist es passiert, ich habe es gewollt und bewusst gesagt!" (SPIEGEL online)
- Kurt Beck im Interview: Schreibt doch einfach gleich im ersten Satz, der Beck ist doof, dann haben wir das hinter uns. (DIE WELT )
- Kurt Beck vor der SPD-Bundestagsfraktion: Wenn ich Teil des Problems sein sollte, klebe ich an keinem Stuhl. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. Juni)
• Wie schlimm die Lage der SPD ist, mag man daran ermessen, dass ihr an dieser Stelle geholfen werden muss. Denn die gute alte Tante SPD hat Besseres verdient, als mit Kurt Beck in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden wie das HB-Männchen, das zuerst in die Luft geht und dann verduftet. Der große Erfolg des Modells Deutschland ist auch ein Erfolg der SPD, ohne deren Unterstützung die Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder so nicht möglich gewesen wäre. Von den seit 2005 neu geschaffenen 1,7 Millionen Arbeitsplätzen führt Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn nicht weniger als 1,1 Millionen auf dieses Reformpaket zurück. (...) Jetzt demontiert sich die SPD gerade wegen dieses Erfolgs selbst. Die Linke in der SPD zerstört Schlag für Schlag das eigene Reformpaket und bereitet so den Siegeszug für Die Linke vor, den erklärten Feind der eigenen Partei. Statt die Erfolge ihrer eigenen Politik zu feiern, zertrampelt die SPD die jetzt heranreifenden Früchte dieser Politik. Roland Tichy - Chefredakteur der WirtschaftsWoche (28. Juni)
-- NGO online (4. Juli): Stimmungsmache - Mediale Aufregung über mögliches Links-Bündnis in Hessen
Es rauscht wieder im Blätterwald. Die Gerüchteküche tobt. Die hessische SPD-Vorsitzende, Andrea Ypsilanti, könnte sich womöglich doch noch mit Unterstützung der Linken zur Ministerpräsidentin in Hessen wählen lassen. Bebildert werden die Medienbeiträge mit Fotos von Ypsilanti, die eine eindeutige Sprache sprechen: Diese Frau ist übergeschnappt ...
Das liest kein Mensch. Das ist eine politische Phrasensammlung. Wolfgang Clement über das im Okt. 2007 durchgesetzte Hamburger Grundsatzprogramm (Kölner-Stadt-Anzeiger, 5. Juli)
Am liebsten wäre mir ein Führungsduo, also eine Doppelspitze der SPD für Parteivorsitz und Kanzlerkandidat mit Kurt Beck und Frank-Walter Steinmeier. Franz Maget (DIE WELT, 7. Juli)
Steinbrück plädiert für Große Koalition über 2009 hinaus
Finanzminister Steinbrück legt sich fest. Der SPD-Politiker will im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen die Große Koalition auch nach den Bundestagswahlen 2009 fortsetzen. Alle anderen Parteien wollten doch nur ein "populistisches Wunschkonzert". (SPIEGEL online, 13. Juli)
Die Große Koalition bietet gute Chancen, die wirtschaftliche und soziale Stabilität zu gewährleisten. Und über alles betrachtet, macht sie ihre Arbeit gut. Peer Steinbrück (BILD, 14. Juli)
Peer Steinbrück - 2005 schlechteste Ergebnis seit 1954 in NRW, worauf er Bundesfinanzminister wurde
-- Politik und Panorama (14. Juli): Shakespeare auf sozialdemokratisch
-- Star-DJ greift in SPD-Heft Parteichef Beck an
Schon wieder ein Querschuss aus Brandenburg: In der märkischen SPD-Zeitschrift "perspektive 21" wettert der bekannte DJ Paul van Dyk gegen SPD-Bundeschef Kurt Beck. In dem Gastbeitrag wünscht er sogar (...) einen Sieg der CDU ...
(16.06.08 - Attac wirft Außenminister Steinmeier Chauvinismus vor: EU-Vertrag: Nein der Iren muss respektiert werden
Mit seinem Vorschlag, Irland solle eine Auszeit von Europa nehmen, hat sich Frank-Walter Steinmeier nach Ansicht des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac als Außenminister disqualifiziert. "Das ist Chauvinismus pur. Man fragt sich, was Herr Steinmeier aus der deutschen Geschichte gelernt hat", sagte Detlev von Larcher, Mitglied im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis und ehemaliger Sprecher der SPD-Linken.
Steinmeier hatte am Samstag vorgeschlagen, Irland könne sich vorübergehend aus dem Integrationsprozess ausklinken, damit der EU-Vertrag in den anderen 26 Staaten in Kraft treten kann. Erst nach Widerstand seiner EU-Kollegen "präzisierte" Steinmeier heute seinen Vorstoß: Er habe lediglich eine Option beschrieben.
Unabhängig davon zeugt Steinmeiers Vorschlag, Irland als Konsequenz des Referendums - also einer urdemokratischen Abstimmung - aus der EU hinaus zu komplimentieren, nach Ansicht von Attac von einem verheerend unterentwickelten Demokratieverständnis. Dabei übergehe Steinmeier geflissentlich die Tatsache, dass vor den Iren bereits die Franzosen und Niederländer den Inhalt des Vertrages vor drei Jahren in Volksabstimmungen abgelehnt haben. Im übrigen Europa sei der Vertrag über die Köpfe der Menschen hinweg durchgedrückt worden.)
-- Oeffinger Freidenker (18. Juli): Die ach so instabilen Hesser Verhältnisse...
...führen zu einigen sehr positiven Effekten. Ich habe mich ja schon seit längerem für Minderheitenregierungen, wechselnde Mehrheiten und Drei-Parteien-Bündnisse ausgesprochen. Nachdem rot-rot-grün in Hessen nun schon erfolgreich die Studiengebühren abgeschafft hat, wollen die Grünen nun nach der Sommerpause die hohen Hürden für Volksbegehren und Volksabstimmungen deutlich senken.
Es scheint, als erwiesen sich die "hessischen Verhältnisse" als Segen für die Bürgerrechte und die Demokratie. Denn in dem bestehenden System sind die Politiker direkt für ihre Entscheidungen verantwortlich und können sich nicht hinter Sachzwängen und dem Koalitionspartner verstecken. Dadurch passen die Menschen viel mehr auf, wer was genau tut. Vielleicht ist das doch ein Modell für den Bund. Man wird sehen.
Steinmeier muss unser Kanzlerkandidat werden, wenn wir gewinnen sollen. Heinrich Aller (DIE WELT , 21. Juli)
Heinrich Aller - SPD-Unterbezirksvors. von Hannover, unter Gerhard Schröder niedersächs. Finanzminister
• Wir Sozialdemokraten leben davon, dass wir als mitgliederstarke Volkspartei in den Gemeinden, in den Kommunen vertreten sind. Und deswegen schmerzt uns das. (...) Wir haben natürlich als Partei Probleme. Wir haben das Problem, dass bei uns die Kanzlerfrage nicht geklärt ist. Johannes Kahrs - Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD
• Die Bindung an Parteien lässt generell ein Stückchen weit nach. Martin Gorholt - vom Schröderianer M. Platzeck als SPD-Bundesgeschäftsführer in das Willy Brandt-Haus geholt
SPD-Rauswurf: Clement soll gehen
Der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement soll die SPD verlassen. Die Schiedskommission des SPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen beschloss den Parteiausschluss des ehemaligen Ministerpräsidenten. Clement will dagegen Berufung einlegen.
(...) Das ZDF berichtete unter Berufung auf ein Telefonat mit Clement an seinem Urlaubsort, Clement sei von der Nachricht, dass er ausgeschlossen werden solle, "wie vom Donner gerührt" gewesen. Manager Magazin (31. Juli)
• Wolfgang Clement hat durch sein politisches Lebenswerk erhebliche und beachtenswerte Leistungen und Beiträge erbracht und sich damit um die SPD verdient gemacht. Ich wünsche mir, dass er dies auch künftig als Mitglied der SPD aus ihr heraus wird leisten können (...) [Die SPD] kann diesen (Volkspartei-)Charakter nur beibehalten, wenn sie in ihren Reihen über ein breites Spektrum an Meinungen und Persönlichkeiten verfügt. Nur das macht die SPD mehrheitsfähig (...) Die SPD und Wolfgang Clement müssen einander aushalten. Peer Steinbrück
Peer Steinbrück - 2005 schlechtestes Ergebnis seit 1954 in NRW, worauf er Bundesfinanzminister wurde
• Die in demokratischer Streitkultur geübte Sozialdemokratie muss solche Auseinandersetzungen anders als mit Ausschluss beantworten (...) Wolfgang Clement gehört zur SPD dazu. Besonnenheit ist angesagt. Franz Müntefering
• Das ist unfassbar und grotesk. Dass ein solch verdienter Politiker wegen kritischer Äußerungen aus der Partei ausgeschlossen wird, ist ein verheerendes Signal. Rainer Wend - wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Rainer Wend - u.a. im Aug. 2003: Das wenige Geld, das da ist, darf man nicht in erster Linie in Rentenerhöhungen stecken (...) Ein späteres Renten-Eintrittsalter ist alternativlos. 2004 Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, im Dez. 2008 Gelungenes Politikerrecycling
• Die Entscheidung ist eine ideologische Säuberungsaktion, die an den Wohlfahrtsausschuss der französischen Revolution oder die Praxis in Kommunistischen Kaderparteien erinnert. Reinhard Schultz - Mittelstandsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion
-- Klaus Stuttmann
• Dann gehe ich auch. Gunter Weißgerber - Leipziger SPD-Bundestagsabgeordneter
-- Tageszeitung (31. Juli): Der Mann will Recht haben
Über Wolfgang Clements Ausschluss werden weder SPD-Chef Beck noch Steinmeier entscheiden. Sondern pingelige Verwaltungsreichter. Und Clement selbst.
Gunter Weißgerber, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Leipzig, ist richtig sauer. Am liebsten würde er alle Gegner der Agenda 2010 aus der SPD werfen. All die Ypsilantis, die die Unverschämtheit hatten, die Weisheit von Schröders Reformpolitik anzuzweifeln, sind ihm längst ein Dorn im Auge. Die "hätten eher als Wolfgang Clement den Ausschluss verdient", so Weißgerber. Dann erklärt er, dass er sein SPD-Parteibuch zurückgeben wird, falls die Bundesschiedskommission Clements Parteiausschluss bestätigt. Der Parlamentarier Reinhard Schulz aus Waren droht nicht mit Austritt, fährt aber rhetorisch große Kaliber auf. Es sei "lächerlich", wenn "wichtigtuerische Funktionärskretins" einen "angesehenen Spitzenpolitiker" rauswerfen wollten. Das erinnere an den Terror der Jakobiner und Leninisten. In der SPD hat der alte Kalauer "Gegner, Feind, Parteifreund" Konjunktur:
(...)
[D]er Ball [liegt] im Feld von Clement. Macht er den Verwaltungsrichtern in der Bundesschiedskommission deutlich, dass er der SPD nicht noch mal in der Rücken fällt, kann er mit Gnade rechnen. Doch was sein Anwalt Otto Schily vorgestern kundtat, liest sich ganz anders - nämlich wie Abteilung Attacke. Clement sei in Wirklichkeit das Opfer, während die wahren Parteifeinde, "die Gegner des Schröderschen Reformkurses, unbehelligt bleiben". Will sagen: Clement hatte recht. Bleiben Clement und Schily bei dieser Nach-vorn-Verteidigung, wird es der Bundesschiedskommission schwerfallen, Clement zu retten. Denn ihm scheint es nicht mehr um einen gesichtswahrenden Kompromiss für alle zu gehen, sondern darum, auf Biegen und Brechen sein Reformwerk gegen missgünstige, mediokre Funktionäre zu behaupten, die ihm schon lange das Leben sauer machen. Mit Schily hat er einen Anwalt gewählt, der ihm gleicht: einen Solitär, der die Genossen schon immer gerne spüren ließ, dass er von oben auf sie schaut. Und von dem bekannt ist, dass er mit vielen Talenten gesegnet ist. Außer dem, je einen Fehler einzuräumen.
Wie es aussieht, liegt das Schicksal der SPD derzeit in den Händen von zwei alten Männer, die felsenfest davon überzeugt sind, dass sie recht haben. Und die das um jeden Preis beweisen wollen. Keine guten Aussichten für die SPD.
• Wir sind als Volkspartei so aufgestellt, dass wir auch an den Flügeln starke Charaktere brauchen - Menschen, die streitbar sind. Johannes Kahrs - Sprecher des Seeheimer Kreises
• Angesichts von Clements Lebensleistung halte ich einen Parteiausschluss für unangemessen. Hans Eichel - 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister
• Die Menschen haben andere Sorgen, wie zum Beispiel die Frage, dass sie ordentlichen Lohn bekommen. Ingo Egloff - Landesvorsitzender der SPD-Hamburg
Clements Rauswurf wird zu Blamage für SPD
Der Ausschluss von Wolfgang Clement hat die Parteispitze überrascht. Jetzt streiten prominente und weniger bekannte SPD-Politiker über das Vorgehen. Lautstark und unter den Augen der Öffentlichkeit. Eins scheint klar: Der Parteiausschluss richtet in der SPD mehr Schaden an als Clements Äußerungen.
... Ich bedaure ausdrücklich, dass es soweit gekommen ist. Hannelore Kraft (...) Ihn aus der SPD zu verbannen, hat suizidalen Charakter. Otto Schily (...) Wolfgang Clement ist Sozialdemokrat, er will Sozialdemokrat bleiben, und er kann es hoffentlich auch bleiben (...) Trotz der unglücklichen Äußerungen von Wolfgang Clement vor der hessischen Landtagswahl darf man ja nicht übersehen, dass die SPD Hessens eine Festlegung getroffen hat, die allem widersprach, was in der SPD bis dahin gegolten hatte. Rudolf Scharping (...) Welt online
Hannelore Kraft - ehem. Ministerin im Kabinett Clement II und Kabinett Steinbrück, seit Ende 2006 Landesvorsitzende der SPD-Nordrhein-Westfalen)
Rudolf Scharping - Frankfurter Zukunftrat (siehe auch hier und hier) und Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation GmbH (mit Partnern wie Roland Berger Strategy Consultants)
• Die SPD muss damit leben, dass man sich fragt, wie viel freies Denken in einer Partei noch möglich ist. Roland Koch
• Es wird gnadenlos alles aussortiert, was mit den Reformen der Agenda 2010 zu tun hat, nicht nur programmatisch, sondern auch personell. Ronald Pofalla - CDU-Generalsekretär
• Eine SPD, die Wolfgang Clement feuert, verabschiedet sich endgültig aus der politischen Mitte und von Reformen. Dirk Niebel - FDP-Generalsekretär
• Das Aussprechen von Wahrheiten darf nicht zum Ausschluss aus einer demokratischen Partei führen. Ich erwarte einen Aufstand der Anständigen. Aufrechte Sozialdemokraten dürfen nicht tatenlos zusehen, wie in der Partei die Meinungsdiktatur Einzug hält. Christine Haderthauer - CSU-Generalsekretärin
• Wenn Clement nach dieser Entscheidung eine neue politische Heimat sucht, ist er in der FDP herzlich willkommen. Wir empfangen ihn mit offenen Armen. Rainer Brüderle - stellv. FDP-Bundesvorsitzender
• Was die SPD oder die Schiedskommission hier gemacht hat, das kann man nur als durchgeknallt bezeichnen. Es ist völlig absurd und parteischädlich, jemanden wie Wolfgang Clement auszuschließen. Manfred Güllner (n-tv)
Manfred Güllner - Gründer u. Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
Ich glaube nicht, dass Kurt Beck Kanzlerkandidat werden will. Klaus Schütz (Cicero, Augustausgabe)
Klaus Schütz - ehem. SPD-Bürgermeister von Berlin
Steinbrück springt Clement im Streit über SPD-Ausschluss bei
Berlin (Reuters) - Im SPD-Streit über den Parteiausschluss von Wolfgang Clement stärkt nun auch der stellvertretende Parteichef Peer Steinbrück dem ehemaligen Wirtschafts- und Arbeitsminister den Rücken.
... Zuvor hatte bereits Außrnminister Frank-Walter Steinmeier Clement unterstützt. Steinmeier ist ebenfalls Parteivize und gilt als wahrscheinlicher Kanzlerkandidat. (1. Aug.)
• Wenn wir jeden, der bei uns mal Blödsinn erzählt oder uns Probleme macht, ausschließen, dann wird's auf Dauer einsam. Sigmar Gabriel (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1. Aug.)
Sigmar Gabriel - 2003 schlechteste Wahlergebnis seit 1945 in Niedersachsen, wurde darauf SPD-Popbeauftragter und 2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der Merkel-Schröderianer-Koalition
- Clement ist tief enttäuscht
Erstmals äußert sich Wolfgang Clement zu seinem Parteiausschluss. Er zeigt wenig Verständnis für die Entscheidung - und warnt die SPD.
Der frühere Bundesminister Wolfgang Clement hat erstmals Stellung zu seinem Ausschluss aus der SPD bezogen und sich tief enttäuscht über diesen Beschluss der Schiedskommission gezeigt. "Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Partei Willy Brandts so gering geschätzt wird. Das war undenkbar für mich", sagte der frühere Ministerpräsident dem Kölner Stadt-Anzeiger.
(...)
Gleichwohl zeigte er sich zuversichtlich, dass eine Reformpolitik im Vorfeld der Bundestagswahlen durchzusetzen sei: "Deshalb werde ich mich auch über das Maß hinaus engagieren, das ich mir eigentlich vorgestellt hatte."
(...)
Butterwegge: "Der Fall Clement wäre ein richtiges Exempel"
Der Kölner Politikwissenschaftler Prof. Christoph Butterwegge, der vor gut 30 Jahren selbst aus der SPD ausgeschlossen worden war, hält einen Rauswurf von Wolfgang Clement indes für richtig.
"Der Fall Clement wäre jetzt ein richtiges Exempel", sagte der Leiter der Abteilung für Politikwissenschaft an der Universität Köln. "Es sollte keine Narrenfreiheit für Wolfgang Clement geben." Er sehe die SPD vor einer wichtigen Glaubwürdigkeitsfrage: "Bis jetzt hat die Partei immer nur Sanktionen gegen Leute aus dem linken Flügel verhängt. Die SPD wird aber nicht glaubwürdiger dadurch, dass sie immer nur nach links ausschließt."
Deshalb halte er den von der NRW-Schiedskommission verhängten Ausschluss des früheren NRW-Ministerpräsidenten und Bundesministers für richtig, sagte Butterwegge. Er selbst sei in den siebziger Jahren, als er für die Jusos in Dortmund aktiv war, aus der Sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen worden. "Einer der Hauptscharfmacher, mich aus der SPD auszuschließen, war damals ein Lokalredakteur namens Wolfgang Clement", sagte Butterwegge.
Anlass seines Rauswurfs war ein Artikel Butterwegges 1974 in der renommierten Fachzeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik, in der er die Richtung des damals noch neuen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) scharf kritisiert habe.
"Ich hatte damals geschrieben, die SPD werde unter Schmidt so weit nach rechts driften, dass sich die CDU danach nur noch ins gemachte Bett legen muss", erinnert sich der Kölner Politikwissenschaftler und Armutsforscher. "Wenn das schon parteischädigend ist, dann sind es die Äußerungen des prominenten Sozialdemokraten Clement gegen Andrea Ypsilanti wohl erst recht", meinte er.
"Herr Clement darf sich jetzt nicht wundern, wenn er mit seinem eigenen Maß gemessen wird." Er gehe allerdings davon aus, dass die Bundesschiedskommission, bei der Clement Berufung einlegen kann, den NRW-Beschluss kassieren wird. "Es wird momentan durch Äußerungen vieler prominenter Sozialdemokraten eine Menge Druck ausgeübt auf die Kommission." Nach Ansicht von Butterwegge zeugen Äußerungen aus der Parteispitze pro Clement von einer "falsch verstandenen Solidarität". (Süddeutsche Zeitung, 1. Aug.)
Parteiausschluss: Steinmeier verteidigt Clement
Rückhalt für Wolfgang Clement: SPD-Vize [Frank-Walter] Steinmeier stellt sich im SPIEGEL-Interview energisch hinter den früheren Wirtschaftsminister, der aus der Partei ausgeschlossen werden soll. Clement sei ein Querdenker, aber kein Querulant, sagt Steinmeier. (2. Aug.)
• Der Ausbruch von Hass gegen Frau Metzger lässt erahnen, wozu eine Partei fähig ist, die sich den "Politikwechsel" auf die Fahnen geschrieben hat ...
Clements früherer Parlamentarischer Staatssekretär Gerd Andres warnte unterdessen vor den negativen Konsequenzen des Ausschlusses. "Wenn es dabei bleibt, wird das für die SPD heftige Folgen haben. Dann werden sich die Mitgliederverluste beschleunigen", sagte er der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Sollte das Bundesschiedsgericht der Partei den Ausschluss nicht stoppen, "bleibt von der SPD nur ein Trümmerhaufen". Der Parteiausschluss sei eine Abrechnung mit der Agenda 2010 der Regierung Schröder. "Aber wenn man das will in der SPD, dann müssen sie auch mich ausschließen, Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier, Ulla Schmidt ­ also das ganze Kabinett", sagte Andres, der für die SPD weiter im Bundestag sitzt. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2. Aug.)
• Der SPD-Fraktionschef im deutschen Bundestag, Peter Struck, sieht in der nach seinen Worten verspäteten Reformpolitik der früheren rot-grünen Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder die Ursache für die aktuelle Krise seiner Partei. "Die SPD hat zu spät auf die Folgen der Globalisierung und des demografischen Wandels reagiert", sagte Struck der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung" (Wochenendausgabe). "Wir hätten die 'Agenda 2010' schon nach der Bundestagswahl 1998 machen müssen." Zu lange habe die Partei in dem "Fehlglauben" gelebt, mit den alten Rezepten der (CDU/CSU-FDP-)Regierung von Helmut Kohl weiterarbeiten zu können. "Das müssen wir uns alle vorwerfen", sagte Struck.
• Wenn dies tatsächlich so kommt und auf der anderen Seite jemand wie ich aus der Partei geschmissen wird, dann ist das ein Bild, von dem ich kaum glaube, dass es der SPD zuträglich sein wird. Wolfgang Clement (DIE WELT, 2. Aug.)
• Der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) forderte in Fragen von "nationaler Bedeutung" einen Vorrang für Entscheidungen der Bundes-SPD vor den Ambitionen regionaler Parteigliederungen. Dieses Durchgriffsrecht der Bundesspitze müsse auch für den Umgang mit der Linkspartei gelten, insbesondere dann, wenn zuvor wie in Hessen eine Zusammenarbeit mit der Linken unmissverständlich abgelehnt worden sei. (Welt am Sonntag, 3.Aug.)
Forsa-Umfrage: Neues Desaster für Kurt Beck
Die persönlichen Umfragewerte von SPD-Chef Kurt Beck haben einen neuen Tiefstand erreicht. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des stern gaben nur noch zehn Prozent der Befragten an, Beck als Kanzler bevorzugen zu würden. Angela Merkel hingegen kommt der Umfrage zufolge auf 60 Prozent Zustimmung.
Selbst SPD-Wähler schlagen sich mittlerweile mit großer Mehrheit auf die Seite der amtierenden Kanzlerin: 46 Prozent votieren für Merkel, nur 16 Prozent für Kurt Beck. Noch nie bekam der rheinland-pfälzische Ministerpräsident seit seinem Amtsantritt als SPD-Vorsitzender so wenig Unterstützung für eine mögliche Kanzlerkandidatur. (...)
Mit 50 Prozentpunkten Abstand zur CDU-Chefin ist Becks Rückstand seit der Vorwoche nochmals um zwei Prozent gewachsen. Im Januar trennten Merkel und Beck laut Forsa noch 36 Prozentpunkte.Am Donnerstag hatte Kurt Beck erstmals eine Trennung von Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur ins Spiel gebracht. Es gebe "keinen Automatismus" dafür, dass beide Ämter in einer Hand lägen, sagte er dem Fernsehender RTL. Auch in früheren Zeiten habe es in der SPD schon eine solche Trennung gegeben. Für Beck ist es jedoch "realistisch", dass die Entscheidung über den SPD-Spitzenbewerber für die Bundestagswahl 2009 auf ihn oder seinen Stellvertreter, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hinausläuft. Als wichtiges Kriterium dafür, wer antreten wird, nannte Beck die Einschätzung der Wahlchancen. Eine Rolle würden aber auch längerfristige Perspektiven spielen.
Darüber müssten in der SPD-Spitze noch "einige Gespräche" geführt werden. Beck schloss nicht aus, dass die Nominierung des Kandidaten erst gegen Ende dieses Jahres erfolgt. Frühester Termin dafür sei jedenfalls die bayerische Landtagswahl Ende September. Diesen Drei-Monats-Spielraum für seinen Vorschlag wolle er sich offenhalten.
In der aktuellen Sonntagsfrage kommt die SPD auf 22 Prozent (keine Veränderung zur Vorwoche). Die CDU erreicht 35 Prozent (minus ein Prozentpunkt), während die FDP sich um einen Prozentpunkt verbessern kann und nun 14 Prozent erzielt. Die Linke erzielt ebenfalls 14 Prozent, die Grünen verbessern sich auf zehn Prozent. Damit hätte Schwarz-Gelb eine klare Mehrheit.
Forsa-Chef Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
SPD-Spitzenpolitiker warnen Ypsilanti vor neuer Kandidatur
In der SPD bildet sich eine Front gegen Andrea Ypsilanti: Immer mehr Genossen warnen die hessische Parteichefin vor einem neuen Versuch, sich mit Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Ihr Rivale Roland Koch fühlt sich stark genug, den Sozialdemokraten Ratschläge zu erteilen.
(...) "Der letzte Versuch müsste allen Beteiligten klargemacht haben: Auf solche Abenteuer sollte man sich nicht einlassen", sagte etwa Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) der "Welt am Sonntag". Mit der Linken könne man keine stabile Mehrheit bilden. Auch könne er "nicht erkennen, dass sich die Situation seit dem letzten Versuch grundlegend geändert hat". Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft* sagte dem Blatt: "Ich persönlich würde es nicht tun." (...) Hessens geschäftsführender Ministerpräsident Roland Koch (CDU) warnte in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung": "Sollte Frau Ypsilanti einen erneuten Anlauf starten, sich mit den Stimmen der Linkspartei wählen zu lassen, wäre dies für die Bundes-SPD ein Himmelfahrtskommando." Ein möglicher SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier "kann sich dann alle Beteuerungen schenken, es auf keinen Fall mit Rot-Rot-Grün zu versuchen". SPIEGEL online (3. Aug.)
• Jeder Landesverband muss auch bundespolitische Implikationen mit bedenken. Hannelore Kraft (Welt am Sonntag, 3. Aug.)
Hannelore Kraft - ehem. Ministerin im Kabinett Clement II und Kabinett Steinbrück, seit Ende 2006 Landesvorsitzende der SPD-Nordrhein-Westfalen
Wie eine Sekte
An einer klaren Orientierung mangelt es der hessischen SPD kaum. Seitdem Andrea Ypsilanti dort mehr agitiert als agiert, träumt man von den Siebzigerjahren - übrigens ganz wie die Partei Die Linke. Von sich selbst überzeugt, redete Ypsilanti das zweitschlechteste Wahlergebnis aller Zeiten schön. Sie brach Wort, um Hessen in ein ökosozialistisches Versuchsfeld umzuwandeln. Sie scheiterte, schwadronierte von Neuwahlen und ließ sich feiern. Kurzum: Die hessische SPD führt sich auf wie eine Sekte - selbst überzeugt, mit missionarischem Eifer und mehr Wünschen als die Wirklichkeit im Blick. DIE WELT (3. Aug.)
• Der letzte Versuch (in Hessen) müsste allen Beteiligten klar gemacht haben: Auf solche Abenteuer sollte man sich nicht einlassen. Sigmar Gabriel - (DIE WELT , 4. Aug.)
Sigmar Gabriel - 2003 schlechteste Wahlergebnis seit 1945 in Niedersachsen, wurde darauf SPD-Popbeauftragter und 2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der Merkel-Schröderianer-Koalition
Andrea Ypsilanti sollte Gespräche mit CDU und FDP führen
Man muss mit dem gegebenen Ergebnis umgehen. Deshalb muss man sehen, wie man mit dem jetzigen Ergebnis zu einer Mehrheit gelangen kann. Das heißt natürlich auch, dass es nötig ist, Gespräche mit der CDU und der FDP zu suchen. Klaas Hübner (Cicero, Augustausagabe)
Klaas Hübner - Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion, im Aug. 2004: Die SPD muss die richtige Politik, die Clement und die Regierung machen, auch um den Preis von Wahlniederlagen durchziehen. Hier gilt für die Seeheimer die alte Maxime: Politiker denken an die nächste Wahl - Staatsmänner an die nächste Generation. (...) Die Agenda 2010 ist eine nötige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Das Programm muss (...) getragen sein von einem veränderten Menschenbild. Der Einzelne muss mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen - und sich stärker für Staat und Gesellschaft engagieren. (...) Symbolpolitik ist (...) mit uns Seeheimern nicht zumachen. (...) Die Gewerkschaften haben sich verändert. In den 60er und 70er Jahren waren sie Speerspitze der gesellschaftlichen Erneuerung. Heute sind sie Besitzstandswahrer.
• Hessens oberste Sozialdemokratin hat die Hoffnung nicht aufgegeben, den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch aus dem Amt zu kippen. Dafür ist ihr jedes Manöver recht - und sei es für die eigene Partei noch so riskant, ja offenkundig selbstzerstörerisch. (...) Ihr Machtwille verleitet sie zu einer Harakiristrategie. Wenn es der SPD-Spitze nicht gelingt, diese Frau zu stoppen, dann muss sie sich keine weiteren Gedanken mehr darüber machen, Außenminister Steinmeier als Kanzlerkandidat zu gewinnen. Eine Linkskoalition in Hessen würde seinen Überzeugungen zuwiderlaufen - und die Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten in den Grundfesten erschüttern. Stuttgarter Zeitung (4. Aug.)
Eine Frau sieht rot
Die Krise der SPD nimmt tragische Züge an, denn Andrea Ypsilanti wird zusehends zur (selbst-) mörderischen Klytämnestra ihrer eigenen Partei. Ihr zweiter Versuch, durch Wortbruch und mit Hilfe der Linkspartei hessische Ministerpräsidentin zu werden, wirkt wie ein wilder Angriff auf die politische und moralische Integrität der Sozialdemokratie.
Sie hatte schon im Frühjahr ein Drama mit suizidalen Zügen aufgeführt und dabei ihr größtes politisches Kapital, sympathische Glaubwürdigkeit, verspielt. Die Kommentarlage war hernach katastrophal, ihre Umfragewerte sackten dramatisch ab, die SPD taumelte, die Abgrenzungsstrategie zur Linkspartei war zur Farce degradiert und Kurt Beck erklärte in einem Akt kleinlauter Selbsttröstung, nun gelte es eben nach vorne zu schauen, es laufe schließlich niemand ein zweites Mal gegen die gleiche Wand. Da kannte er freilich Andrea Ypsilanti schlecht.
Wie im antiken Drama ist die hessische Klytämenstra offenbar von blindem Furor und Machtwillen getrieben. Ihr Agamemnon ist die SPD und ihr mordender Liebhaber Ägistos trägt den Vornamen Oskar. Und wie in der griechischen Mythologie endet die Geschichte ziemlich sicher im Desaster. Denn der zweite Anlaufversuch von Andrea Ypsilanti führt unweigerlich zu drei Verletzungen am eigenen sozialdemokratischen Leib.
Zum einen schlägt er eine taktische Wunde. Denn Andrea Ypsilanti hatte vor der Wahl jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei kategorisch ausgeschlossen. Sie nun zwei Mal hintereinander dennoch zu versuchen, ruiniert nicht nur ihre persönliche Integrität. Es lässt auch die SPD-Führung, die die Wiederholungstäterin stoppen will aber nicht kann, ausschauen wie eine ohnmächtige Operetten-Combo. Dabei sind Ypsilantis Chancen, diesmal eine Mehrheit im Parlament zu erringen, eher kleiner. Der Schaden aber, den sie für das Ansehen der SPD anrichtet, wird immer größer.
Zum zweiten verursacht der abermalige Anlauf auch eine strategische Selbstschwächung der SPD. Indem Ypsilanti in Hessen vorführt, wie die eigene Partei immer weiter in die Geiselhaft der Linken gerät, programmiert sie den Bundestagswahlkampf zu einem Verliererspiel für die SPD: Niemand dürfte der SPD nun noch glauben, dass ähnliches wie in Wiesbaden nicht auch in Berlin passieren könnte. Eine Kanzlerkandidatur Frank-Walter Steinmeiers wird damit immer schwieriger. Mit diesem Manöver schneidet sich die SPD aber ihre Wahlchancen in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft schlagartig ab. Die neuesten Umfrage-Ergebnisse sprechen eine vernichtende Sprache.
Und drittens sorgt die unbekümmerte Umarmung der Linkspartei für eine moralische Selbstverletzung der SPD, da Teile der SPD so wenige Jahre nach der Revolution von 1989 offensichtlich schon vergessen haben, was die Wir-sind-das-Volk-Ostdeutschen damals so bravourös abschafften: eine Diktatur ebenjener Partei nämlich, die jetzt koalitionsfähig sein soll..
Zur bitteren Ironie der SED-PDS-Linkspartei gehört, dass sie von den Trümmern der von ihr selbst geschaffenen Diktatur auch noch profitiert. Ein Großteil der Probleme des heutigen Deutschland sind Erblasten der DDR. Und ausgerechnet deren Kader, die alten Stasitruppen, tun sich mit Westkommunisten und einem rachedurstigen Saarländer zusammen, um die Massen der sozial Verängstigten zu mobilisieren. Mit ihrem real existierenden Sozialismus haben sie Ostdeutschland einen historischen Ruin beschert, ein Trümmerland, das man mit mehr als 100 Milliarden jedes Jahr wieder aufbauen muss. Just diese Bankrotteure treten jetzt auf wie Robin Hoods und bekommen von Frau Ypsilanti auch noch Pfeil und Bogen gereicht.
Darüber könnte man fast lachen, wenn die Geschichte dieser Partei und ihrer Ideologie nicht eine derart inhumane Brandspur in unserer Geschichte hinterlassen hätte. Die widerständige SPD-Abgeordnete Metzger erinnert zu Recht an die Mauertoten und die Gefolterten von Bautzen, an den großen Diebstahl an einer ganzen Generation, an die Tränen einer Nation.
Die Linkspartei schürt Ängste und Ressentiments, weil sie seit jeher eine Expertise für Angst hat. Wer aber wie Andrea Ypsilanti das mephistophelische Bündnis mit diesen Totalitaristen eingeht, wird Teil davon. Das Banner der Linkspartei ist kein aufrechtes Demokratenrot wie das der Sozialdemokratie, sondern das Blutrot von Unterdrückern. Dieser Unterschied ist eine Ehrensache, gerade für die stolze Demokratenpartei SPD, deren historische Ahnen dafür zuweilen in den Tod gegangen sind. Wolfram Weimer (Cicero, Augustausgabe)
Solche Leute (wie W. Clement) braucht die SPD. Klaas Hübner - Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion (4. Aug.)
Debatte über Clements Parteiausschluss: Der Fall SPD
Wenn ein Verein zur Förderung des Tauben- oder Hundezüchtens seine Streitigkeiten über Grundsätze der Zuchtbestimmungen oder über sein Führungspersonal nicht mehr in seiner Mitgliederversammlung, sondern vor Gericht austrägt, ist das Ende nahe. Parteien, denen das widerfährt, pflegen dem Sektierertum zu erliegen - es sei denn, ein Integrator maximus weist den Weg aus dem Irrgarten, in dem sich Juristen besserwisserisch über die Politik streiten. (...) Wenn Clement gehen müsste, würden auch andere ihr Engagement einstellen - jene nämlich, welche die Agenda-2010-Vorhaben Schröders nicht nur parteitaktisch, sondern aus Überzeugung guthießen und durchsetzten. Frankfurter Allgemeine Zeitung (4. Aug.)
• Doch der Versuch Clement die verlorene Wahl anzuhängen, ist grotesk. Zumal auch erst das unwürdige Nachspiel zur Landtagswahl, der unsägliche Versuch Ypsilantis, sich mit Hilfe der Linken wählen zu lassen und so die Wähler zu betrügen, die SPD in ihre katastrophale Lage gebracht hat. Ginge es also um parteischädigendes Verhalten, müsste viel eher Ypsilanti als Clement ausgeschlossen werden. Zumal die hessische SPD-Chefin in dieser Woche erneut eine schlechte Vorstellung geboten hat. Nach dem Clement-Rauswurf gefragt, antwortete sie im TV knapp, dies sei Sache der NRW-SPD. Und nun stellte sich heraus, dass ihr eigener Frankfurter SPD-Unterbezirk aktiv am Ausschlussverfahren beteiligt war. Wenn sie davon nichts gewusst hat, sollte sie schleunigst als SPD-Chefin zurücktreten, hat sie aber davon gewusst, dann offenbart sich einmal mehr ein sehr leichtfertiger Umgang mit der Wahrheit. Wiesbadener Tagblatt (4. Aug.)
• Clement ist ein Symbol für eine Wählerschicht (...) die die SPD braucht aber verloren hat seit 2005. Manfred Güllner (Stern, 5. Aug.)
Forsa-Chef Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
Sturkopf Ypsilanti - Andrea Ypsilanti (51) will es noch mal wissen!
Die Spitzenkandidatin der Hessen-SPD ist offenbar wild entschlossen, einen zweiten Anlauf zu unternehmen, doch noch Ministerpräsidentin zu werden - für die Wahl im Landtag von Wiesbaden braucht sie dazu die Stimmen der Linkspartei. BILD (6. Aug.)
Ypsilantis "Egotrip" löst Empörung aus
Andrea Ypsilanti weht der Wind ins Gesicht. Ihr erneutes Gesprächsangebot gegenüber der Linke-Fraktion im hessischen Landtag sorgt bei CDU und Liberalen für Empörung. Die FDP spricht von einem "Egotrip", die Union wettert, SPD-Versprechen seien "keinen Pfifferling wert". Auch erste Genossen fallen der SPD-Landeschefin in den Rücken und distanzieren sich.
"Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Ypsilanti tatsächlich einen zweiten Anlauf unternehmen will. Wenn doch, trägt der Landesverband dafür die Verantwortung", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck. (...)
Wullf drängt Steinmeier zum Einschreiten
CDU-Vize Christian Wulff forderte den stellvertretenden SPD-Chef Frank-Walter Steinmeier unterdessen auf, einen neuen Versuch der hessischen SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentenwahl mit Hilfe der Linken zu verhindern.
"Steinmeier muss an seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur die Bedingung knüpfen, dass das Mobbing gegen Clement und der Spuk von Ypsilantis unappetitlichem Bündnisversuch mit der Linkspartei beendet wird. Sonst ist Steinmeier bereits als Bettvorleger gelandet, bevor er als Tiger losgesprungen ist", sagte Wulff dem Berliner "Tagesspiegel".
CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer hält dagegen die Absage der Bundes-SPD an eine Zusammenarbeit mit der Linken für unglaubwürdig. "Das Beispiel Hessen zeigt, dass Versprechen der SPD keinen Pfifferling wert sind." Ypsilanti sei jedes Mittel Recht, um an die Macht zu kommen, sagte Haderthauer dem Blatt.
Auch die hessische CDU hat das bevorstehende Treffen zwischen der SPD-Landesvorsitzenden und der Landtagsfraktion der Linkspartei scharf kritisiert. "Frau Ypsilanti kann nicht mal den Landesparteitag abwarten und lässt schon jetzt alle Hemmungen fallen", erklärte Fraktionschef Christean Wagner in Wiesbaden. Zugleich warf er der SDP-Chefin Rücksichtslosigkeit gegenüber der SPD im Bund vor. "Offenbar nimmt Ypsilanti keine Rücksicht auf die Bundes-SPD und eine Spaltung ihrer eigenen Partei in Kauf."
Hahn: "Ich bin entsetzt"
Der FDP-Vorsitzende in Hessen, Jörg-Uwe Hahn, hat ein Machtwort der SPD-Spitze gegen die Annäherung der hessischen SPD-Vorsitzenden an die Linkspartei gefordert. "Ich bin entsetzt, dass die SPD nicht in der Lage ist, Frau Ypsilanti von ihrem Egotrip abzubringen", sagte Hahn am Mittwoch in Wiesbaden. (...) Hahn sagte, die SPD-Vorsitzende ziele offenbar darauf, sich schon im November zur hessischen Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Damit steuere sie die SPD in eine Situation, in der die Partei nur verlieren könne. Scheitere sie bei der Wahl, drohe der Zerfall der hessischen SPD. Sei sie erfolgreich, werde dies zu einer schweren Hypothek für den sozialdemokratischen Bundestagswahlkampf.
Der FDP-Chef lehnte erneut Gespräche über die Bildung einer Ampel-Koalition mit SPD und Grünen ab. Der "unkoordinierte Amoklauf" von Ypsilanti zeige, dass es aus Sicht der Liberalen richtig gewesen sei, keine Koalitionsverhandlungen mit der hessischen SPD aufzunehmen. Rheinische Post (6. Aug.)
SPD-Politiker warnen Genossin Ypsilanti
Mehrere SPD-Politiker haben die hessische Parteichefin Andrea Ypsilanti davor gewarnt, bei dem von ihr angekündigten Gespräch mit der Partei Die Linke eine Regierungsbildung zu erörtern. Der selbst dem linken Flügel zugerechnete Staatssekretär im Bundesumweltministerium [Sigmar Gabriels], Michael Müller, sagte der "Berliner Zeitung", ein Treffen sei in Ordnung, wenn es nicht konkret um ein Bündnis gehe. "Wir haben in der SPD vereinbart, dass eine Entscheidung darüber mit allen Parteigremien besprochen werden müsste."
Der Bundestagsabgeordnete Ditmar Staffelt vom rechten Flügel warnte im "Tagesspiegel", ein neuerlicher Anlauf Ypsilantis, sich mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, werde "in der Öffentlichkeit und in der SPD einen Wirbelsturm auslösen". "Was sich da in Hessen abspielt, ist für unsere Chancen bei der Bundestagswahl außerordentlich gefährlich, da eine Regierungsbildung mit der Linkspartei in Hessen die Glaubwürdigkeit unserer Absage an jede Zusammenarbeit mit der Linken im Bund untergräbt."
Harsche Kritik aus Niedersachsen
Der niedersächsische SPD-Vorsitzende Garrelt Duin sagte der "Frankfurter Rundschau": "Die Schäden für die SPD, insbesondere außerhalb Hessens, wären viel zu groß. Ich weiß gar nicht, was ich mir weniger wünschen soll: Dass Frau Ypsilanti abermals mit ihrem Regierungsversuch scheitert oder dass sie Erfolg hat", so Duin. (tagesschau.de, 7. Aug.)
Garrelt Duin - Vorsitzende der SPD-Niedersachsen, die er rund sieben Monate zum schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten führte
So ist meine SPD noch zu retten!
Der drohende Parteiausschluss von Wolfgang Clement und die direkte Aufnahme von Gesprächen zwischen Hessens SPD-Chefin Ypsilanti mit der Linkspartei, beides kennzeichnet eine bedrohliche Situation für die SPD! (...) Die Menschen wollen eine handlungsfähige und zukunftsfähige Sozialdemokratie in Deutschland, nicht einen lockeren Club von Landesverbänden. Das heißt: Alleingänge von Landesverbänden in national entscheidenden Fragen kann die Parteiführung nicht dulden. (...) Sie darf schon gar nicht einer Partei von Linkspopulisten hinterher rennen, die Wähler beschwindeln, anstatt die Wahrheit zu sagen. Rudolf Scharping (BILD, 7. Aug.)
Rudolf Scharping - Frankfurter Zukunftrat (siehe auch hier und hier) und Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation GmbH (mit Partnern wie Roland Berger Strategy Consultants)
• Auch der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter warnte die SPD vor einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Hessen."Eine Entscheidung für ein Zusammengehen mit der Linken in Hessen wäre eine ungeheure Hypothek für jeden SPD-Kanzlerkandidaten", sagte er. Entweder Ypsilanti scheitere bei der angestrebten Wahl, was ein Desaster wäre. Oder sie regiere mit Hilfe der Linken, was die Glaubwürdigkeit des Neins zur Zusammenarbeit mit der Linkspartei auf Bundesebene erst recht zunichte mache. FOCUS online (7. Aug.)
Die Clement-Krise scheint überwunden, nun droht der Ypsilanti-Putsch: Trotz aller Warnungen will sich die hessische SPD-Chefin offenbar mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Der Kernspaltungsprozess in der SPD geht weiter, das politische Zentrum der Partei kollabiert.
(...) Je stärker, ja flehentlicher die Warnungen aus Berlin vor so einem abenteuerlichen Bündnis in Wiesbaden klingen, desto entschlossener scheint die Spitzenkandidatin zu sein, nur ihrer inneren Stimme zu folgen und es endlich zu versuchen. Aus ihrer Sicht ist das logisch. Andrea Ypsilanti war nie auf Berliner Parteilinie und ist damit ziemlich weit gekommen. Auch in den kommenden Wochen und Monaten wird sie sich selbst die Nächste sein. SPIEGEL online (7. Aug.)
Ich halte Frau Ypsilanti (...) für eine sehr problematische Dame (...) fast für ein Sicherheitsrisiko für die SPD. Klaus Bölling (Deutschlandfunk, 7. Aug.)
Klaus Bölling - Regierungssprecher unter Bundeskanzler Helmut Schmidt
Insbesondere Herr Steinmeier müsste dieses (hessische) Trauerspiel unverzüglich beenden, wenn er noch als möglicher Kanzlerkandidat für einen laubwürdigen Neustart stehen will. Ronald Pofalla - CDU-Generalsekretär
• Wenn Frau Ypsilanti bei klarem Verstand wäre, würde sie ihren Plan fallen lassen. Für Hessen wäre alles andere jedenfalls eine schiere Katastrophe. Ich gehe fest davon aus, dass Andrea Ypsilanti sich erneut in dieses politische Abenteuer stürzen wird. Und ich bin sicher: Es wird ihr Untergang. Franz Josef Jung - Bundesverteidigungsminister und Koch-Vertrauter
Erst Bayernwahl - dann Sündenfall? hr online
Andrea Ypsilanti: Sündenfall, die zweite
Die hessische CDU bezeichnete die mögliche Verschiebung des Parteitags als "neuen Höhepunkt im widerwärtigen Täuschungsmanöver von Frau Tricksilanti". Dies sei ein durchsichtiger Versuch, "auch den Wählern in Bayern Sand in die Augen zu streuen." (Stern)
• Dass sie jetzt das Gespräch mit der Linksfraktion im Wiesbadener Landtag sucht, spricht Bände. Offensichtlich haben alle Einreden aus Berlin nichts gefruchtet - ein weiteres Symptom für die mangelnde Autorität und Führungskraft des glücklosen Kurt Beck, aber auch für die an politischen Autismus grenzende Beratungsresistenz Andrea Ypsilantis. Stuttgarter Zeitung
• Festzuhalten ist zweierlei: Ypsilanti hat im bisherigen Procedere mehrfach massiv gelogen, und eine Beteiligung der Linken an einer hessischen Regierung wäre schlecht für das Land. Ganz zu schweigen davon, wie ein Kanzlerkandidat Steinmeier im Wahlkampf 2009 vor die Menschen treten und erklären sollte, dass auf Bundesebene zwischen SPD und Linken nichts laufen könne. Wiesbadener Tagblatt
• Dass die CDU ihre Gespräche mit der Linkspartei verdammt, wird Andrea Ypsilanti kaum beeindrucken. Wie unbeirrt sie allerdings die Warnungen der Bundes-SPD und mancher hessischer Parteigenossen in den Wind schlägt, zeugt schon von einer gewissen Abgehobenheit und einem gänzlich verengten Tunnelblick auf den greifbar nahen - nur eben bei der Wahl knapp verfehlten - Machtwechsel in Wiesbaden. Wiesbadener Kurier
• Es geht darum, dass hier ein glasklares Wahlversprechen gebrochen wird. Franz Maget (Süddeutsche Zeitung, 8. Aug.)
Bayern-SPD warnt Ypsilanti vor "glattem Wortbruch"
Es ist ein in der Geschichte der SPD unglaublicher Vorgang. Obwohl die eigene Partei sie beschwört, es nicht zu tun, will sich die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen!
Besonders die Genossen in Bayern sind verzweifelt! Der Chef der Bayern-SPD, Franz Maget, warnte Ypsilanti energisch vor einem "glatten Wortbruch". Maget in der "Süddeutschen Zeitung": "Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ist für uns nicht akzeptabel."
Durch Ypsilantis Trickserei fürchtet die in Bayern ohnehin schwache SPD ein noch schlechteres Wahlergebnis.
Seit Wochen versucht die SPD-Führung - allen voran Parteichef Kurt Beck und Generalsekretär Hubertus Heil - Ypsilanti in persönlichen Gesprächen zu einem Kurswechsel zu bewegen. Bisher ohne jeden Erfolg.
Die Sorge: Sollte die Frontfrau der SPD-Linken wirklich gewählt werden, würde die Hessen-Koalition - Rot-Grün mit Duldung der Linkspartei - auch zur Dauerbelastung im bevorstehenden Bundestagswahlkampf.
SPD-Fraktionsvorstandsmitglied Rainer Wend zu BILD: "Andrea Ypsilanti muss gut abwägen, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf die Wahlchancen der SPD hat. Der Parteivorsitzende hat es ganz richtig gesagt: Frau Ypsilanti sollte nicht zum zweiten Mal versuchen, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen." BILD (8. Aug.)
Rainer Wend - u.a. im Aug. 2003: Das wenige Geld, das da ist, darf man nicht in erster Linie in Rentenerhöhungen stecken (...) Ein späteres Renten-Eintrittsalter ist alternativlos. 2004 Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, im Dez. 2008 Gelungenes Politikerrecycling
Heftiger Streit um Ypsilantis Linkskurs - Verteidigungsminister Jung: "Es wird ihr Untergang."
Jung zu BILD: "Wenn Frau Ypsilanti bei klarem politischen Verstand wäre, würde sie ihren Plan fallen lassen." (8. Aug.)
• Wie Wahlen für vier Jahre gelten sollen, so sollen auch Wahlversprechen für vier Jahre gültig sein. Wer zwischendurch Grundlegendes revidieren will, sollte den Weg von Neuwahlen beschreiten. (...) Wer so viel taktiert, täuscht die Bürger und gesteht ein, dass er dies weiß. Schlimmer noch: Er meint, die Leute hätten ein kurzes Gedächtnis, und will diese Schwäche ausnutzen. Was Wunder, dass die Bürger beleidigt sind. Frankfurter Allgemeine Zeitung (8. Aug.)
Ypsilanti giert nach Macht - und brüskiert SPD
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, sagte dem "Focus": "Ypsilanti muss wohl bedenken, was sie mit einem solchen Schritt bundespolitisch anrichtet." Sie schiebe damit die Gesamtpartei "aus der Mitte in eine Außenposition". Die Vizepräsidentin des Bundestages, Susanne Kastner* (SPD), warf Ypsilanti vor, Alternativen wie eine Koalition mit der CDU ohne den amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) nicht ernsthaft ausgelotet zu haben. "Man hätte eine große Koalition ohne Koch probieren sollen", sagte die bayerische SPD-Politikerin dem Nachrichtenmagazin. "Ich halte es für äußerst gefährlich, was sie macht."
Kritik an Ypsilanti auch aus Gewerkschaften
Im hessischen Gewerkschaftslager regt sich Kritik am erneuten Plan einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung. Laut "Süddeutscher Zeitung" forderte der Leiter des Landesbezirks Hessen-Thüringen der IG BCE, Rainer Kumlehn, SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti auf, dieses Ziel aufzugeben. "Aus meiner Sicht ist es völlig gleichgültig, ob die Regierungsbildung gelingt oder nicht: Ich vermute die hessische SPD danach für viele Jahre in einem tiefen Loch", zitiert die Zeitung aus einer E-Mail. DIE WELT (9. Aug.)
* Susanne Kastner - 2007 (dpa): Bundestags-Vizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) will Ex-Kanzler Gerhard Schröder auf dem Parteitag zum Ehrenvorsitzenden vorschlagen. Dies soll auch "ein Zeichen der Partei für die Unterstützung der von ihm eingeleiteten Reformpolitik sein", sagte die bayerische Bundestagsabgeordnete der "Leipziger Volkszeitung". Mit der Agenda 2010 habe Schröder "Deutschland auf den Weg in die Zeit gebracht". Kastner kritisierte zugleich: "Es gibt Teile in der SPD, die das Agenda-Reformpaket insgesamt aufschnüren wollen. Das darf nicht passieren." Sie forderte die Hauptbeteiligten, Parteichef Beck und Vizekanzler Müntefering, zu "mehr öffentlicher Zurückhaltung im Streit und zu Kompromissbereitschaft" auf. So sollte für die SPD eine verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes I für 45-Jährige "völlig ausgeschlossen" sein, verbesserte Leistungen für ältere Arbeitslose wären aber durchaus überlegenswert. 2008 Bundesverdienstkreuz I. Klasse.
• "Steinmeier muss an seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur die Bedingung knüpfen, dass das Mobbing gegen Clement und der Spuk von Ypsilantis unappetitlichem Bündnisversuch mit der Linkspartei beendet wird. Sonst ist Steinmeier bereits als Bettvorleger gelandet, bevor er als Tiger losgesprungen ist", sagte [Christian] Wulff dem Tagesspiegel. Für CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer zeigt das Beispiel Hessen, "dass Versprechen der SPD keinen Pfifferling wert sind. Ypsilanti hat nichts dazu gelernt. Ihr ist nach wie vor jedes Mittel Recht, um an die Macht zu kommen", sagte Haderthauer dem Tagesspiegel. Ypsilantis Taktieren sei "Wasser auf die Mühlen der Linken". (9. Aug.)
Roland Koch im Interview: "Ypsilanti ist jedes Mittel recht"
Solange ich im Amt bin, bin ich laut Verfassung ein ordentlicher deutscher Ministerpräsident. Und dass das Land von mir ordentlich regiert wird, dürfte auch kaum jemand ernstlich bezweifeln. (...) Ich habe schon vor den Wahlen gesagt, dass Frau Ypsilanti jedes Mittel recht ist, um an die Macht zu kommen. Nichts und niemand wird sie davon abhalten, weder der Rat ihrer Berliner Parteifreunde, die Angst haben, dadurch die Bundestagswahl schon jetzt zu verlieren, noch die Warnungen vor einem möglichen Scheitern. Ypsilanti hat eine sehr Ich-bezogene Perspektive. (...) Außerdem geht es um die Autorität der (SPD-) Parteiführung. Wenn sie nicht in der Lage ist, einen Landesverband davon zu überzeugen, einen gemeinsam abgesteckten Kurs zu nehmen, erleidet sie einen beispiellosen Autoritätsverlust. Insofern stellt Ypsilanti die Bundes-SPD auf den Prüfstand. (...) Wer wie Clement für Kernenergie ist, vertritt eine Position, die Helmut Schmidt in Deutschland mehrheitsfähig gemacht hat. Wer wie Clement sagt, die Linkspartei kann nicht unser Partner sein, weil die Kommunisten nicht nur Gegner sondern sogar Feinde gewesen sind, der ist in der SPD nach wie vor zuhause. Muss einer wie er gehen, dann verengt sich das politische Spektrum der SPD so dramatisch, dass sie den Charakter einer Volkspartei verliert. Schauen wir uns die Umfragen an. Die SPD liegt jetzt schon bei 20 bis 25 Prozent. Sie droht zu einer kleinen Richtungspartei zu werden ...
Bayern-SPD wirft Ypsilanti Parteischädigung vor: Fliegt Andrea Ypsilanti wegen "parteischädigenden Verhaltens" aus der SPD?
An der SPD-Basis in Bayern wächst sieben Wochen vor der Landtagswahl die Wut auf die hessische Landesvorsitzende. Grund ist der Plan Ypsilantis, im November doch einen Anlauf zu wagen, um mit Hilfe der Linkspartei Ministerpräsidentin zu werden.
Erich Ellmerer, SPD-Vize-Landrat von Rosenheim (Oberbayern): "Das zerstört so kurz vor der Bayern-Wahl Vertrauen. Das ist parteischädigendes Verhalten. Frau Ypsilanti und nicht Wolfgang Clement schadet der SPD." (...) SPD-Chef Kurt Beck hat es offenbar aufgegeben, Ypsilanti umzustimmen. "Das ist so, als würde man versuchen, einen Regenwurm zu überzeugen", zitiert der "Spiegel" einen Genossen. BILD (10. Aug.)
• In der SPD mehren sich kritische Stimmen zum Vorhaben der hessischen Parteichefin Andrea Ypsilanti, sich in einem zweiten Anlauf zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung wählen zu lassen. Ypsilanti müsse "wohl bedenken, was sie mit einem solchen Schritt bundespolitisch anrichtet", sagte der SPD-Politiker Rainer Wend zu Ypsilantis Plänen, sich mit Stimmen der Linken wählen zu lassen. Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner nannte das Vorgehen gefährlich. Die CDU forderte Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf, in der Frage Stellung zu beziehen.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion (Rainer) Wend sagte laut "Focus", Ypsilanti schiebe mit ihrem Plan die Gesamtpartei "aus der Mitte in eine Außenposition". Kastner warf ihr vor, die Alternativen nicht ernsthaft ausgelotet zu haben, etwa eine Große Koalition ohne den amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch. (Focus, 10. Aug.)
• Ich kann als Sozialdemokrat aus Sachsen-Anhalt auch nur dringend von einer auf die Linke gestützten Minderheitsregierung abraten. Geduldete Regierungen sind nie besonders starke Regierungen. Klaas Hübner (Der Tagesspiegel, 10. Aug.)
Klaas Hübner - Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion, im Aug. 2004: Die SPD muss die richtige Politik, die Clement und die Regierung machen, auch um den Preis von Wahlniederlagen durchziehen. Hier gilt für die Seeheimer die alte Maxime: Politiker denken an die nächste Wahl - Staatsmänner an die nächste Generation. (...) Die Agenda 2010 ist eine nötige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Das Programm muss (...) getragen sein von einem veränderten Menschenbild. Der Einzelne muss mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen - und sich stärker für Staat und Gesellschaft engagieren. (...) Symbolpolitik ist (...) mit uns Seeheimern nicht zumachen. (...) Die Gewerkschaften haben sich verändert. In den 60er und 70er Jahren waren sie Speerspitze der gesellschaftlichen Erneuerung. Heute sind sie Besitzstandswahrer.
• Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) warnte Ypsilanti erneut vor einem zweiten Anlauf. Die hessische SPD-Chefin handele "gegen den Rat der SPD-Landesverbände von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern", sagte der CDU-Politiker am Rande einer Kabinettssitzung in Ulrichstein im Vogelsberg. Sie gehe einen für die SPD wahrscheinlich "lebensgefährlichen Weg". (...) Sollte sich Frau Ypsilanti von der Hessen-SPD einen Freifahrschein für Verhandlungen über einen Linksblock geben lassen, wäre das für die CSU in Bayern ein unglaubliches Wahlgeschenk, für das sie sich bei der hessischen SPD und Frau Ypsilanti bedanken müsste. (Frankfurter Rundschau, 11. Aug.)
• Was zur Zeit in Hessen geschieht, ist ein großes Glaubwürdigkeitsproblem für die SPD insgesamt. Rainer Wend (Stuttgarter Zeitung, 12. Aug.)
Rainer Wend - wirtschaftspolit. Sprecher der Bundes-SPD, u.a. im Aug. 2003: Das wenige Geld, das da ist, darf man nicht in erster Linie in Rentenerhöhungen stecken (...) Ein späteres Renten-Eintrittsalter ist alternativlos. 2004 Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, im Dez. 2008 Gelungenes Politikerrecycling
CDU-Appell: Steinmeier soll Ypsilanti bremsen SPIEGEL online (12. Aug.)
• Das kann nicht wahr sein, dass wir im Westen von Deutschland darüber reden, Juniorpartner der Linkspartei zu sein. Wo ist eigentlich der Stolz der SPD auf eigene Stärke, wie kann man darüber nachdenken, gegenüber einer solchen Partei in die zweite Reihe zu rücken. Garrelt Duin (Süddeutsche Zeitung, 12. Aug.)
Garrelt Duin - Landesvors. der niedersächs. SPD, die er rund sieben Monate zuvor zum schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten führte
-- Klaus Stuttmann
• Hier wird ein Wahlversprechen gebrochen. Franz Maget (Münchner Merkur)
• Nachdem Herr Beck jetzt zweimal mit seinem Kopf vor die hessische Wand gelaufen ist, ist Herr Steinmeier gefordert, jetzt Führung zu zeigen. Die Öffentlichkeit muss noch vor der Landesvorstandssitzung der hessischen SPD wissen: Steht Herr Steinmeier bei einem Beschluss zur Wiederholung des Wortbruchs überhaupt als Kanzlerkandidat zur Verfügung? Wenn Herr Steinmeier es jetzt nicht schafft, den linken Flügel der SPD zu bändigen, wird es ihm nie gelingen. Es ist bemerkenswert, dass die gesamte SPD-Spitze dabei versagt, was zuvor der mutigen Frau Metzger ganz alleine gelungen war: eine Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in Hessen zu stoppen. (...) Herr Steinmeier muss jetzt deutlich machen, dass er mit einem solchen politischen Betrug und einer solchen Wiederholung des Wortbruchs nichts zu tun hat: "Daran will auch ich mich halten: Glaubwürdigkeit ist ein Kriterium, an dem sich die SPD messen lassen muss", hat er am 22. Februar 2008 im ZDF zur Kooperation der SPD mit der Linkspartei in Hessen erklärt. Er muss sich an seinen eigenen Worten messen lassen! - CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla (Süddeutsche Zeitung)
• Ich halte die Linke in Hessen für so irrlichternd, dass ich es für problematisch halte, mit ihnen zu einem Regierungsbündnis zu kommen. Jörg Tauss (dpa)
Jörg Tauss - Generalsekretär der SPD-Baden-Württemberg
• Ich halte das für meschugge, weil es ja nicht nur darauf ankommt, ob man heute einige Dinge zusammen realisieren kann, sondern auch darauf, was man mit einer Partei nicht machen kann. (...) Ich halte es für unverantwortlich, was Frau Ypsilanti in Hessen vorhat. Klaus von Dohnanyi (MDR INFO, 14. Aug.)
Klaus von Dohnanyi - u.a. ehem. Erster Bürgermeister in Hamburg, Treuhananstalt, ehem. INSM-Kurator, Dohnanyi-Kommission und Konvent für Deutschland I, II, III
• (Roland) Koch: SPD droht bundesweit hinter die Linke zurückzufallen
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat die SPD vor der Gefahr gewarnt, bundesweit hinter die Linkspartei zurück zu fallen, wenn sie sich auf eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Hessen einlässt. (...) In der neuesten Umfrage ist der Abstand bei 20 Prozent für die SPD und 14 Prozent für die Linkspartei schon auf nur noch 6 Prozent geschrumpft. Insofern ist Hessen eine Art Labor. (...) Koch hält ein Machtwort der Bundes-SPD für angebracht (...) "Man muss auch die Größe haben, mit 35 Prozent Opposition zu sein, und sollte nicht davon träumen, mit 22 Prozent Regierung zu werden. Die Frage ist, ob die SPD noch die Kraft hat, sich der politischen Geiselnahme von Frau Ypsilanti zu erwehren. In jeder normal funktionierenden Partei müsste ein Machtwort der Bundesführung einen solchen Spuk beenden. Beck scheint sich nicht zu trauen. Und Steinmeier scheint lieber auf Appeasement-Kurs zu gehen, als mit einem klaren Machtwort seine Kandidatur vorzubereiten."
Das kann nicht wahr sein, dass wir im Westen von Deutschland darüber reden, Juniorpartner der Linkspartei zu sein. Wo ist eigentlich der Stolz der SPD auf eigene Stärke, wie kann man darüber nachdenken, gegenüber einer solchen Partei in die zweite Reihe zu rücken. (Mitteldeutsche Zeitung, 14. Aug.)
Alle gegen Ypsilanti
Die Kritik an Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti reißt nicht ab: Union und FDP sehen die Bundes-SPD auf einem verhängnisvollen Kurs nach links. Zumindest dann, wenn die SPD-Spitze sich weiter von Ypsilanti "auf der Nase herum tanzen lässt". (...) Auch Sigmar Gabriel rät vom Linkskurs ab Tagesspiegel (14. Aug.)
"Schulterschluss von SPD mit SED-Nachfolger "Die Linke" ist offensichtlich / SPD-Beschluss in Hessen am Jahrestag des Mauerbaus ist Schande für Deutschland"
"Mit dem Beschluss des Landesvorstands der Hessen-SPD ist der Schulterschluss von SPD mit der SED-Nachfolgerin "Die Linke" offensichtlich. Einen solchen Beschluss gerade am Jahrestag des Mauerbaus zu fassen, ist eine Schande für Deutschland. Andrea Ypsilanti führt die gesamte SPD an den äußersten linken Rand und weder Frank-Walter Steinmeier noch Kurt Beck können oder wollen das verhindern. Es ist atemberaubend, wie die ehemalige Volkspartei SPD mit alten sozialdemokratischen Tugenden und Positionen bricht und sich der Übernahme durch linke Populisten und Extremisten preisgibt", kommentierte Bayerns Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein die Entscheidung des SPD-Parteivorstandes in Hessen. (14. Aug.)
• Wenn Frau Ypsilanti meint, in ihrem Machthunger ungenießbare Linkspartei-Klöße verschlingen zu müssen, überschätzt sie die Verdauungskraft der kranken SPD bei Weitem. - CSU-Vize und bayerische Justizministerin Beate Merk (dpa, 14. Aug.)
• (CDU-Generalsekretär Ronald) Pofalla: "Der Marsch nach links geht weiter" (BILD, 14. Aug.)
Jemand mit der Erfahrung und der Leistung von Franz Müntefering fehlt natürlich immer. Sigmar Gabriel (Handelsblatt, 15. Aug.)
-- Klaus Stuttmann (17. Aug.)
• Die SPD braucht endlich mehr Disziplin (...) Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir seien ein wilder Hühnerhaufen. Sigmar Gabriel (Berliner Zeitung, 18. Aug.)
Sigmar Gabriel - 2003 schlechtestes Wahlergebnis seit 1945 in Niedersachsen, wurde darauf SPD-Popbeauftragter und 2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der Merkel-Schröderianer-Koalition
• Ich glaube, dass uns Müntefering in der derzeitigen Phase der Partei sogar sehr weiterhelfen kann. Thomas Oppermann (Rheinische Post, 22. Aug.)
Thomas Oppermann - Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion
Und dass Andrea Ypsilanti vorhat, sich mit den Stimmen der Linkspartei wählen zu lassen, halte ich (Karin Kortmann - MdB u. SPD-Kandidatin zur Düsseldorfer OBM-Wahl) für abenteuerlich (...) Die Menschen in Düsseldorf fragen sich zwangsläufig, wofür unsere Partei überhaupt noch steht. (Frankfurter Neue Presse, 22. Aug.)
Karin Kortmann - scheitert zur Düsseldorfer OBM-Wahl kläglich und wird "dafür" u.a. am 20. Nov. 2009 zur Vizepräsidentin der Katholiken gewählt
-- Readers Edition: Wie die SPD ein Talent demontiert... (22. Aug.)
-- Freitag (22. Aug.): Haut oder Hemd
Vielleicht befindet sich Andrea Ypsilanti in einer Lage, in der sie nichts mehr falsch machen kann - einfach deshalb, weil sie auch nichts mehr richtig machen kann.
Stellt sie sich im November der Wahl zur Ministerpräsidentin, ist das Risiko, dabei die Mehrheit zu verfehlen, groß. Längst geht es schon nicht mehr um Dagmar Metzger allein. Jürgen Walter, der Rivale der Landesvorsitzenden, hat öffentlich gewarnt. Unter der Hand werden die Namen weiterer SPD-Abgeordneter genannt, die so denken wie Metzger und er. Wie es in den hessischen Grünen aussieht, weiß niemand genau. Sie haben "Vordenker", die öffentlich die Köpfe wiegen: Jamaika wäre gar nicht schlecht, doch sei - leider - die Partei noch nicht reif dafür.
Fällt Ypsilanti durch, hat die SPD die Wahl zwischen mehreren Katastrophen. Große Koalition: das wäre de facto ihre Spaltung in Hessen mit weiterem Aufwuchs der Partei Die Linke. Neuwahlen brächten völligen Absturz. Mit Ypsilanti wäre auch Beck am Ende. Clement und Steinmeier hätten sich auf Bundesebene gegen den linken Parteiflügel durchgesetzt, Merkels Wahlsieg wäre noch sicherer, als er jetzt ohnehin schon zu sein scheint.
Dankbar ist allerdings auch, dass das absehbare Ausmaß des Desasters gerade den rechten SPD-Flügel in Hessen dazu veranlasst, es vermeiden zu helfen. Jürgen Walter muss das eigene Hemd näher sein als der Rock von Frank-Walter Steinmeier. Geht die hessische SPD unter, hat auch er keine Basis mehr. Deshalb: Disziplin, der Versuch, mit Ypsilanti zunächst einmal das Unmögliche zu wagen. So könnten unsichere Kantonisten gehalten werden - vielleicht finden sich andere in der CDU, die in geheimer Wahl Rechnungen mit Roland Koch begleichen.
Heraus käme eine SPD/Grünen-Regierung mit Duldung der Linken und ohne Konsistenz. Das Notbündnis bliebe ja brüchig. Den Beschuss durch CDU/CSU und Medien kann man sich jetzt noch gar nicht vorstellen. Alles, was Ypsilanti in Wiesbaden tut, geschähe in Angst vor der Bundestagswahl 2009 und davor, für eine Niederlage der SPD dort in Haftung genommen zu werden.
Es mögen sich Leute finden, die auf ein großes Vorbild hinweisen. Als die FDP 1969 die Seite wechselte und Brandt zum Kanzler machte, war das eine äußerst knappe Sache. Die Liberalen verloren anschließend Landtagswahlen oder waren auf Leihstimmen der SPD angewiesen, einige Abgeordnete wechselten zur CDU, nach weniger als drei Jahren war die Mehrheit dahin. Aber in der vorgezogenen Neuwahl wurde sie triumphal vergrößert.
Sofort finden sich Gegenargumente gegen diese historische Analogie. 1969: das war eben ein Jahr nach 1968. Solch verklärender Rückblick sieht diese Verbindung allerdings zu kurz. Der Jahresanfang damals war gekennzeichnet durch das demoralisierte Auseinanderlaufen der Protestbewegung. Außerparlamentarisch war nicht mehr viel los. Deshalb delegierte, wer 1968 dabei war und nicht in Sekten ging, seine Hoffnungen auf parlamentarische Geschäfte wie die Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten.
Aber es gab 1969 doch ein großes Projekt: innere Reformen, "Demokratie wagen", Neue Ostpolitik. Das trug, und nachdem die sozialliberale Koalition in Bonn einmal stand, ging ein Ruck auch auf nachgeordnete Ebenen über: in Gemeinden, Universitäten, ja sogar Betrieben verschoben sich Kräfteverhältnisse, die durch 1968 allein nicht hätten verändert werden können.
Auch dieser Vergleich fällt nicht gut aus für die aktuelle Sozialdemokratie. Das Projekt von einst scheint verloren gegangen.
Um es zu ersetzen, war Ypsilanti mit einer Kampagne für Wind- und Solarenergie in den Wahlkampf 2007/08 gezogen. Damit konnte sie nicht die offene Flanke decken, durch die seit Schröder sozialdemokratische Mitglieder und Wähler davonliefen. Dies war und ist der Vertrauensverlust auf dem Feld der sozialen Gerechtigkeit. Seit Oktober 2007 versucht Beck dort nachzubessern. In Hamburg gab sich die SPD ein gutes Programm, das aber kaum jemand liest, denn alle meinen zu wissen, es sei in Wirklichkeit ja doch nicht so gemeint. Im Bundestagswahlkampf 2005 und zur hessischen Wahl 2008 progagierte die SPD die "solidarische Bürgerversicherung". Ein großes Projekt, das man ihr ebenfalls nicht mehr abnahm.
Nun ist soziale Gerechtigkeit eine viel zu wichtiges Thema, um es der Linken - einer nach wie vor im Westen kleinen und ungefestigten Partei - allein überlassen zu können. Die hessische SPD wird jetzt vier Regionalkonferenzen abhalten. Nehmen wir einmal - vielleicht illusionär - an, dort würden nicht Krönungsmessen zelebriert, sondern es stattdessen Bemühugnen geben, das angestrebte Regierungsziel glaubhaft mit einem sozialpolitischen Neubeginn zu verbinden: dann wäre unter allen Fehlern, die Ypsilanti jetzt machen wird, der Griff nach der so genannten Macht immerhin noch der kleinste.
Natürlich können wir sein (Franz Münteferings) Engagement, seine Kreativität und seine Erfahrung in der SPD gut gebrauchen. Frank-Walter Steinmeier (Rheinische Post, 23. Aug.)
Merkel freut sich auf Müntefering
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht die Koalition mit der SPD noch lange nicht am Ende. Sie lobt das Verhältnis zu Kurt Beck und hofft auf eine Rückkehr von Franz Müntefering. FOCUS online (24. Aug.)
(Die Große Koalition hat in der Tat viele Probleme gelöst, z.B. die Rente mit 67: Ein Thema bei dem sonst mehr Demonstrationen, mehr Proteste gewesen wären. Angela Merkel am 20. Juli im ARD-Sommerinterview)
Debatte über Rückkehr auf die politische Bühne: Müntefering wird zum Zankapfel
Die Andeutung, der frühere SPD-Chef und Vizekanzler Franz Müntefering könnte auf das politische Parkett in Berlin zurückkehren, entwickelt sich zum Zankapfel. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries etwa freut sich darüber, andere sehen dadurch Parteichef Kurt Beck beschädigt. Die Linkspartei warnt die Sozialdemokraten vor einem Müntefering in führender Rolle.
"Franz Müntefering ist ein exzellenter Politiker", sagte Zypries der "Neuen Presse" aus Hannover. "Wann immer er voll einsatzfähig ist, würde ich mich darüber sehr freuen." Über die Rolle Münteferings innerhalb der SPD wollte Zypries nicht spekulieren. "Es ist zunächst Sache von Franz Müntefering zu entscheiden, wie er sich einbringen will", sagte sie.
Zypries fügte hinzu: "Im Wahlkampf wäre es eine große Hilfe, wenn er, aber auch Gerhard Schröder die Menschen ansprechen und sie von unseren Vorstellungen für eine gerechtere Gesellschaft überzeugen würden."
Merkel freut sich
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft auf eine Rückkehr Münteferings. "Ich freue mich, wenn Herr Müntefering wiederkommt. Wir haben gut zusammengearbeitet", sagte die CDU-Vorsitzende in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Müntefering sei mit Sicherheit eine Bereicherung für die Politik. Das gelte nicht für die SPD, sondern für die gesamte politische Landschaft in Deutschland ... Rheinische Post (25. Aug.)
"Wer sich in dessen Hände begibt, der riskiert mehr als sein Ansehen", warnte Clement. "Er oder sie riskiert die Zukunft einer stolzen deutschen Partei." Zur Klärung der "äußerst schwierigen Nach-Wahl-Lage in Hessen" sehe er nur zwei Möglichkeiten: umgehende seriöse Verhandlungen mit allen demokratischen Parteien mit dem Ziel eines regierungsfähigen Bündnisse oder Neuwahlen in dem Bundesland. Wolfgang Clement (Welt am Sonntag, 24. Aug.)
Man muss Wort halten! Das Problem ist in Hessen nicht, dass Frau Ypsilanti mit der Linken verhandelt. Das Problem ist, dass sie nach derWahl das Gegenteil dessen tun möchte, was sie vor der Wahl gesagt hat (...) Das ist der schlimmste Fehler, den man in der Politik machen kann, ein Fehler, der Langzeitfolgen hat. Henning Voscherau - ehem. erster Bürgermeister von Hamburg (SPIEGEL online, 25. Aug.)
Nach der Begleitmusik der letzten Monate ist es schwer vorstellbar, dass er sich das antut. Holger Hövelmann - SPD-Landeschef von Sachsen-Anhalt, über Kurt Beck als mgl. SPD-Kanzlerkandidaten (DIE WELT, 26. Aug.)
Ich rechne (durch Hessen) damit, dass wir 2009 (zur BTW) eine ordentliche Ohrfeige bekommen. Hans-Ulrich Klose (Sächsische Zeitung, 27. Aug.)
Hans-Ulrich Klose - 1974 bis 1981 Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, 1987 bis 1991 Bundesschatzmeister
Hessen zeigt Ypsilanti die rote Karte
Hessens SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti schmiedet ihr Linksbündnis gegen den Willen des Großteils ihrer Landsleute: Zwei Drittel lehnen ihren Kurs ab. Das ermittelte das Forsa-Institut im Auftrag des stern. Was die Hessen stattdessen wollen, ist ebenso eindeutig.
Forsa-Chef Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
Peer Steinbrück: Die SPD, die Pest und die Cholera
Er liebt Filme, Rotwein, Cash - und deutliche Worte. Im stern-Interview lederte Finanzminister Peer Steinbrück gegen Pessimisten, die eine Rezession an die Wand malen. Und griff seine Genossin Ypsilanti frontal an: "Ich halte die Risiken in Hessen für unvertretbar." (Stern, 27. Aug.)
SPD-Vize Steinbrück attackiert Ypsilanti: "Wir stehen zwischen Pest und Cholera"
SPD-Urgestein Wolfgang Clement (68) hätte die Kritik an der hessischen Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti (51, SPD) fast die Parteimitgliedschaft gekostet
... SPD-Vizechef Peer Steinbrück (61) legt jetzt nach: Er hat Ypsilanti in ungewöhnlich drastischer Form davon abgeraten, sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Koalition wählen zu lassen. BILD (27. Aug.)
Peer Steinbrück (im Stern, 28. Aug.) auf die "Frage", was den Erholungseffekt mehr gefährde - der Bundeshaushalt oder die SPD?: Die SPD.
Stern: Sie sind nicht machtgeil?
Andrea Ypsilanti: Nein.
Stern: Sie wollen nicht an die Macht?
Andrea Ypsilanti: Doch, ich will Macht. Aber nicht um der Macht willen, sondern weil ich etwas bewegen will.
Stern: Das sagen alle.
Andrea Ypsilanti: Das Amt eines Ministerpräsidenten bringt viele Entbehrungen mit sich. Das überlege ich mir dreimal. Aber jetzt habe ich die Chance, politisch etwas zum Besseren zu verändern. Also sage ich: Ja, ich will Ministerpräsidentin werden. So wie jeder andere Spitzenkandidat auch. (28. Aug.)
Die SPD demontiert sich im Kampf mit der Linken
Die SPD steckt in einer tiefen Krise. Sie ist zerrissen zwischen den Positionen von Andrea Ypsilanti und Hans-Ulrich Klose. Ypsilanti will mit Hilfe der Linken an die Macht, Klose erwartet dafür eine "Ohrfeige" im Wahljahr 2009. Die Sozialdemokraten demonstrieren exemplarisch, wie sich eine Partei selbst verwirft. Die Mehrheit der Hessen will keine sozialdemokratische Ministerpräsidentin, die zu ihrer Wahl auf die Linke angewiesen wäre; nicht einmal eine Mehrheit der Anhänger von SPD und Grünen will das; und fast ein Drittel der Hessen zöge eine Neuwahl vor.
So klar das ist, so klar ist auch die gegenläufige Position von Frau Ypsilanti: Sie will es doch. Das ist verbohrt und vermutlich im puren Machtwillen einer Person begründet, welche die Chance nutzen will, die sie hat, die ihr aber nicht gebührt ... WELT online incl. Umfrage Wird Andrea Ypsilanti mit der Linken paktieren? (28. Aug.)
Parteitag der Linken: Linkspartei will Rot-Grün in Hessen tolerieren WELT online incl. Umfrage Zerstört Oskar Lafontaines Linke die SPD? (30. Aug.)
Peter Müller (CDU) droht mit Bruch der Großen Koalition
Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hat sich für eine schnelle Beendigung der Großen Koalition im Bund ausgesprochen, sollte die SPD in Hessen mit der Linkspartei zusammenarbeiten! BILD am SONNTAG (30. Aug.)
"Ich fürchte um Deutschland"
CDU-Vize Christian Wulff richtet einen dramatischen Appell an die SPD, Hessens Parteichefin Andrea Ypsilanti an einem Bündnis mit der Linkspartei zu hindern: Ich appelliere nun dringend an die Sozialdemokratie, endlich durchzugreifen und dem Treiben von Frau Ypsilanti ein Ende zu machen. Irgendwann muss es gut sein mit Ego-Trip und Machtversessenheit. (...) Viele, von Helmut Schmidt über Hans-Ulrich Klose bis zu Wolfgang Clement, müssen jetzt für eine klare Positionierung der SPD sorgen. Mein Appell richtet sich an Sozialdemokraten, die verlässlich sind: Es muss endlich Vernunft einkehren! BILD am SONNTAG (30 Aug.)
Hessen-Frage: CDU-Ministerpräsidenten drohen mit Bruch der Großen Koalition
Klare Warnungen aus der Union: Die Große Koalition in Berlin steht nach den Worten der Ministerpräsidenten Christian Wulff und Peter Müller auf der Kippe. Lasse sich Andrea Ypsilanti in Hessen mit Links-Stimmen wählen, werde die Union die Zusammenarbeit aufkündigen, drohen die Landesfürsten.
Berlin - Wenn sich Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti mit Hilfe der "Kommunisten" zur Regierungschefin wählen lasse, sei der Richtungswahlkampf eröffnet, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff der "Bild am Sonntag". Kein Mensch glaube der SPD dann noch, dass sie im Bund nicht auch mit den Kommunisten kooperieren würde. "Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der großen Koalition kann ich mir so nicht vorstellen." SPIEGEL online (31. Aug.)
Koch warnt vor "Ypsilanti-Gen" der SPD (SPIEGEL online, 1. Sept.)
Linksbündnisse: Angst vor dem Ypsilanti-Gen
Die Debatte um Linksbündnisse in Deutschland nimmt Fahrt auf. Nachdem die Ergebnisse der Landtagswahlen in zwei Bundesländern linke Regierungen in greifbare Nähe gerückt haben, diskutiert die SPD immer lauter über eine solche Konstellation auch im Bund. Die Union sieht darin eine große Gefahr - für die Wirtschaft und die eigene Machtbasis. CDU-Vize Koch warnt: das Ypsilanti-Gen könnte auch Steinmeier infiziert haben. Handelsblatt (1. Sept.)
Wahlkampf Bayern: Angela Merkel wettert gegen Ypsilantis Politik
Auf einer Wahlkampfveranstaltung der CSU im fränkischen Schweinfurt hat Kanzlerin Angela Merkel über die Politik der SPD in Hessen gelästert. SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti bekam dagegen in Frankfurt auf der Regionalkonferenz der Sozialdemokraten breite Unterstützung für ihr geplantes Bündnis mit den Linken. DIE WELT (4. Sept.)
Merkel wettert gegen Ypsilanti
Es war der erste Auftritt von Kanzlerin Merkel im bayerischen Wahlkampf. Bei ihrer Schützenhilfe für die CSU musste sie nach geeigneten SPD-Attacken nicht lange suchen. Angriffsfläche bieten die Sozialdemokraten zurzeit genug. Vor allem eine Genossin nahm Merkel dabei ins Visier.
HB NEU ULM. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Zusammenarbeit der SPD mit der Linken kritisiert. Bei ihrem ersten Auftritt im bayerischen Wahlkampf attackierte die CDU-Vorsitzende am Donnerstag in Neu-Ulm „die Populisten von der Linken, mit denen sich die SPD leider immer wieder zusammentut“.
Der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti warf sie unverfrorenen Wortbruch vor. Vor der Landtagswahl habe Ypsilanti eine Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen, aber „nach der Wahl: Alles vergessen!“ kritisierte Merkel und warnte vor Experimenten in Bayern: „Die CSU und Bayern, das ist eine Gemeinschaft.“ Handelsblatt (4. Sept.)
-- Klaus Stuttmann (4. Sept.)
- die Tageszeitung rund zwei Monate später unter SPD-Chef warnt vor sich selbst - Franz Müntefering soll die Sozialdemokraten retten: Wie er sich das vorstellt, hat er in einem Interviewbuch zusammengefasst. Die Partei kann sich schon mal warm anziehen. (...) Zum Erfolg der Linkspartei, zum wachsenden Desinteresse an Politik fällt ihm nichts sein (...) Welchen Müntefering bekommt die SPD? Wahlkampf diszipliniert und schweißt zusammen.
[Es] gibt [in F. Münteferings Buch] auch die autoritäre, schroffe, apodiktische Seite, die nicht zu unterschätzen ist. Die SPD muss, so Volkspädagoge Müntefering, ihre Mitglieder fördern und fordern. So wie es der Staat mit den Arbeitslosen tut. Sozialdemokraten sollten dieses Buch (Macht Politik!) lesen. Als Warnung. (Tageszeitung, 7. Nov.)
Angela Merkel schimpft auf Andrea Ypsilanti
Angela Merkel hat Andrea Ypsilanti und ihre Partei scharf kritisiert. Das Beispiel Hessen zeige, wie unzuverlässlich die SPD sei, schimpfte die Bundeskanzlerin.
"Wir haben es mit einem Koalitionspartner zu tun, der zunehmend unzuverlässig wird", sagte die CDU-Vorsitzende am Freitag auf einer Konferenz der Kreisvorsitzenden ihrer Partei in Berlin. Auf das Wort der Sozialdemokraten könne man sich nicht verlassen. Das zeige die Wahl in Hessen. (...) Die Kanzlerin zog aber trotzdem eine positiven Bilanz der vergangenen drei Jahre: "Die Große Koalition hat viel bewegt." Union und SPD seien vorangekommen, aber nicht so weit, wie es möglich gewesen wäre. Nach der Bundestagswahl 2009 sei deshalb das Ziel der Union eine Koalition mit der FDP, um noch mehr für die Menschen in Deutschland erreichen zu können. Rheinische Post (5. Sept.)
8. September:
(Frank-Walter Steinmeier ist die Zeitbombe, die Gerhard Schröder der SPD hinterlassen hat)
(Bildquelle: sawo-live)
Kurt Beck
- unmittelbar vor dem Drama am Schwielowsee zu einem Vertrauten: Die Treibjagd geht weiter.
- in seiner Rücktrittserklärung am 7. Sept.: Aufgrund gezielter Falschinformationen haben die Medien einen völlig anderen Ablauf meiner Entscheidung dargestellt. Das war und ist darauf angelegt, dem Vorsitzenden keinen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu belassen.
• Das ist eine gute Nachricht für die Sozialdemokratie. Wolfgang Clement
Wir haben jetzt ein Duo an der Spitze, das Geschlossenheit herstellt und Kampfeslust weckt. Matthias Platzeck
-- Klaus Stuttmann
- Sigrid Skarpelis-Sperk: Was ich aber beurteilen kann - und ich glaube jeder in diesem Land -, dass es eine Menge von Intrigen vorher gegeben hat, dass man Kurt Beck das Leben so schwer wie möglich gemacht hat.
- Franziska Drohsel: Ich glaube, man kann schon sagen, dass die Illoyalitäten in der letzten Zeit unerträglich waren.
- Joachim Mertens (SPD-Landtagspräsident in Rheinland-Pfalz): Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte angesichts dieser Berliner Politgeisterbahn.
- Ottmar Schreiner: Ich habe das so verstanden, dass da Leute am Werk waren hinter der ersten Reihe. Aber die hatten Auftraggeber. (9. Sept.)
- Heiko Maas: Die Umstände des Rücktritts sind mehr als befremdlich. Einige in der SPD hätten es wohl darauf angelegt, Kurt Beck loszuwerden.
- Kurt Beck: Wir haben dann recherchiert im Verlaufe des späten Abends und in der Nacht. Und dabei ist deutlich geworden, dass den Medien bewusste Fehlinformationen zugespielt worden sind. Spinnen nennt man das wohl.
- Franziska Drohsel: Die Illoyalitäten gegen Kurt Beck, die letztendlich zum Rücktritt geführt haben, waren unerträglich und der Sozialdemokratie unwürdig.
- Kurt Beck über seine innerparteilichen Gegner: Judas.
-- Klaus Stuttmann (10. Sept.)
- Kurt Beck über seine innerparteilichen Gegner: Das sind Halbverrückte, die wissen, wie man etwas zerstört, aber nicht, wie man etwas aufbaut.
- Kurt Beck auf dem SPD-LPT in Rheinland-Pfalz (zu seinem Rücktritt): Und ich will und werde mir nicht einreden lassen, dass es ein Vorzug in der Politik sei, wenn man den Umgang des Wolfsrudels miteinander pflegt. Ich finde, das sind Umgangsformen von vorgestern. Wir sollten sie überwinden. (13. Sept.)
- Kurt Beck in seinem Buch "Ein Sozialdemokrat": Wer außer Eingeweihten konnte in der Lage sein, die vorbereitete Bekanntgabe mit einer Intonierung zu belasten, die den treibenden Vorsitzenden als einen bedrängten und getriebenen erscheinen ließ?
- Bärbel Bohley - DDR-Bürgerrechtlerin und Neues Forum-Mitbegründerin (über den SPD-"Führungswechsel"): Das hätte ich nicht einmal dem SED-Politbüro zugetraut.
-- duckhome: Quo Vadis SPD - Die Rolle rückwärts als einziger Programmpunkt
Der eifrige Wasserträger des Neoliberalismus in der SPD und Agendafreak Müntefering grinst wieder frech in jedes Kameraobjektiv und freut sich wie sauber seine miese Kampagne gegen Kurt Beck geklappt hat. Franz Müntefering ist zurück um die SPD zu erlösen. Er wird sie auflösen in der Bedeutungslosigkeit. Eine echte Endlösung.
War das nicht ein blitzsauberer Tiefschlag. Selbst als Beck Kanzlerkandidatur und jeden Machtanspruch aufgegeben hatte, durfte er sich nicht mit Anstand zurückziehen ...
Die Y-Frage
Im SPD-Schach um die Macht hat die Parteilinke ihre zentrale Figur verloren. Parteichef Kurt Beck ist geschlagen. Die Linken sind geschwächt. Sie haben allerdings mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Andrea Nahles und der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti immer noch zwei Damen auf dem Spielfeld. Und den Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), den manche als deren "Läufer" bezeichnen.
Wowereit rief seine Partei einen Tag nach Becks Rückzug demonstrativ zur vollen Solidarität mit Ypsilanti auf, die gestern Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Linkspartei über die Bildung einer Landesregierung ankündigte. Es gehe nicht an, wenn führende Mitglieder der Parteispitze immer wieder alles für Quatsch erklärten, was Ypsilanti in Hessen versuche. "Stärke kann nur entstehen, wenn Solidarität nicht als Einbahnstraße betrachtet wird. Wenn wir das am Beispiel Hessen üben, wird die SPD auch vorankommen", sagte Wowereit der "Berliner Zeitung". Der designierte Parteichef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier dürften Ypsilanti bei ihrem Bemühen, mit den Stimmen der Linken Ministerpräsidentin zu werden, "nicht in den Rücken fallen", sekundierte Juso-Chefin Franziska Drohsel.
Trotz aller Geschlossenheitsappelle geht damit die Auseinandersetzung über den Kurs der Partei weiter. Im Kern dreht sie sich darum, ob man mit der Linkspartei kooperieren oder diese bekämpfen soll. Und ob die Reformagenda 2010 von Gerhard Schröder fortgeführt oder zurückgedreht werden soll. Für die SPD-Linke lautet das wichtigste Reizwort: Agenda 2010. Müntefering war es, der etwa das umstrittene "Hartz-IV-Gesetz" durch die Parteigremien paukte. Erst unter der Regie Becks und gegen den Widerstand Münteferings begann die SPD, die Agenda teilweise zu korrigieren oder, wie Beck es ausdrückte, ihr "ein menschliches Antlitz" zu verleihen. Kein Wunder, dass die Parteiführung jetzt ein heftiges Flügelschlagen fürchtet.
So empört Wowereits Aufruf Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner, ein führendes Mitglied des Seeheimer Kreises. "Das muss nicht sein", sagte Kastner der WELT. Sie kündigt Widerstand an: "Wenn Andrea Ypsilanti von der Agenda 2010 abrückt, wird Frank-Walter Steinmeier etwas dagegensetzen. Er wird dann sicher kritisch seine Meinung dazu sagen." (...) Die gesamte SPD könne stolz auf die Reformagenda 2010 und deren Erfolge sein. Allerdings befürchtet sie, dass die Diskussion über die Agenda noch nicht beendet ist: "Die Agenda kam abrupt. Deshalb müssen wir immer noch Überzeugungsarbeit bei den Menschen leisten."
Auch Seeheimer-Sprecher Klaas Hübner, zeigt klare Kante. "Die Agenda 2010 hat gewirkt, und darauf kann die SPD stolz sein", sagte Hübner der WELT. In sehr schwierigen Zeiten hätten sich Sozialdemokraten im Unterschied zu anderen Parteien nicht in die Büsche geschlagen, sondern Reformen durchgesetzt: "Der Erfolg gibt uns Recht. Aber darauf darf sich die SPD nicht ausruhen." Das Wahlprogramm sollte konkrete Antworten auf die Herausforderungen der nächsten fünf bis zehn Jahre enthalten. Man müsse den Menschen das Gefühl zurückgeben, dass sie für ihre persönlichen Anstrengungen einen gerechten Anteil am erarbeiteten Wohlstand erhielten. Hübner zufolge muss die SPD jetzt alles daransetzen, 2009 einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen. Für ihn ist die Zukunft mit dem Namen Müntefering verbunden: "Franz Müntefering ist keine Übergangslösung, sondern eine gute Perspektive für die Partei. Mit seinen 68 Jahren wirkt er geistig frischer als mancher Jungpolitiker." Bei guter Gesundheit wäre er für ihn ein "hervorragender Parteivorsitzender auch über 2009 hinaus".
-- der Freitag: Im zweiten Glied: Wie Johannes Kahrs das Ende des SPD-Vorsitzenden begleitete
Am vergangenen Donnerstag stieg ZDF-Moderatorin Maybritt Illner vom Podium der Politiker hinunter zu den Menschen im Publikum und befragte einen Ex-Juso, was denn das am Wochenende zuvor gewesen sei. "Das war ein Konterputsch gegen links", sagte der und meinte den Abgang von SPD-Chef Kurt Beck. Da ging die Kamera zurück aufs Podium und zeigte einen strahlenden Johannes Kahrs. Der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises - davon konnten sich Millionen Zuschauer überzeugen - ist zufrieden.
- Kurt Beck am Tag vom Drama am Schwielowsee zur engeren SPD-Führung: Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten (...) Entweder Olaf Scholz wird Vorsitzender oder Frank-Walter Steinmeier übernimmt neben der Kanzlerkandidatur auch den Parteivorsitz.
Frank-Walter Steinmeier: Wenn Olaf das macht, hören die Querschläge doch nicht auf. Ich schlage nachher Franz Müntefering vor.
und
Ich kandidiere aber nicht ohne meinen Münte (...) Ohne eine führende Rolle von Müntefering geht nichts.
- Kurt Beck (über F.-W. Steinmeiers "Vorschlag", F. Müntefering zum neuen/alten SPD-PV zu machen): Das ist die größte Demütigung meines politischen Lebens (...) Jetzt werden die belohnt, die das alles angerichtet haben ...
sowie in seinem Buch "Ein Sozialdemokrat": Eine bittere Nacht und eine bittere Stunde für mich.
-- Klaus Stuttmann
- Kurt Beck: Manche Parteifreunde haben mir eben Backsteine statt Brot in den Rucksack gepackt.
- Kurt Beck zur Nichtteilnahme am kommenden SPD-Bundesparteitag: Ich will vor allen Dingen nicht für irgendwelche geheuchelten Bilder herhalten.
Ypsilanti tappt in "Münte"-Falle
Über die Probleme der Hessen-SPD hat sich Andrea Ypsilanti angeregt mit Franz Müntefering ausgetauscht - und nicht gemerkt, dass sie einem Stimmimitator auf den Leim ging. FOCUS (12. Sept.)
Wirbel um geleimte Ypsilanti geht weiter Falscher Münte-Anruf im Internet aufgetaucht
Ganz Deutschland schmunzelt über Andrea Ypsilanti (51): Hessens SPD-Chefin ging einem Stimmimitator des Radiosenders ffn (Hannover) auf den Leim, telefonierte sieben Minuten lang mit einem vermeintlichen, designierten SPD-Chef Franz Müntefering - bis zum Schluss merkte sie nichts, lachte hinterher sogar, untersagte dann aber die Ausstrahlung.
Jetzt ist das Gespräch trotzdem im Internet aufgetaucht!
(...)
Ob Andrea Ypsilanti jetzt noch nach Lachen zumute ist? ... BILD (13. Sept.)
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-- Michael Schöfer: Seriöser Umgang - das war einmal
Die Qualität unserer Medien nimmt leider immer mehr ab, mittlerweile sind sogar frühere Bastionen des Qualitätsjournalismus betroffen, insbesondere wenn sie über Protagonisten der politischen Linken berichten schütten sie ganze Kübel voller Häme aus. (16. Sept.)
Hans-Jochen Vogel im Gespräch: "Das Ende der Sozialdemokratie?"
Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel verteidigt im Gespräch mit F.A.Z.-Redakteur Majid Sattar die "Agenda 2010", spricht über die Krise seiner Partei, Ypsilantis Glaubwürdigkeit und vergleicht Oskar Lafontaine mit Le Pen. (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (19. Sept.)
Hans-Jochen Vogel - Bruder von "CDU-Ikone" Bernhard V. und Mitbegründer der Fünften Kolonne von Union/FDP
Dass Sie, Herr Bundesfinanzminister, immer noch keine Lehren daraus gezogen haben, haben Sie in Ihrer Haushaltsrede zu Protokoll gegeben. Dort reden Sie in einer Situation, man fasst es nicht, in der der amerikanische Finanzminister Sie haben das richtig dargestellt 5 Prozent des Sozialproduktes einsetzen muss, um die Märkte zu stabilisieren, von einer weiter sinkenden Staatsquote. Man fasst es manchmal nicht! (Lachen des Bundesministers Peer Steinbrück: Doch! Ernst Hinsken, CDU/CSU: Sie nicht!) Das Lachen wird Ihnen noch vergehen, Herr Bundesfinanzminister. Sie werden sich mit dieser Prognose lächerlich machen. Das bitte ich zu Protokoll zu nehmen und dick zu unterstreichen. Eine weiter sinkende Staatsquote das ist die Sprache der internationalen Finanzmärkte, die Sie in Ihrer Haushaltsrede gebrauchten; denn deren Credo ist: Je weiter die Staatsquote sinkt, umso besser geht es den internationalen Finanzmärkten. (Widerspruch bei der CDU/CSU) Das haben Sie jetzt selbst zu Protokoll gegeben. Sie haben zu Protokoll gegeben, dass dann, wenn wir eine Staatsquote wie vor einigen Jahren hätten, die jährlichen Ausgaben 114 Milliarden Euro höher wären. Wissen Sie jetzt, warum wir andere Leistungen für Sozialhilfeempfänger haben, warum die Renten nicht steigen und warum wir keine Investitionen in die öffentliche Infrastruktur tätigen? Genau diese fehlerhafte Philosophie ist die Ursache für diese schlimme Fehlentwicklung. (Ernst Hinsken, CDU/CSU: Wie war es in der DDR? Nichts gelernt!) Das Hauptproblem ist aufgrund des Imperativs der internationalen Finanzmärkte die Privatisierung der Sozialversicherungssysteme. Ich wiederhole hier: Privare heißt berauben. Die Privatisierung der Sozialversicherungssysteme hat dazu geführt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Rentnerinnen und Rentner erhebliche Verluste in Kauf nehmen müssen. Wie man auf so etwas stolz sein kann, entzieht sich unserer Kenntnis. In dem gleichen Zuge hat man dann die Sicherheit, nach der jetzt wieder gerufen wird, nämlich die staatlich garantierte Rente immer mehr in Misskredit gebracht und erzählt: Nur dann, liebe Rentnerinnen und Rentner, wenn ihr den internationalen Finanzmärkten vertraut und wenn ihr euch privat versichert, werdet ihr die Kapitalrenditen haben, mit denen ihr euren Lebensabend gestalten könnt. Das war doch die Philosophie, nach der hier die Rentengesetzgebung erfolgt ist. Sie wollen alles das heute nicht mehr wahrhaben, aber es ist eine Tatsache. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier, fraktionslos; Thomas Oppermann: Das haben wir gar nicht gemacht! Wovon reden Sie eigentlich?) Wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, dann schauen Sie sich die Ergebnisse Ihrer Rentenformel an. Die Ergebnisse Ihrer Rentenformel werden wir hier immer wieder vortragen, bis Sie irgendwann einmal akzeptieren, dass die Ergebnisse zum Handeln zwingen. Die Ergebnisse der Rentenformel sind, dass jemand, der 1000 Euro im Monat verdient, also im Niedriglohnsektor beschäftigt ist dieser wird aufgrund der Unterwerfung unter die internationalen Finanzmärkte in Deutschland immer größer; er ist mittlerweile der größte aller Industriestaaten , eine Rentenerwartung von 400 Euro hat. Das ist eine Schande. Diese Rentenformel darf nicht bestehen bleiben, auch wegen der internationalen Finanzmärkte nicht. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier, fraktionslos.) Der OECD-Durchschnitt ist nicht 400 Euro, sondern 730 Euro. In unserem Nachbarstaat Dänemark, der auch auf diesem Globus liegt, also ebenfalls den Zwängen der Globalisierung unterworfen ist, sind es 1 200 Euro. Man muss das dreimal lesen. Man glaubt es ja gar nicht. (Zuruf von der SPD) Der Zwischenruf war richtig. Lest es nach!
Die Frage ist, warum wir in Deutschland eine solche Sonderentwicklung haben. Immer mehr Menschen merken, dass das Unterwerfen unter die internationalen Finanzmärkte ein Fehler war. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden dafür bei den nächsten Wahlen die Quittung bekommen. Warten Sie nur ab!
Oskar Lafontaine (am 25. Sept. im Bundestag)
Die SPD hat nicht Wähler nach links verloren, wie immer behauptet wird, sondern Wähler in der Mitte. Der Typus von Wähler, der Helmut Schmidt(*) gewählt hat und 1998 zu Schröder zurückgekehrt ist, der fehlt der SPD mittlerweile. Manfred Güllner (Cicerio, Oktoberausgabe)
Manfred Güllner - Gründer und Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
(* nur einige Wortmeldungen H. Schmidts aus diesem Jahr: Juli: [W]enn wir heutzutage an militärischen Eingriffen in Afghanistan uns beteiligen, dann geschieht es in Übereinstimmung mit unserem Grundgesetz (...) Man kann über solche Einsätze streiten. Jedoch jeder Soldat und jeder Rekrut darf sich darauf verlassen: Auch künftig werden Bundestag und Bundesregierung unsere Streitkräfte nur im Gehorsam gegen das Grundgesetz und nur im Gehorsam gegen das Völkerrecht einsetzen. Liebe junge Soldaten! Ihr habt das große Glück - ganz anders als ich als Rekrut des Jahres 1937! - Ihr habt das Glück, einer heute friedfertigen Nation und ihrem heute rechtlich geordneten Staat zu dienen. Ihr müßt wissen: Euer Dienst kann auch Risiken und Gefahren umfassen. Aber Ihr könnt Euch darauf verlassen: Dieser Staat wird Euch nicht missbrauchen. [Schmidts "Ritterschlag" der ersten Rekrutenvereidigung vor dem Reichstag.] Juli II: Adolf Nazi war ein charismatischer Redner. Oskar Lafontaine ist das auch. Sept.: Nur eine weit reichende Deregulierung des Arbeitsmarktes kann Abhilfe schaffen. Weitere und unvermeidlich schmerzhafte Veränderungen bleiben notwendig. Geschäftsleitungen und Betriebsräte müssen das Recht zur Vereinbarung von Arbeitszeiten und Löhnen erhalten. Die gesetzliche Allgemeinverbindlichkeit von Tarifen, die zwischen privaten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkartellen geschlossen werden, muss beseitigt werden. Die Kündigungsschutzgesetzgebung ist weiter einzuschränken. [...] Das Arbeitslosengeld II darf über mehrere Jahre nicht weiter angehoben werden, bis ein gehöriger Abstand zu den geringsten Löhnen erreicht wird, so dass ein Anreiz zur Aufnahme eines Arbeitsplatzes besteht.)
-- Heiko Paulheim (10. Okt.): Verstehen Sie Merkel?
Angela Merkel appelliert an die SPD-Spitze, Andrea Ypsilanti in Hessen von der Bildung einer Minderheitsregierung unter Duldung der Linken abzuhalten. Ihr Argument: Die Sozialdemokraten würden sich sonst unglaubwürdig machen.
Verstehen Sie Merkel? Was könnte ihr im aktuellen Bundestagswahlkrampf denn besser ins Konzept passen als eine unglaubwürdige SPD? Da müsste man doch nur die alten Rote-Socken-Plakate auspacken und die SPD den Rest machen lassen. Also muss wohl doch etwas anderes dahinter stecken – vielleicht die Angst vor einem weiteren Stimmgewichtsverlust im Bundesrat, der die Gesetzesvorlagen der von der CDU angestrebten Schwarz-gelben Regierung torpedieren würde?
Angesichts der schweren Finanzkrise muss die SPD-Führung dem Spuk in Hessen ein Ende bereiten (...) Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering sollten Andrea Ypsilanti klarmachen, dass jetzt nicht die Zeit für politische Experimente ist, wie sie die hessische SPD plant. Was Ypsilanti will, ist verantwortungslos. Klaus von Dohnanyi (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12. Okt.)
Klaus von Dohnanyi - u.a. ehem. Erster Bürgermeister in Hamburg, Treuhananstalt, ehem. INSM-Kurator, Dohnanyi-Kommission und Konvent für Deutschland I, II, III
- treffliche Worte zum "Straßenstrich der Macht" von Hagen Rether - einem Kabarettisten:
Frankfurter Allgemeine Zeitung, rund 10 Monate später (also wenn polit. alles "gelaufen" bzw. in "Sack & Tüten" ist): Am 26. Oktober 2008 hatte der hessische Regierungssprecher und engste Vertraute von Ministerpräsident Roland Koch, Dirk Metz (beide CDU), die [SPD-]Abgeordnete [Silke] Tesch im Haus seiner Mutter in Siegen ebenfalls mit der Idee einer Fraktionsgründung konfrontiert. Frau Tesch wies das zurück. Metz bestätigte der F.A.Z. das Treffen: "Es ist völlig korrekt, dass ich mich mit Silke Tesch in Siegen getroffen habe. Das Gespräch fand auf ihren Wunsch nicht in Wiesbaden oder bei ihr zu Hause statt, weil sie unglaubliche Angst hatte, was ihr innerhalb der SPD passieren könne, wenn sie mit mir gesehen werde." Selbstverständlich habe auch er kein Interesse an einem rot-rot-grünen Regierungswechsel gehabt.
Die Sozialdemokratie ist stolz auf diese Zeit mit Dir. Die Lust, 2009 wieder im Kanzleramt zu sein, diesmal mit Frank-Walter Steinmeier als Bundeskanzler, ist riesengroß bei uns. Und wenn es nächstes Jahr drauf ankommt, bin ich sicher, Du packst kräftig mit an. Franz Müntefering an Gerhard Schröder (27. Okt.)
-- Parteibuch: www.wortbruchinfo - verdeckte CDU-Propaganda gegen Andrea Ypsilanti
Nachdem die sympatische hessische SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti es gegen den Widerstände von Bild-Zeitung und verkommenen Journalisten endlich hinbekommen hat, den Saboteuren in der hessischen SPD den Kopf zu waschen, sich der Wahl durch die netten Leute der Linken vergewissert hat, eine Koalitionsvereinbarung mit den Grünen abgeschlossen hat, ist der brutalstmögliche Lügner Roland Koch am 4. November endlich reif für die endgültige Abwahl. Nun ist genau zum strategisch günstigen Zeitpunkt die Webseite http://www.mein-parteibuch.com/wiki/Www.wortbruch.info wie aus dem Ei gepellt aufgetaucht, die Andrea Ypsilanti Wortbruch vorwirft, weil die SPD nicht nur bei sinnvollen Gesetzen gemeinsam mit der Linken abstimmt, sondern sich im Landtag auch zur Wahl als Ministerpräsidentin stellt. "Kein Wortbruch in Hessen - Nehmen Sie Einfluss!" ist eine Bürgerinitiative besorgter Menschen." steht auf der schicken Webseite und weiter heißt es "Wir, die Bürgerinnen und Bürger Hessens müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist!" Es hätte alles so schön laufen können. Geschickt wurde zum Beleg des demokratischen Anliegens noch eine Suggestiv-Umfrage eingeflochten, derzufolge 72% nicht gut finden, wenn Andrea Ypsilanti sich mit den Stimmen der Linken wählen lässt. Wie viele Roland Koch "nicht gut" finden, wurde natürlich nicht gefragt. Viele Tausend Unterstützer kommen auf der Webseite zusammen, kostenlose Sticker mit der blauen Aufschrift "Kein Wortbruch in Hessen!" werden verteilt und dann greifen die bayerische Bild am Montag, der hessische Kochfunk und andere ähnlich seriöse Medien als Anwalt des kleinen Mannes den Massenprotest auf und machen richtig Druck. Doch daraus wird nun wohl nichts. Denn nun wurde die Aktion als verdeckte Propaganda der CDU entlarvt. Heute ist aufgeflogen, dass der für die Seite Verantwortliche "Alexander Demuth" einer der führenden "Public-Relations"-Experten Deutschlands ist und die Domain-Eignerin Charlotte Schmidt-Imhoff auch als Vorsitzende des Fachausschusses Wirtschaftspolitik und Technologie der Frankfurter CDU in Erscheinung gestreten ist. Bei näherem Hinschauen weckt die schöne Graswurzelbewegung gegen den angebichen "Wortbruch" noch mehr Zweifel. Unter dem Text, mit dem "die Initiative" sich vorstellt, finden sich Statements einiger wegen des angeblich Wortbruchs besorgter Bürger. Namen stehen da. Wer die Personen jeweils sind, steht nicht dabei. Gibt es die überhaupt? Michael Herrmann gibt es so viele, dass für Außenstehende nicht zu erkennen ist, welcher Michael Herrmann das denn eigentlich sein soll. Mit "Hansi Meister" sieht es ähnlich aus. Aber auch ein Mann mit dem seltenen Namen Nikolaus Schweickart gibt da ein Statement gegen die Beteiligung der Linken ab. Google hilft. Wikipedia führt einen Nikolaus Schweickart als stellvertretenden Bundesvorsitzenden des Wirtschaftsrates der CDU und Botschafter der INSM. Bei www.wortbruch.info steht davon nichts. Auch ein Bernd Ehinger wettert kräftig gegen Andrea Ypsilanti und die Linken. www.wortbruch.info schreibt nichts dazu, wer Bernd Ehinger ist. Hat total verkommener Journalismus ein Gesicht? Der hessische Rundfunk schreibt über seinen Rundfunkrat Bernd Ehinger, er sei geschäftsführender Vorstand und Schatzmeister des CDU-Kreisverbandes Frankfurt. Bei www.wortbruch.info steht davon nichts. Im Bericht des hr zu der "Inititive" fehlt der Name Bernd Ehinger. Da werden vielleicht bei manchem Erinnerungen an die in Hessen besonders aktive Staatsbürgerliche Vereinigung wach. Johanna Höhl kommt auch noch mit einem hohlen Statement gegen Andrea Ypsilanti zu Wort. Eine Johanna Höhl, Chefin der Landkelterei Höhl Hochstadt , ist schon einmal in einem “Bürgerbrief” des bekannten Lobbyclubs Bürgerkonvent in Erscheinung getreten. Eine Schlüsselrolle im Bürgerkonvent spielt Gerd Langguth, ehemaliges Mitglied im Bundesvorstand der CDU und früherer Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung. Jutta Fleck wird dann noch zitiert. Der Name ist Wikipedia bekannt als "Die Frau vom Checkpoint Charlie". Was sie an den sechs netten Abgeordneten der Linkspartei in Hessen konkret auszusetzen hat, sagt sie nicht. Weiterhin lässt sich eine Ruth Wagner aus. Die Welt kennt eine ehemalige hessische FDP-Vorsitzende mit diesem Namen und titelte schon mal "Ruth Wagner: Die Frau, die Roland Kochs Kopf rettete". Davon, dass Ruth Wagner ehemalige FDP-Vorsitzende ist, steht auf der im neutralen blau gehaltenen Seite www.wortbruch.info nichts... (28. Okt.)
-- Klaus Stuttmann (1. Nov.):
Walter lehnt Koalitionsvertrag ab
Walter hatte den Koalitionsvertrag mitverhandelt und dem Papier im Parteivorstand auch zugestimmt. Nun aber legt er eine schroffe Kehrtwende hin. (...) Als sie (A. Ypsilant) ihre Eröffnungsrede auf dem Sonderparteitag gehalten hatte, hatte Walter bereits seine Ablehnung signalisiert: Er gähnte demonstrativ, nestelte an seinen Unterlagen und klatschte betont müde und gelangweilt. Damit präsentierte sich Walter einmal mehr als "Antilanti" der hessischen SPD. (Stern, 1. Nov.)
- "Warum? Du hast den Vertrag doch mit ausgehandelt?" Das werde er morgen auf dem Parteitag erklären, sagte er noch und verließ das Gremium. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. Nov.)
SPD-Sonderparteitag: Walter verdirbt Ypsilanti-Show
Mit einem kalkulierten Skandal hat der hessische SPD-Konservative Jürgen Walter den Auftritt seiner Chefin Andrea Ypsilanti versaut. Während 95,3 Prozent der Delegierten dem rot-grünen Koalitionsvertrag zustimmten, lehnte ihn Walter überraschend ab Stern (1. Nov.)
-- Feynsinn: Partei der Büchsenspanner
Jürgen Walter, das neoliberale U-Boot in der hessischen SPD, wäre beinahe ein Ehrenmann. Er macht es anders als der Meuchler von Heide Simonis und stänkert öffentlich gegen den Kurs seiner Chefin. Einiges schränkt dennoch den Respekt vor ihm ein, zum Beispiel seine Motive und die Tatsache, daß er nicht einmal in der Lage ist, sich festzuglegen oder an entscheidenden Abstimmungen teilzunehmen. Walter denkt vor allem an Walter und hält Fraktionsdisziplin offenbar genau dann für verhandelbar, wenn sie nicht seinen Zielen dient. Er weiß sich gestützt durch die machtpolitische Spitze in Berlin und die produzierte Öffentlichkeit. Dies macht ihn stark und trägt ihm den Titel "Gegenspieler" ein, wie SpOn ihn nennt. Ypsilanti muß alles auf eine Karte setzen. Da Walter meint, "Verstecken" spielen zu können, versucht sie, ihn zur "Disziplin" zu zwingen. Die Zustimmung für ihren Versuch, eine illegitime Regierung abzulösen, ist gewaltig. Ihre Gegner berufen sich auf ein "Gewissen", das sie zuvor noch nie entdeckt haben und ein Wahlversprechen, das an der Realität scheitert. Wären sie konsequent, wären sie nach der Mehrwertsteuererhöhung aus der SPD ausgetreten. Jene aber war ein dreister Wahlbetrug der Machtspitze, mit der sie sich im Bunde wissen. (...) Die hessische Koalition ist schon desavouiert, ganz gleich, ob sie zustande kommt oder nicht. Der Agenda-Fraktion liefert er genau das Chaos, das dem Versuch einer Linken Mehrheit angedichtet werden soll. Die zugeschaltete Presse wartet nur darauf, Ypsilanti das anzukreiden, was die SPD vollends ruiniert hat: Die Intrigen einer potitischen Machtelite, die keinen Wert auf die Meinung der Basis und der Bürger legt. Steinmeier und Münterfering ist es gelungen, ganz im Sinne Schröders zu verhindern, daß in der SPD noch jemand halbwegs sozialdemokratische Politik macht. Ihre Mietmaulwürfe sitzen überall und haben Narrenfreiheit.
Ein linker Putsch
Die hessischen Wähler haben politische Reife gezeigt. Sie verdienen endlich einen Neuanfang, aber keine Tricks.
Keine Frau wird in Deutschland gegenwärtig weniger verstanden als Andrea Ypsilanti (...). Unbeirrbar hält die hessische SPD-Politikerin an einem Plan fest: Roland Koch muss weg! In der kommenden Woche will sie den Ministerpräsidenten der CDU aus dem Amt hebeln, an der Spitze einer rot-grünen Koalition und unter Tolerierung der Linkspartei. Weil sie genau diesen Pakt mit der Linken im Wahlkampf noch kategorisch ausgeschlossen hatte und weil jede Kritik daran, auch aus der eigenen Partei, bislang wirkungslos blieb, haftet ihr inzwischen der Ruch einer Fanatikerin an: verblendet von einer Mission, bewehrt mit eiskaltem Machtwillen - und verflucht durch den Betrug am Wähler. DIE ZEIT (Giovanne di Lorenzo, 2. Nov.)
3. November:
-- Süddeutsche Zeitung: Kehraus im Tollhaus
Die SPD in Hessen hat sich aus jeder leidlich seriösen Politik hinausgekehrt. Der Abweichler Jürgen Walter ist ein kleiner Nero der SPD und nicht nur die SPD in Hessen verbrennt. Roland Koch steigt aus der schwarzen Asche. Er regiert fortan nicht aus eigener Kraft, sondern aus roter Dummheit.
-- Oeffinger Freidenker: Ypsilanti scheitert
Endlich ist es soweit: Hessen ist gerettet. Nicht nur das Schicksal des kleinen Bundeslandes hing an einem seidenen Faden, nein, es war das Schicksal der gesamten Bundesrepublik. Beinahe wäre es in die Klauen von Kommunisten gefallen. Innerhalb kürzester Zeit wäre es soweit gewesen, dass die Wirtschaft sich im Niedergang befände, dass die Bürgerrechte abgebaut würden und ganz allgemein die Demokratie abgeschafft würde. Nur einige wenige tapfere Einzelkämpfer haben das verhindert. Wir wollen ihrer Namen mit Ehrfurcht gedenken: Dagmar Metzger. Jürgen Walter. Silke Tesch. Carmen Everts. Ein großer Tag für Deutschland. Eine großer Tag für die Demokratie.
-- MoritzHomann: Ypsilanti, die machtgeile Kommunistin
Was musste Andrea Ypsilanti über sich ergehen lassen in den letzten Wochen und Monaten. "Tricksilanti" hat man sie genannt, "Lügenlanti", die "Machtgeile", von Ypsilantis "Machtpoker" war die Rede, sie wolle die Regierung "an sich reißen". Und das alles nur, weil sie versucht hat, in Hessen eine Regierung auf die Beine zu stellen, ein urdemokratisches Anliegen. Nun liegt die SPD in Hessen in Scherben, was auch seine Auswirkungen auf die Bundes-SPD haben wird. Doch das Hessen-Drama bringt nicht nur Verlierer hervor - es gibt auch Sieger. Einer von ihnen heißt Spiegel Online.
-- Radio Utopie: Das geifernde, sabbernde, an Mutti und Autoritäten ewig kränkelnde Pack der Bourgeoisie wird jetzt über Andrea Ypsilanti herfallen wie die Meute am Ballermann über die Barfrau ohne Türsteher. (...)
Diese mutige, ehrliche und aufrechte Frau hat zwar ihr (überflüssiges) Wort gebrochen (nie mit denen von der Linken, usw).
Aber Andrea hat immer Kurs gehalten - immer. Und wer kann das schon von sich behaupten? Heute hat Andrea nicht verloren. Verlieren tut man etwas, was man hat. So etwas wie Stolz, Ehre oder seine Seele zum Beispiel.
Hessen: Ypsilanti scheitert an SPD-Rebellen DIE ZEIT
SPD-Rebellen lassen Ypsilanti-Wahl platzen BILD
Die phantastischen Vier. Zu spät - und gerade noch früh genug Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ypsilanti-SPD taumelt ins politische Abseits
Ypsilanti spricht nur sehr kurz am Montagabend: Es sei ein "dramatischer Tag", alle Sozialdemokraten seien "maßlos enttäuscht" und sie habe sich "immer um breite Kommunikation" ihres Kurses bemüht. Es sind müde, inhaltslose und hoffnungslose Sätze, die ihre ganze Verzweiflung offenbaren. Von einem Rücktritt sagt sie - noch - nichts. Spiegel online
Vier gegen Ypsilanti Die Welt
SPD-Rebellen lassen Ypsilanti scheitern Handelsblatt
Machtwechsel in Hessen geplatzt : SPD-Rebellen stoppen Ypsilanti Stern
Fraport: Danke SPD! boerse.ARD
Tschüssilanti - So lief der Blitz-Putsch gegen Andrea Ypsilanti B.Z.
-- Der Spiegelfechter: Der Dolchstoß der vier Renegaten
-- tomswochenschau: Ypsilanti, zu gut für diese SPD?
Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts haben Andrea Ypsilanti, eine der wenigen anständigen Politikerinnen, die ich in der heutigen SPD noch kenne, ihre Stimme zur Regierungsbildung im hessischen Landtag verweigert und dadurch verhindert, dass der Hetzer Roland Koch endlich und endgültig aus dem Amt gejagt wird. Im September 2009 bin ich an der Reihe, meine Stimme abzugeben. Der Leser kann sicherlich erraten, wem ich dann meine Stimme verweigere...
- Ralf Stegner: Das ist charakterlos und vollständig niederträchtig.
- Ulrich Maurer parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im deutschen Bundestag, 2005 Austritt aus der SPD nach über 35 Jahren Mitgliedschaft): Das ist schlimm für die Menschen in Hessen, weil jetzt die Regierung Koch ihre Politik des sozialen Abbaus fortsetzen kann.
- Willi van Ooyen (Fraktionvorsitzende DIE LINKE. im Hessischen Landtag): Mit dieser Entscheidung der vier Abgeordneten werden die Hessinnen und Hessen um den dringend nötigen Politikwechsel in Hessen gebracht. Das ist ein schwarzer Tag für Hessen. Die Verantwortung dafür liegt beim rechten Flügel der SPD. Diesen SPD-Leuten sind Machtspiele wichtiger als die Interessen der Menschen in diesem Land. Wir bedauern zudem sehr, dass durch dieses Verhalten die Person Andrea Ypsilantis aufs Übelste beschädigt wird.
Mit einer rot-grünen Minderheitsregierung wäre es möglich gewesen, einen Politikwechsel auf den Weg zu bringen und gerade in den Bereichen Bildung, Soziales und Umwelt, in denen während der Jahre unter Roland Koch mit dem Rotstift zusammengespart und gekürzt wurde, wieder Politik für die Menschen in Hessen zu machen.
Andrea Ypslilanti und die Hessische SPD seien, nachdem in den Probeabstimmungen alle bis auf die bekannte Ausnahme für den Regierungswechsel gestimmt hätten, von der Rechten verraten worden. Dies sei auch ein Verrat an den Wählerinnen und Wählern, die im Januar für eine linke Mehrheit im Parlament gestimmt hätten.
Es ist ein beispielloser Vorgang, dass SPD-Vertreter der hessischen CDU und deren Stahlhelmfraktion im Landtag unter dem geschäftsführenden Ministerpräsident Roland Koch den Weg ebnen, eine unsoziale und ökologiefeindliche Politik fortzusetzen!
- Hermann Scheer: Sie haben nicht nur Andrea Ypsilanti in Messer laufen lassen, sondern die ganze Partei.
Wendehals Angela Merkel - nur einige Aussagen
Sept. 2003: Wir müssen über einen Systemwechsel nachdenken.
Juni 2005: Wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.
Juli 2005: Wir müssen durch eine Grundgesetzänderung endlich den Weg frei machen für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren.
Aug. 2005: Die, die da schreien, haben meist nichts mitgekriegt in der Schule. (Merkels Pöbelei über Demonstranten gegen die Agenda 2010, ergo Neue Soziale Marktwirtschaft)
Juni 2006: Deutschland ist ein Sanierungsfall.
Sept. 2006: Die CDU hat seit Jahr und Tag dafür plädiert, dass an großen Plätzen genau solche Videoüberwachung eingesetzt wird. Wenn es die CDU nicht gegeben hätte, dann würden wir heute noch ne lange Diskussion mit SPD, Grünen und andern führen, darüber ob das nun notwendig ist oder nicht. Das sind aber Dinge, über die darf man nicht diskutieren, die muss man einfach machen.
Nov. 2006: Es ist wahr: Europa ist kein Christenklub. Aber wahr ist auch: Europa ist ein Grundwerteklub. Hier bei uns gelten Menschen- und Bürgerrechte. Diese Menschen- und Bürgerrechte beruhen bei uns ganz wesentlich auf dem Menschenbild des Christentums.
Juli 2007: Es darf keine Denkverbote geben. (zu Wolfgang Schäubles Rechtmäßigkeit der gezielten Tötung von Verdächtigen)
Juli 2007: Im Arbeitslosengeld II haben wir die sogenannte Erstattung der Kosten der Unterkunft, wonach alle Heizkosten und Stromrechnungen voll erstattet werden.
Jan. 2008: Und an die, die in diesem Jahr einen geliebten Menschen bei einem Auslandseinsatz verloren haben, an die denke ich gerade, in dieser Stunde, ganz besonders. (in ihrer Neujahrsansprache)
Juni 2008: Allen Empfängern von Arbeitslosengeld II werden Heizkosten und Strom bezahlt.
Juli 2008: Es gibt unterschiedliche Tarifverträge, aber es gibt kein Lohndumping in der Zeitarbeit. (...) Das heißt, wir haben nicht das Problem wie in anderen Bereichen, dass wirkliches Lohndumping stattfindet.
Juli 2008: Die große Koalition hat in der Tat viele Probleme gelöst, z.B. die Rente mit 67: Ein Thema bei dem sonst mehr Demonstrationen, mehr Proteste gewesen wären.
Dez. 2008: Die Welt hat über ihre Verhältnisse gelebt.
(4. Nov.)
Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Ich bin froh, dass der Kelch an uns vorüber gegangen ist (...) Ich freue mich, dass die Vier den Mut hatten, dies zu tun. Wolfgang Clement
- Helga Lopez: Ich hätte nicht erwartet, dass die mächtige Energiewirtschaft doch noch siegt (...) Vielleicht stimmten die Silberlinge ja.
- Ralf Stegner: Es herrscht bei allen Entsetzen (...) Beide Beine sind weg, aber wir sind noch am Leben.
- Hermann Schaus (Die Linke u. ehem. SPD-Mitglied) - Vizepräsident des hess. Landtages: Wer so etwas tut (...) ist für mich ein politisches Schwein. (Berliner Zeitung) u. (in Die Welt.): Solche hinterlistigen Schweine - das habe ich selbst Jürgen Walter nicht zugetraut.
Ex-Parteichef Vogel: "SPD ist das Risiko bewusst eingegangen"
Der Parteiveteran kritisiert Andrea Ypsilanti: Das gebrochene Wahlversprechen ist schuld an der Misere in Hessen, sagt der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel* im SPIEGEL-ONLINE-Interview. Er würdigt die Rebellin Dagmar Metzger, rügt ihre drei Mitstreiter - lehnt aber deren Parteiausschluss ab.
Hans-Jochen Vogel - Bruder von "CDU-Ikone" Bernhard V. und Mitbegründer der Fünften Kolonne von Union/FDP
Sie muss es sogar. Dies hat etwas mit der Autorität der Parteiführung zu tun. Zu sagen, der Politikkurs sei Sache der Länder, ist ja kein Ausdruck der Stärke, sondern der Schwäche. Dies sagt nur, wer glaubt, keinen Einfluss zu haben. Wolfgang Clement auf die Frage, ob die Führung der Bundes-SPD Einfluss auf die Landesverbände nehmen kann
Aufstand gegen Ypsilanti - Kurze Hymne auf die phantastischen Vier
Nun schäumen sie wieder in der SPD: Von "Niedertracht" und "Sauerei" ist die Rede, weil die vier hessischen Abweichler Andrea Ypsilantis Wahl gestoppt haben. Doch damit machen es sich die Sozialdemokraten zu leicht, findet Reinhard Mohr - die Verweigerung ist eine Warnung an eine taumelnde Partei. SPIEGEL online
-- F!XMBR: Der Stammtisch jubelt
Die auf rechte Kampagne des Stürmers, der Bertelsmänner, der Schmidts und di Lorenzos hat seine Wirkung nicht verfehlt. Eine große linke Mehrheit hatte Anfang des Jahres Roland Koch abgewählt - es fand sich sogar eine Mehrheit neben Schwarz-Gelb. (...) Die SPD indes hat einmal mehr bewiesen, welch aufrechte Deutschen innerhalb der Partei wider den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes das Sagen haben.
(5. Nov.)
-- ad sinstra: Beispielhafte Musterdemokratie
Jetzt ist die Zeit reif für eine Neuwahl - monatelang wollte man sich das nicht eingestehen. Da fühlte sich der hessische Geschäftsführer wohlig-warm in seiner Position des Lavierens und Ausharrens, fand es demokratisch notwendig und auch sinnvoll, über seine Brillenränder hinwegzugucken, um nach drüben zu sehen - herüber zu den hessischen Sozialdemokraten. Denn vielleicht - hoffen wird man ja als Christdemokrat doch mal dürfen - sägen sie den Ast ab, auf dem sie sitzen. Und siehe da: Genau so kam es! Neun Monate hat man nun von Neuwahlen Abstand genommen, neun Monate lang war man der Ansicht, dass alles einwandfrei nach dem Geschmack der Wähler sei. Aber nun, da man sich sicher sein kann, dass die SPD in Hessen keine großen Sprünge mehr machen wird, ist man bereit für den finalen Vernichtungsschlag.
Neuwahlen in Hessen mit oder ohne Ypsilanti?
SPD-Frontfrau Andrea Ypsilanti (51) will keine 24 Stunden nach der bitteren Niederlage schon wieder kämpfen ...
ABER UM WAS EIGENTLICH NOCH?
Tatsache ist: Es wird in Hessen Neuwahlen geben. Nach Grünen und FDP stellt sich jetzt auch die CDU auf eine vorgezogene Landtagswahl im Frühjahr 2009 ein. Und: Hessens geschäftsführender Ministerpräsident Roland Koch (49/CDU) wird erneut als Spitzenkandidat antreten.
Koch sagte, er spreche „in diesen Stunden und Tagen“ mit den anderen Parteien über einen Ausweg aus der jetzigen Lage. Eine Entscheidung müsse vor der Landtagssitzung am 18. November fallen, sagte er am Morgen vor einer Kabinettssitzung in Wiesbaden.
Die Hessen-SPD hat sich bisher zwar nicht zum Thema Neuwahl geäußert. In der Führungsetage der SPD-Zentrale in Berlin heißt es aber: „Etwas anderes kommt überhaupt nicht in Frage!“ BILD
-- Franziska Augstein: Anmaßung und Opferrhetorik. Drei SPD-Frauen gerieren sich als Bürgerrechtlerinnen.
(...) Als über den geplanten Koalitionsvertrag abgestimmt wurde, beteuerte die Parteirechte Silke Tesch, sie wolle in Hessen keinen "Simonis-Effekt". Und als der SPD-Unterbezirk Groß-Gerau am 28. Oktober über einen Antrag debattierte, mit dem die Vorsitzende Carmen Everts darauf verpflichtet werden sollte, für die geplante Regierung zu stimmen, tat sie indigniert: "Ich will den Regierungswechsel, da braucht es keine Aufforderung", wurde sie zitiert. So war Dagmar Metzger die einzige, von der man annehmen durfte, dass sie ihre Stimme nicht Andrea Ypsilanti geben würde, weil sie die Linkspartei für ähnlich übel hält wie die SED.
Offene Messer
In ihrer emotionalen, bekenntnishaften Rhetorik stehen die drei Frauen einander indes nicht nach. "Die Situation hat mich zunehmend psychisch und physisch stark belastet", klagte Silke Tesch; "ich bin nicht jemand, der verdeckt agiert und andere ins offene Messer laufen lässt", erklärte sie, um zu begründen, warum sie Andrea Ypsilanti einen einzigen Tag vor der Abstimmung ins offene Messer hat laufen lassen. "Ich habe einen unvorstellbaren Druck erlebt", beschwerte sich Carmen Everts.
Und Dagmar Metzger bekannte sich zu ihrer erschütterten Begeisterung von sich selbst: "Niemand weiß besser als ich, wieviel Mut hierzu gehört." Wieso weiß das niemand besser als Dagmar Metzger? Und von welcher Art Mut redet sie eigentlich, da der ihre doch von der politisch einflussreichen Familie konservativer Sozialdemokraten, in die sie eingeheiratet hat, sehr - sagen wir - beflügelt wurde?
Die Rhetorik der drei Damen ähnelt auf fatale Weise derjenigen ehemaliger DDR-Bürgerrechtler: Anders als viele DDR-Bürgerrechtler waren die SPD-Frauen nicht Opfer eines großen Apparates. Aber sie gerieren sich als solche. Das ist kein Zufall, denn alle drei sind gegen die Linkspartei. Und jetzt benehmen sie sich, als wären sie schon deren Opfer. Sie reden, als wären sie Bürgerrechtler.
Carmen Everts hat in Chemnitz bei dem Politologen Eckhardt Jesse über Extremismus promoviert. Wie ihr Doktorvater erblickt sie in der Linkspartei eine Gefahr. Dem Weserkurier hat Jesse im August ein Interview gegeben, demzufolge er zwischen "parlamentsorientierten", "aktionsorientierten" und "diskursorientierten" - vulgo: intellektuellen - "Linksextremisten" unterscheidet. Er bedauerte in dem Interview, dass "es keine wissenschaftlichen Studien über die linksextremen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft" gebe. Dass die "Mitte der Gesellschaft" von extremistischen Elementen durchsetzt sei, ist - zugegebenermaßen - eine originelle Idee. Was die NPD und andere Neonazis angeht, erklärt Eckhard Jesse immer wieder, dass ihr Einfluss überschätzt werde. Der Feind steht für ihn links. In ihrer Dissertation (2000) hat Carmen Everts die am neonazistischen Rand entlangschrappende Partei "Die Republikaner" mit der PDS verglichen. Die PDS und Die Linke betrachtet sie - ganz im Einklang mit ihrem Doktorvater - als extremistisch.
Noch bevor Dagmar Metzger sich im März der Idee verweigerte, eine rot-grüne Regierung von der Linkspartei tolerieren zu lassen, hatte ihr Schwiegervater, Günther Metzger, im Darmstädter Echo einen Auftritt. Er soll gesagt haben, dass der sozialdemokratische Vater der geborenen Dagmar Feist 1945/46 "unter Lebensgefahr den Zwangszusammenschluss von KPD und SPD zur SED" abgelehnt habe. Dagmar Metzger sagt ähnliches. Warum Lebensgefahr, welcher Herr Feist? Eine Recherche in den Archiven der SPD und bei einschlägig bewanderten Historikern wie Manfred Rexin, Andreas Malycha und Horst-Peter Schulz ergab: Nichts.
(6. Nov.)
-- NGO online: Walter, Everts und Tesch plädierten für Links-tolerierte Minderheitenregierung
Der Generalsekretär der hessischen SPD, Norbert Schmitt, hat Belege dafür veröffentlicht, wonach die Ypsilanti-Verräter Carmen Everts, Jürgen Walter und Silke Tesch das Projekt einer von den Linken tolerierten Minderheitenregierung ausdrücklich unterstützt haben. Jürgen Walter hatte auf dem SPD-Parteitag in Rotenburg am 4. Oktober gesagt: "Lasst uns heute die Ampel auf grün stellen, damit wir die Chance haben, dass dieses Land wieder rot wird." Silke Tesch hatte im Deutschlandradio am 12. August gesagt: "Wir müssen doch mit allen Parteien reden und man muss auch mit den Linken reden, welche Vorstellungen sie
haben, welche Vorstellungen die Grünen haben, das ist im Fluss und das macht Andrea Ypsilanti." Und hinter der Landesvorsitzenden stehe sie, betonte Tesch damals. Carmen Everts schrieb den Angaben zufolge in einer Email an Norbert Schmitt, Silke Tesch und andere am 29. Oktober: "Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich diesen Weg und die Wahl von Andrea am kommenden Dienstag will. Ich habe selbst diesen jetzigen Prozess – trotz meiner persönlichen Schwierigkeiten - mitinitiiert und vorangebracht."
Ich hätte mit dieser Wahl nicht leben können (...) Was mich besonders trifft, dass es keinen Respekt für meine Ringen mit meinem Gewissen gibt. Dass alles der Parteiräson untergeordnet werden soll (...) Wenn Politik Züge von Religion annimmt, führt das zwangsläufig zum Ausschluss von kritischen Stimmen. Carmen Everts
Irgendwann kam auch Personenkult auf. Silke Tesch
Wir haben einen Teil der Partei, die glaubt, im Besitz der Wahrheit zu sein, allein für das Schöne und Gute zu stehen. Jürgen Walter
-- Christian Soeder: Die sogenannte "Gewissensentscheidung"
Ich spare mir ausführliche Kommentare. Die Zitate sprechen für sich:
Jürgen Walter:
Jürgen Walter nennt die Vorbereitung des zweiten Anlaufs "ein Vorbild für innerparteiliche Demokratie." (...) "Lasst uns heute die Ampel auf grün stellen, damit wir die Chance haben, dass dieses Land wieder rot wird." (Rede von Jürgen Walter auf dem Parteitag in Rotenburg a. d. F. am 4.10.2008, Quelle: SZ, 6.10.2008)
Silke Tesch:
"Ich habe nicht von Bedingungen gesprochen... Also ich bin keine Abweichlerin - fertig! Wir müssen doch mit allen Parteien reden und man muss auch mit den Linken reden, welche Vorstellungen sie haben, welche Vorstellungen die Grünen haben, das ist im Fluss und das macht Andrea Ypsilanti." Und hinter der Landesvorsitzenden stehe sie, betont Silke Tesch. Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/830969/ (12.08.2008)
Dr. Carmen Everts:
- "Ich brauche keine Aufforderung, Andrea Ypsilanti zu wählen. Das ist unredlich und ärgert mich. Ich finde dies als einen persönlichen Affront." Quelle: FNP, 30.10.
- Carmen Everts, die auch Vorsitzende des Unterbezirks Groß-Gerau ist, wies die Zweifel am ihrer Person zurück und sprach von einem Affront: "Ich will den Regierungswechsel, da braucht es keine Aufforderung." Quelle: FR 30.10.
- "Ich habe nachdrücklich darauf hingewiesen, dass wir einen schwierigen Prozess breit und in Anerkennung der unterschiedlichen Sichtweisen und Bedenken geführt haben, dass wir diesen jetzt – trotz der Unzufriedenheiten auf den letzten Metern - zu einem erfolgreichen Abschluss bringen wollen und dass die Wahl am 04.11. keiner öffentlichen Aufforderung weder an mich noch an die ganze Fraktion bedarf, weil wir dies gemeinsam wollen und tun werden. Ich habe auch darauf verwiesen, dass diese KOA-Vereinbarung zwar an dem ein oder anderen Punkt vor verschiedener regionaler Betroffenheit diskutiert wird (und aus unserer Sicht der Flughafenpassus sicher in keiner Weise zu kritisieren ist- im Gegenteil), aber in den Kernthemen natürlich mehr als verdient hat, umgesetzt zu werden." Quelle: E-Mail an Norbert Schmitt, Silke Tesch und andere vom 29.10.2008
- "Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich diesen Weg und die Wahl von Andrea am kommenden Dienstag will. Ich habe selbst diesen jetzigen Prozess - trotz meiner persönlichen Schwierigkeiten - mitinitiiert und vorangebracht." Quelle: E-Mail an Norbert Schmitt, Silke Tesch und andere vom 29.10.2008
- Hermann Scheer: Sie sind die Täter. Die Opfer sind Andrea Ypsilanti und die hessische SPD. Das darf nicht verdreht werden.
Neuwahlen in Hessen: Koch triumphiert, Ypsilanti zaudert
Die Entscheidung ist gefallen: Hessen wählt im Januar einen neuen Landtag. Nach FDP, Grünen und Linken plädierten nun auch die CDU und als letzte Partei die SPD dafür. Roland Koch tritt selbstbewusst an, Andrea Ypsilanti will sich erst am Samstag zu einer Kandidatur äußern. SPIEGEL online
(7. Nov.)
-- Ngo-online: "Andrea Ypsilanti verdient unseren Respekt"
Angesichts des "vorläufig gescheiterten Politikwechsel in Hessen" zollten Anhänger einer Energiewende in Hessen der SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti "Respekt". Ein Realist wisse, dass Wortbrüche, Täuschungen und Lügen in der Politik an der Tagesordnung seien. "Allein der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti wird vorgeworfen, dass sie nach der Landtagswahl ein Wahlversprechen nicht einhalten konnte, weil sie versucht hat, ohne die abgewählte Hessen-CDU unter Roland Koch eine Koalitionsregierung zur Umsetzung des von ihr versprochenen Politikwechsels zu bilden", schreiben Angelika Claußen, Vorsitzende der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW, Herwig Winter, Vorstandssprecher des BUND Hessen, Winfried Schwab-Posselt, Sprecher der Bürgerinitiative "Stopp! Staudinger", und Emil Lauerwald, Sprecher der Bürgerinitiative "Biblis abschalten" in einer Stellungnahme. Andrea Ypsilanti werde pures Machtstreben vorgeworfen, "während man die machtpolitische Durchsetzungsfähigkeit eines Roland Koch, dem fast jedes Mittel zur Erreichung seiner Ziele recht ist, als eine für einen Politiker positive Eigenschaft vermarktet".
Drückt sich Ypsilanti?
Eigentlich erwarten alle, dass sie die Suppe, die sie sich und ihrer Partei eingebrockt hat, nun auch selbst auslöffelt...
Aber Andrea Ypsilanti (51) zaudert, zögert und schwankt. Drückt sie sich, tritt bei den Neuwahlen in Hessen nicht gegen Roland Koch (50) an?”
(...) Einiges deutete gestern darauf hin, dass Andrea Ypsilanti nicht den Mumm hat, für ihre politischen Fehler und zwei gescheiterte Anläufe zur Macht geradezustehen. Ihre einzige Möglichkeit, politische Macht zu behalten, ist: Sie bleibt Chefin der Hessen-SPD und schickt einen anderen als Spitzenkandidaten ins Feuer ... BILD
• Mathias Richling über Ypsilanti und die hessischen Sozialdemokraten: Sie hört nicht einmal auf ihre eigene Stimme.
Wann streichen Sie (Mathias Richling) Frau Ypsilanti aus Ihrem Programm?
M. Richling: Wenn sie sich selbst streicht aus dem Programm der SPD.
Haben Sie sie auf ihrem Weg zur Macht noch verstanden?
M. Richling: Wenn man sich ein wenig in der Psychologie auskennt, weiß man, dass man alles und jeden erklären kann: den Banker, den Tagedieb, den Betrüger, den Lügner. Verstehen muss man ihn deswegen nicht. Ich habe nur schwer verstanden, dass sie Landesherrin werden wollte um's Verrecken der SPD.
Sie wollte zu sehr mit dem Kopf durch die Wand?
M. Richling: Das wäre ja nicht so schlimm. Aber immer durch die selbe Wand? Und immer mit demselben Kopf.
Hat Andrea Ypsilanti jetzt noch eine politische Zukunft?
M. Richling:: Das wäre furchtbar, aber man wird es nicht verhindern können.
(M. Richling: im Interview mit der Frankfurter Rundschau)
Berlin - FDP-Chef Guido Westerwelle hat Andrea Ypsilanti vorgeworfen, sich vor dem Wähler wegzuducken. "Es wäre das Mindeste, dass Andrea Ypsilanti den Mut und die Charakterstärke hat, sich zur Wahl zu stellen", sagte er. Ypsilanti will ihren Vertrauten Thorsten Schäfer-Gümbel im Januar als Spitzenkandidaten für die hessische Landtagswahl ins Rennen schicken. "Das ist der nächste Betrug, der hier stattfindet", sagte Westerwelle.
Und weiter:
“Wir haben nicht für die deutsche Einheit gekämpft, um zuzusehen, dass Sozialisten und Kommunisten wieder etwas zu sagen haben in der Bundesrepublik.” SPIEGEL online
Ypsilanti muss aufgeben
Die Hessen-SPD liegt am Boden. Um die zerstrittenen Flügel wieder zu einen, ist ein radikaler Schnitt nötig - ohne Andrea Ypsilanti. FOCUS online
-- der Freitag (8. Nov.): Am Pranger der Zeit
Pranger? So weit ist das nicht her, wenn es um eine Frau geht, die in diesem Land etwas ändern wollte - und scheiterte. Das Zeit-Magazin fragte am 1. Oktober auf seinem Titelblatt: "Was haben diese Frauen gemeinsam?" Die dazugehörige Montage zeigte eine mutmaßlich öffentliche Dame, die mit ihrer rechten Hand Andrea Ypsilanti betatscht. Das zerrissene Kleid der erwähnten Dame trug als Antwort auf die Zeit-Frage die Wörter "Votzenschleim" und "Vötzchen´s Secret".
Der Chefredakteur dieser Hervorbringung, Giovanni di Lorenzo, alarmierte vergangenen Donnerstag in Sachen Ypsilanti - nicht erfolglos, wie wir heute wissen - mit der Schlagzeile: Ein linker Putsch. Geplant seien "Wortbruch" und "Betrug". Betrug? Der Mann, der Hamburg um das Sozialprogramm brachte, für das er gegen die Reichen als SPD-Bürgermeisterkandidat in den Wahlkampf zog, ist Lorenzos Herausgeber Michael Naumann. Er hatte mit den Linken eine komfortable rot-grüne Mehrheit von 65 zu 56 Sitzen, um dieses Programm zu verwirklichen. Er verschenkte die Mehrheit an Ole von Beust und zog sich zurück ins Pressehaus.
Ypsilanti-Kritiker: "Geisteskranke Geisterfahrt"
Der neue CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg hat Frank-Walter Steinmeier vorgeworfen, sich in der Diskussion über die Lage der SPD in Hessen „weggeduckt“ zu haben. „Wo ist Steinmeier?“, fragte Guttenberg (...)
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) kritisierte Ypsilanti nochmals scharf. „Ich freue mich saumäßig, dass Roland Koch Ministerpräsident bleiben wird und Andrea Ypsilanti eine Niederlage auf ihrer geisteskranken Geisterfahrt gefunden hat“, sagte er in Rust. (Focus, 9. Nov.)
-- NGO online (9. Nov.): Aktivisten stürmen Büro des Ypsilanti-Verräters Walter
(...) Die Aktion sei "Ausdruck der Wut und Enttäuschung über den skandalösen Entschluss" der vier SPD-Abweichler, den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) nicht abzuwählen, teilten die Aktivisten mit. Die Aktion werde von Studenten, Schülern, Gewerkschaftsmitgliedern und Künstlern unterstützt. Nach Angaben der Friedberger Polizei verließen die etwa 20 jungen Leute das Wahlkreisbüro kurz darauf wieder und besetzten in der Folge den Flur und das Treppenhaus des Gebäudes. Die Lage vor Ort sei friedlich. Am frühen Nachmittag wollten die Aktivisten ihre Forderungen der Öffentlichkeit präsentieren.
Mich sorgen eher die Nebeneffekte, die Folgen dieses Desasters von Frau Ypsilanti im Falle von Neuwahlen (...) Das wird nicht auf Hessen begrenzt bleiben (...) Das alles kann für meine Partei zu einer sehr unbequemen Situation führen. Joschka Fischer (Deutschlandfunk, 9. Nov.)
-- Klaus Stuttmann (10. Nov.)
Im Vergleich zu Frau Ypsilanti war selbst Jutta Ditfurth in ihren schlimmsten Tagen noch reformfähig und gut sortiert. Cem Özdemir (BILD, 10. Nov.)
Ypsilanti hat den Karren zum zweiten Mal an die Wand gefahren. Das ist schon fast serielle Täterschaft. Joschka Fischer (BILD, 10. Nov.)
Innere Brutalisierung (...) Am Montag vergangener Woche klingelt im Vorzimmer von Ypsilantis Büro das Telefon. Carmen Everts ist dran und bittet um einen Rückruf auf dem Handy von Silke Tesch. Ypsilanti meldet sich um 10.10 Uhr. Everts sagt ihr, dass sie vier Gegenstimmen aus ihrer Fraktion haben wird. "Wir müssen darüber reden", fordert Ypsilanti. Dafür sei es zu spät, die Entscheidung sei gefallen, entgegnet Everts. "Das könnt ihr mir nicht antun, bei dem, was ich in den letzten zwei Jahren für die Partei durchgemacht habe", schimpft Ypsilanti. Dann wird sie ganz ruhig: "Wer hat euch gekauft?" Everts reagiert kühl. Auf dieser Basis brauche man nicht weiterzureden. SPIEGEL online (10. Nov.)
Sitzung des Parteirates der Hessissche SPD: Andrea Ypsilanti setzte sich dann auf ihren Platz und weinte. Generalsekretär Norbert Schmitt bat die folgenden Redner, Ypsilanti angesichts der hochemotionalen Lage in Ruhe zu lassen. Und begann ebenfalls heftig zu weinen. Süddeutsche Zeitung (10. Nov.)
(Andrea Ypsilanti am 3. Nov. beim Anruf der "Rebellen":) Das könnt ihr mir nicht antun, bei dem, was ich in den letzten zwei Jahren für die Partei durchgemacht habe (...) Wer hat euch gekauft? (Der Spiegel, 10. Nov.)
SPD: Triumph des Wirtschaftsflügels
Das Debakel in Hessen mag die SPD noch verwirren. Auf lange Sicht hat es einen positiven Nebeneffekt: Die Wirtschaftspolitiker gewinnen Einfluss.
Manchmal beweist die SPD einen feinen Sinn für Ironie. In Hessen ist der wohl linkeste aller Landesverbände gescheitert, das rot-rot-grüne Wunschbündnis platzte, noch ehe es begann, und die Sozialdemokratie dürfte sich für Jahre in Selbstzerfleischung ergehen. Und nun sollen es ausgerechnet die Schröderianer sein, die erklärten Gegner aller Links-Koalitionen und Hüter der Agenda-Reformen, die den ermatteten Genossen in Wiesbaden wieder auf die Beine helfen könnten.
Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will den Hessen seine Hilfe anbieten, Parteichef Franz Müntefering hat bereits ein Treffen mit Andrea Ypsilanti an-gesetzt, und als Berater hat die Berliner Parteizentrale den Genossen in Hessen inzwischen auch gestandene SPD-Politiker wie Justizministerin Brigitte Zypries und Ex-Finanzminister Hans Eichel empfohlen. Die Hessen-SPD richtet sich auf die Neuwahlen am 18. Januar 2009 ein. So links wie die Sozialdemokratie sich dort gab, wird sie wohl nie wieder sein.
Im Willy-Brandt-Haus ist der erste Schock nach dem Hessen-Debakel der Erleichterung gewichen. Das Scheitern des Wiesbadener Links-Experimentes hat die SPD zwar erschüttert, schließlich ist sie bei der Bundestagswahl 2009 auf starke Landesverbände angewiesen. Dennoch atmet die Parteispitze auf, weil nunmehr die letzte Hypothek aus der Ära Kurt Beck beseitigt ist. Dessen Wankelmütigkeit – erst verurteilte er den Flirt mit der Linkspartei, dann gab er ihm seinen Segen – hatte das hessische Roulette erst möglich gemacht. Eine SPD-geführte Regierung unter Duldung der Linkspartei wäre der ständige Stachel im Fleisch der SPD gewesen, die dauerhafte Mahnung, dass man es mit Wahlversprechen nicht ganz genau nimmt.
Über Ypsilanti schüttelten Wirtschaftspolitiker nur den Kopf
Nun ist Kurt Beck Geschichte und Andrea Ypsilanti gescheitert. Am vergangenen Dienstag trat Franz Müntefering in Berlin vor die Bundestagsfraktion. Er kündigte an, dass er in das Wahlprogramm der SPD jetzt einen Passus zur Linkspartei aufnehmen wolle: Bündnisse auf Bundesebene sollen für 2009 ausgeschlossen werden. Es gab in der Sitzung niemanden mehr, der widersprach. Der konservative Flügel der Partei fühlt inzwischen wieder Rückenwind.
Über Andrea Ypsilanti hatten die Wirtschaftspolitiker der SPD über Wochen nur den Kopf geschüttelt. Der hessische Koalitionsvertrag sei problematisch gewesen, weil er alle wirtschaftspolitischen Weichen falsch gestellt habe, sagt Rainer Wend*, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Jetzt aber kann sich die Parteiführung in Berlin wieder bestätigt fühlen.“ Und Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement seufzt auf: „Ich bin froh, dass der Kelch an uns vorübergegangen ist.“
Das hessische Koalitionsgeschachere stand völlig verquer zum Ansinnen der neuen SPD-Spitze, die Wirtschaftskompetenz der Partei zu stärken. Im Wahlkampf 2009 will Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der gute Kontakte in die Unternehmen hält, auch Manager für die Sozialdemokratie gewinnen. „Wirtschaft ist für die SPD Pflicht, nicht Kür“, hatte Steinmeier schon auf dem Parteitag vor drei Wochen gesagt. Dabei setzt der Kanzlerkandidat vor allem darauf, Zukunftsbranchen durch gezielte Industriepolitik zu fördern. Und der Energiesektor gehört explizit dazu.
Dass die hessische SPD unter Führung des Solarlobbyisten Hermann Scheer aber ausgerechnet mit dem Versprechen, alle Atom- und Kohlekraftwerke abzuschalten, in den Wahlkampf zog, sorgte für Magengrimmen in der Parteizentrale. Und noch nicht einmal die Pessimisten im Willy-Brandt-Haus hätten sich vorstellen wollen, dass Andrea Ypsilanti am Ende der Koalitionsverhandlungen sogar beschließen würde, den Ausbau des Frankfurter Flughafens zu verzögern und den Weiterbau der A 44 und der A 49 zu verhindern.
Nun aber atmet die Wirtschaft auf. Man sei „sehr erleichtert“, dass Hessen ein „extrem wirtschaftsfeindliches Politexperiment“ erspart worden sei, so der Bundesverband der Deutschen Industrie. (...)
Vier abtrünnige SPD-Politiker stehen unter Polizeischutz
Ein halbes Dutzend Ortsvereine hat inzwischen den Parteiausschluss der vier Abweichler beantragt, die Bundestagsabgeordnete Helga Lopez verstieg sich gar zu der Mutmaßung, da müssten wohl „Silberlinge“ aus der Energieindustrie geflossen sein. Schon bei ihrer Pressekonferenz standen die vier abtrünnigen SPD-Politiker unter Polizeischutz. Am Mittwoch reisten sie gemeinsam an einen „unbekannten Ort“.
In der Partei brodelt es, denn die SPD hat den Dauerkonflikt um Bündnisse mit der Linkspartei nicht gelöst, sondern nur verschoben. Wenn Parteichef Franz Müntefering Koalitionen im Bund auch ausschließt – in den Ländern bleiben sie Sache der Landesparteien. (...)
Umso mehr hofft der Wirtschaftsflügel in der SPD, dass die Partei sich nach den Erfahrungen in Hessen wieder in die Mitte bewegen werde. Schließlich stünden mit Parteichef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gleich zwei Architekten der Agenda 2010 an der Spitze der Partei. So schmollt denn auch Oskar Lafontaine inzwischen: „Solange die SPD zu Agenda 2010 und Hartz IV steht, ist sie für uns ohnehin kein Partner.“ WirtschaftsWoche (10. Nov.)
* R. Wend - u.a. im Aug. 2003: Das wenige Geld, das da ist, darf man nicht in erster Linie in Rentenerhöhungen stecken (...) Ein späteres Renten-Eintrittsalter ist alternativlos. - 2004 Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft - im Dez. 2008 Gelungenes Politikerrecycling)
Avanti Ypsilanti Johannes B. Kerner (11. Nov.)
"Beckmann": Perfekte Show der Fanta-Vier
Eine Woche waren sie abgetaucht, nun saßen sie zum Talk bei "Beckmann" in der ARD: Die vier SPD-Rebellen, die Ypsilantis Regierungsträume platzen ließen, wirken mit sich im Reinen. Und einer ist bereits auf Gabriele-Pauli-Kurs.
("Wir hatten keinen Kontakt zur Führung der SPD", so Carmen Everts, und Silke Tesch - stimmt nicht: am 23. Okt. besuchte Sigmar Gabriel (Umweltminister, Parteivorstand, Seeheimer Kreis) den Wahlkreis von Silke Tesch; am 23. Okt. besuchte Hajo Wasserhövel (Bundesgeschäftführer SPD, Vertrauter von Franz Müntefering) Frau Everts Wahlkreis.
"Die Fraktion, Führung ist nicht zum Gespräch bereit", so Carmen Everts, auch weil ein Ausschluss von der Fraktionssitzung am 11. Nov. erfolgt sei - stimmt nicht stimmt: keiner der "Rebellen" war zum Gespräch bereit, auch nicht am 3. Nov. um 10 Uhr gegenüber Andrea Ypsilanti und anderen sowie am 4. Nov. in der Fraktionssitzung - stattdessen am 7. Nov. ein Interview mit der FAZ und nun am 11. Nov. bei Beckmann, ohne zuvor weder mit dem eigenen OV, KV, Bezvorst., Unterbezirkvorst, Fraktion, Parteiführung geredet zu haben, wenden sich die "fantastischen Vier" sofort an die Presse. - Und das stelle sich mal vor: eine Firma (erst recht eine andere Partei), in der ein Mitarbeiter bei verheerender Beschädigung nicht mit den Kollegen, dem Vorstand, der Abteilungsleitung, dem Betriebsrat redet - aber mit Funk und Fernsehen ...) SPIEGEL online mit einem (nun, wo alles "in Sack und Tüten" ist) "kritischen" Artikel über "Die fantastischen Vier" (11. Sept.)
-- Frankfurter Rundschau (11. Nov.): Nach gescheitertem Machtwechsel - Über 100 SPD-Austritte in Hessen
Kassel. Seit dem Scheitern des Machtwechsels in Hessen hat es bei den Sozialdemokraten im Land mehr als 100 Parteiaustritte gegeben. Im SPD-Bezirk Hessen-Nord waren es etwa 50, in Hessen-Süd etwa 75, berichteten die Bezirksgeschäftsführer am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa. In Südhessen habe es zur selben Zeit aber auch 20 Eintritte gegeben.
Die meisten Mitglieder hätte ihren Austritt mit dem Verhalten der vier Abweichler begründet, die der Parteivorsitzenden Andrea Ypsilanti die Gefolgschaft verweigerten, sagte Geschäftsführer Karlheinz Pfaff. Einige hätten ihren Unmut drastischen Worten zum Ausdruck gebracht. "Das war für uns zunächst ein Schockzustand", sagte der nordhessische Bezirksgeschäftsführer Wilfried Böttner.
So großartig die Gefühlsstärke der Frauen ist: Gefühle brauchen immer den Beistand eines klugen Kopfes.
Radikale Selbstentwürfe, wie sie Simonis und Ypsilanti durchsetzen wollten - nach dem Simonis-Motto "Was wird dann aus mir?" -, treiben alle Verbündeten in die Flucht.
Von trotzigen Mädchen, die strategisch schwach sind, will niemand regiert werden.
Strategisch handeln, das heißt: meine Ziele unter den wirklichen, nicht unter erträumten Bedingungen ansteuern.
Gut, dass die Hochstaplerinnen von ihren eigenen Leuten gestoppt werden.
Und schade, dass die Sozialdemokraten gar nicht bemerkt haben, welche Sternstunde ihnen die wunderbar ernsten Bekenntnisse der drei Frauen auf der „Verräterbank“ beschert haben. Prof. Dr. Gertrud Höhler - Literaturwissenschaftlerin und (laut BILD) eine der gefragtesten Politikberaterinnen Deutschlands (12. Nov.)
Forsa-Umfrage: Wie Ypsilanti die SPD runterzieht
Das Debakel in Hessen hat die Umfragewerte der Bundes-SPD um drei Prozentpunkte sinken lassen. Forsa-Chef Manfred Güllner beschreibt im stern.de-Interview, wie Ypsilanti das Vertrauen verzockt - und kritisiert die "Gauner-Sprache" ihres neuen Spitzenmannes Thorsten Schäfer-Gümbel.
Manfred Güllner - Gründer und Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter
Sie soll nach der Spitzenkandidatur im Landtagswahlkampf auch den Fraktionsvorsitz auf den neuen Spitzenkandidaten Thorsten Schäfter-Gümbel übertragen. Peter Struck - SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende
Wortbruch zahlt sich nicht aus!
Der Ausgang des Ypsilanti-Desasters lässt eine zerlegte Landes-SPD zurück. Auf mittlere Sicht können die Akteure im Willy-Brandt-Haus in Berlin, sollten sie nicht ohnehin die Finger im Spiel gehabt haben, den vier Abweichlern einen Verdienstorden umhängen. Sie haben mit ihrem "Nein" zu Ypsilanti ihre Partei vor Schlimmerem bewahrt. Cicero (Alexander Görlach)
SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel hat eine Brille, die ähnlich verwirrt wie sein Name. Optikermeister Detlev Michel erklärt, warum Gesicht und Brille nicht zueinander passen: Bei Schäfer-Gümbels Brille kommen (...) 80 Prozent Untergesicht raus, mit so einer kleinen schmalen Denkbeule obendrauf. (…) Sein Imageberater sollte sich bis zum 18. Januar auch mal um seine Frisur kümmern. Frankfurter Allgemeine Zeitung (14. Nov.)
-- Otto Köhler (14. Nov.): Das war Jesses Geschoß
Die hessische SPD-Rechte Carmen Everts kommt aus dem rechtsextremistischen Historikerkreis der Commerzbank-TU Chemnitz. Ihr Doktorvater Eckhard Jesse ist Mitbegründer des neueren deutschen Geschichtsrevisionismus
Die allseits bekannte Vera Lengsfeld, jene DDR-Bürgerrechtlerin und Freundin der Jungen Freiheit, die sich in der CDU-Bundestagsfraktion treu an der Seite des braven Judenkritikers Martin Hohmann wiederfand, sprach es am Sonntag abend bei Anne Will klar und deutlich aus, warum letzte Woche in Hessen der geplante »Putsch von links« (Die Zeit) scheiterte: »Frau Ypsilanti muß doch zum Beispiel die Dissertation von Frau Everts irgendwie bekannt gewesen sein. Wie kann sie glauben, daß eine Frau, die in ihrer Dissertation eine ganz klare Analyse über das Demokratieverständnis der PDS liefert, ihr zustimmen kann bei ihrem Projekt. Das geht doch nicht, da muß sie sich doch vorher Gedanken gemacht haben und sie müßte sich dann wenigstens vergewissert haben bei so einer Frau, ob sie denn dafür zu gewinnen ist.«
Richtig. Vera Lengsfeld (Website-Leitspruch: »Freiheit und Fairneß, statt Gleichheit und Gerechtigkeit«) hat recht. Ja, Ypsilanti hätte die Gewissenswürmer in der Hessen-SPD besser kennen können. Da holt man sich wie Carmen Everts zuerst den Doktor mit einer Dissertation über eine Verfassungsfeindlichkeit der PDS. Dann sagt man in geheimer Probeabstimmung »Ja« zum Zusammengehen mit der Linken und bekennt: »Ich will den Regierungswechsel«. Und zaubert schließlich in allerletzter Minute ein Gewissen herbei, das ein Ja zu Ypsilanti aufgrund ihres in der Dissertation erarbeiteten Gewissens verbietet. Das ist unverfälschte deutsche Sozialdemokratie, wie sie dieses Land seit den Kriegskrediten von 1914 kennt.
Man kann sie kaufen. Die Dissertation. Sie kostet faire 25 Euro und trägt den Titel »Politischer Extremismus. Theorie und Analyse am Beispiel der Parteien REP und PDS«. Mit »REP« sind die Republikaner gemeint, jene (inzwischen durch die NPD dezimierte) Gruppierung von Rechtsextremisten, die von dem bekennenden SS- und NSDAP-Mann Franz Schönhuber (»Ich war dabei«) gegründet wurde. Die Dissertation ist 2000 auf 362 Seiten im Berliner Weißensee Verlag erschienen und kann in jeder Buchhandlung bestellt werden. Carmen Everts hat mit dieser Arbeit 1999 den Doktortitel erworben, und schon aus der Danksagung am Ende der Dissertation hätte Andrea Yspilanti entnehmen müssen, daß sie mit dieser Genossin niemals einen angesehenen Staatsmann wie Roland Koch Arm in Arm mit Kommunisten stürzen dürfte.
Everts: »Die offene Gesellschaft lebt vom gegenseitigen Respekt und Toleranz, von dem Eintreten für die Rechte anderer und Solidarität mit den Schwächeren, von Freiheit und Gerechtigkeit. An diesem unverzichtbaren Kompaß eines demokratischen Gemeinwesens sollte sich auch die politische wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Extremismusphänomen in all seinen unterschiedlichen Facetten orientieren. Mit dieser demokratietheoretisch geleiteten Studie sollte ein Beitrag zur Klärung von Analysekategorien und damit zur Aufwertung der Extremismustheorie und -forschung geleistet werden.«
Zu dieser Aufwertung und zur Ausarbeitung der unerläßlichen Analysekategorien bedurfte es einer besonderen Hochschule. Es ist die Universität in Chemnitz, die nach der Befreiung vom Kommunismus zum Bollwerk von Freiheit und Fairneß statt Gleichheit und Gerechtigkeit geworden ist. Und zur Filiale der Commerzbank, die aus Frankfurt am Main für ihre Hütchenspiele, die man Investmentbanking nennt, den 132-Euro-Professor und »Untertassentheoretiker« Friedrich Thießen auf ihren Stiftungslehrstuhl berufen hat, damit er dort regelmäßig Schulungskurse abhält (siehe jW-Thema vom 10.10.2008).
Der Universitätspate Commerzbank übt seit zwei Jahren beim Celler Trialog den »Schulterschluß« mit der Bundeswehr. Am Tag, an dem der Ypsilanti-Putsch an der Chemnitzer Dissertation von Carmen Everts scheiterte, verkündete die Universitätspressestelle Hochaktuelles: »›Eins, zwo, drei, vier‹, so schallt es auf vielen Truppenübungsplätzen in Europa. Damit Armeeangehörige auch so angenehm wie möglich zu Fuß unterwegs sind, arbeitet derzeit im Auftrag der armasuisse die Professur Bewegungswissenschaft der TU Chemnitz um Professurinhaber Dr. Thomas L. Milani an einem einzigartigen neuen Armeestiefel. Gemeinsam mit Dr. Stephan Odenwald, Juniorprofessor für Sportgerätetechnik, konnte er bereits europaweites Interesse wecken: ›Die deutsche und die österreichische Bundeswehr sind in das Projekt eingestiegen. Wir werden auch ihre Schuhe testen und neu entwickeln. Die Problematik ist hochaktuell.‹« Der Armeestiefel der Universität Chemnitz soll, so heißt es weiter, »möglichst vielen Menschen mit unterschiedlichen Fußformen passen«.
Carmen Everts hat aber ihre Arbeit weder bei Professor Thießen noch bei Professor Milani geschrieben. Sie schrieb sie bei einer besonderen Zierde der Universität, die so reich ist an zu allem talentierten Wissenschaftlern. Everts Danksagung auf Seite 361: »Um auf diesem Gebiet forschen und meine Dissertation zum Abschluß bringen zu können, bedurfte es viel Unterstützung, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Anregend für die Beschäftigung mit dem Phänomen des politischen Extremismus war die Förderung durch den wissenschaftlichen Betreuer dieser Arbeit, Prof. Dr. Eckhard Jesse.
Für seine Ermutigung und Kritik sowie die offene Arbeits- und Diskussionsatmosphäre im Doktorandenkreis möchte ich mich ausdrücklich bedanken, denn sie haben nicht nur mein Forschungsprojekt vorangebracht.«
Das wissenschaftliche Umfeld
Die Everts-Dissertation hat ihr Umfeld. Der ermutigende Doktorvater Eckhard Jesse ist ein alter Kämpfer gegen den Extremismus, lange bevor er nach dem Anschluß damit eine Professur in Chemnitz eroberte. Mit seinem Freund Uwe Backes, der es zu einem Professor an der TU Dresden brachte, gibt er seit 1988 das inzwischen schon neunzehnte Jahrbuch »Extremismus & Demokratie« (Band 19 für 2007 erschien soeben im Nomos Verlag, Baden-Baden, 529 S., 49 Euro) heraus, eine Art gehobener Verfassungsschutzbericht mit zahlreichen Mitarbeitern. Freund Backes ist zugleich stellvertretender Direktor des heißumkämpften »Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung« (HAIT). Dort protegiert er Lothar Fritze, der 1999 schwere Vorwürfe gegen den am 9. April 1945 von den Nazis umgebrachten Georg Elser erhob: Er habe nicht das moralische Recht zum Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller am 8. November 1939 gehabt, weil er dabei den »Tod von Unschuldigen« in Kauf genommen habe.
In einer Dreierformation trat Jesse 1990 erstmals an eine größere Öffentlichkeit; Backes war dabei und der einflußreiche Verlagslektor Rainer Zitelmann. Ihr Sammelband »Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus« gedieh in der Nachfolge Ernst Noltes, der mitarbeitete, zum grundlegenden Werk des westdeutschen Geschichtsrevisionismus nach dem Endsieg über den Sozialismus.
Es erschien in Zitelmanns Ullstein-Propyläen-Verlag, damals von Herbert Fleissner geleitet, der rechtsextremistische Zeitschriften wie Nation + Europa förderte. Axel Springer hatte den Verlag rearisiert, nachdem er nach 1945 den jüdischen Eigentümern wiedergegeben worden war, die zuvor von den Nazis enteignet wurden. »Sollte unter die NS-Vergangenheit ein ›Schlußstrich‹ gezogen werden? Höchst kontrovers diskutieren namhafte Wissenschaftler das brisante Thema und fordern – unisono – eine Historisierung des Nationalsozialismus.« Eine Anzeige mit diesem Text warb für das Sammelwerk ganzseitig im Neofaschisten-Organ Nation + Europa.
Die Mitarbeit an dem Sammelband erwies sich für viele Junghistoriker als besondere Qualifikation. Niemand konnte besser als sie die abzuwickelnden Lehrstühle in Deutsch-Ost porentief von jeglichem antifaschistischen Unrat säubern. Die junge Garde des alten Ernst Nolte, der die Wende vollzog vom Entsetzen über den Faschismus zu dessen Anerkennung als einer legitimen Partei in jenem großen Bürgerkrieg, der 1917 begann und mit dem Endsieg über den Kommunismus jegliche Art von Sozialismus aus dem Weg räumte.
Jesses Mitherausgeber Rainer Zitelmann – er ist nach einigen Skandalen um seine Verlags- und Pressearbeit inzwischen Immobilienfachmann geworden – war seit einigen Jahren damit beschäftigt, Adolf Hitlers Bild in der Geschichte aufzupolieren.
Dreimal schon war er an den Führer herangetreten mit dem Bemühen um »präziseres Verstehen«, nicht um »moralisches Verurteilen«. Schon in seiner »ohne jede Scheu vor verordneten Tabus und daher durchaus als bahnbrechend zu bezeichnenden« (so der frühere NPD-Chef Adolf von Thadden in Nation + Europa) Dissertation »Hitler, Selbstverständnis eines Revolutionärs« geriet Zitelmann ins Grübeln, ob der Führer eigentlich »links« oder »rechts« gestanden habe. Zwar sei es »abwegig, Hitler als Marxisten oder Kommunisten zu bezeichnen«, aber ein »Sozialrevolutionär« war er schon, dem es um nichts mehr ging als um die »Chancengleichheit« in der Gesellschaft.
Wider den Anti-Antisemitismus
Backes, Jesse und Zitelmann definieren im Geleit- und Vorwort des Propyläen-Bandes, was sie zusammenhält, was sie unter der Parole der »Historisierung« eine neue deutsche Schule des gleichzeitigen Verdrängens und Glorifizierens der NS-Geschichte bilden läßt. Sie bewiesen ihren besonderen historischen Geschmack, indem sie sich gegen die – nach ihren Ermittlungen in der Bundesrepublik herrschende – »besondere Ghettoisierung und Stigmatisierung von Rechtsextremisten« wendeten. Die »Rituale einer falschen Unterwürfigkeit« müßten fallen, forderten sie.
»Autoren, die sich aus einer rechtsextremistischen Sicht mit der Geschichte des Dritten Reiches befassen«, hätten »gegebenenfalls mit einer Indizierung ihrer Arbeiten« durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu rechnen, klagte das Herausgebertrio. Beispielsweise Männer wie Wilhelm Stäglich (»Der Auschwitz-Mythos«) oder Arthur R. Butz (»Der Jahrhundertbetrug«), die sich dem »Ritual« nicht unterwerfen, indem sie »die Massenvernichtung der Juden durch den Nationalsozialismus in Abrede stellen«. Sie leiden unter einem Werbeverbot für ihre Schriften. »Noch gravierender aber«, so beanstanden Backes-Jesse-Zitelmann, ist »der Umstand, daß Autoren, deren Arbeiten indiziert sind, als sozial geächtet gelten«. Man dürfe sich auch nicht durch die Verbrechen der Nazis – falsch! das ist ein »Kampfbegriff der Antifaschisten«, der in wissenschaftlicher Literatur allenfalls in Anführungszeichen benutzt werden kann –, man dürfe sich also durch die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht »den Blick für die in mancher Hinsicht durchaus progressive NS-Sozialpolitik verstellen« lassen.
Besondere Herzenssache war dem Mitherausgeber Jesse in einem Spezialbeitrag zum Sammelband der Kampf gegen den »Anti-Antisemitismus«. Viele »Kritiker des Antisemitismus«, Leute also, die etwas gegen die Judenfeindschaft haben, argumentieren, meint Jesse, umso lautstärker und unbarmherziger, je schwächer der Antisemitismus in Wirklichkeit sei. Den empirischen Untersuchungen des Juden Silbermann zu diesem Thema zieht Jesse deshalb die aus dem Hause der antisemitisch promovierten Elisa­beth Noelle-Neumann vor, er findet ihre Studien »weit differenzierter und besser abgesichert«. Natürlich, sagt Jesse, gehöre eine »strikte Absage an jede Form des Antisemitismus« – das weiß er wohl – zum Minimalkonsens einer »Demokratie wie die der Bundesrepublik«.
Jesse bedauert, daß die »Rechte« nicht bereit sei »wider den Stachel des bequemen Anti-Antisemitismus zu löcken«. Der sei »hohl«, weil es »in der intellektuellen Szenerie so gut wie keinen Antisemitismus« gebe. Denn höher als die sicherlich »legitime Sorge« vor Antisemitismus ist »die Gefahr« zu veranschlagen, »unbequeme Ansichten würden stigmatisiert und ins antidemokratische Abseits abgedrängt«. Er dachte dabei »an die geradezu hysterische Reaktion auf jenen Bürgermeister von Korschenbroich«, auf Graf Spee-Mirbach, der vor dem Rat seiner Stadt »unvernünftigerweise« – er hätte doch wissen müssen, was der Jude daraus macht – ein altes antisemitisches Sprichwort gebraucht hatte: Zum Ausgleich des Gemeindehaushalts »müßte man schon einige reiche Juden erschlagen«. Seither, klagt Jesse, firmiere der bedauernswerte Graf »überall in der Bundesrepublik als Prototyp eines Antisemiten«, obwohl er doch »später an eine jüdische Organisation für karitative Zwecke einen namhaften Betrag überwiesen« habe.
In diesem Zusammenhang verweist Jesse noch auf den – zugegeben, »geschmacklosen« – Ausspruch des CSU-Abgeordneten Hermann Fellner, Juden seien immer dann »zur Stelle, wenn es ums Geld geht«. Auch da habe man »hysterisch« reagiert, obwohl sich Fellner doch »entschuldigt« habe. Und dann schreibt Jesse etwas, was mindestens so gut ist wie das, was Fellner gesagt hat: »Jüdische Organisationen brauchen Antisemitismus in einer gewissen Größenordnung, um für ihre Anliegen Gehör zu finden (...).« Der Jude macht es selbst, daß die Nichtjuden ihm feind sind. Er braucht den Antisemitismus für sein Anliegen. Und dieses war immer: an deutsches Geld zu kommen. Da darf sich der Jude nicht beschweren, wenn der Antisemitismus mal etwas massiver ausfällt, als er es eingeplant hat.
Kein Problem mit rechtem Rand
Wir wissen aus den Bekenntnissen der Carmen Everts in der ARD, daß sie vor der ihr zugemuteten Wahl Andrea Ypsilantis verzweifelt auf dem Küchenboden saß und weinte. Ihre Chemnitzer Dissertation gegen den politischen Extremismus machte ihr eine solche Wahl – zusammen mit den Kommunisten! – moralisch unmöglich. Angesichts solcher Gewissensgrübelei ist es schon bemerkenswert, daß Jesse-Schülerin Carmen Everts die übelste Form des rechten Extremismus, den Antisemitismus nur einmal erwähnt. Auf Seite 222 spricht sie ganz nebenbei von »dem unter Franz Schönhuber noch vermehrter (sic!) aufgetretenen Antisemitismus, der die Partei auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich als rechtsextrem stigmatisierte«, also mit den Wundmalen versah, die Jesu zugefügt wurden. Doch, einmal noch taucht in dieser »Analyse« des politischen Extremismus irgendwie Judenfeindschaft auf, auf Seite 283. Die Jesse-Promovendin nimmt der PDS übel, daß sie auf dem Parteitag von 1995 die »Grenze des innerparteilichen Pluralismus nicht etwa gegen den Kommunismus gezogen« habe, sondern nur »nationalistische, rassistische und antisemitische Positionen« als unvereinbar mit der PDS-Zugehörigkeit erklärt habe.
Da zeigt sich eben, daß der Doktorvater ein Extremismusforscher ganz besonderer Art ist. Noch 1993 vermerkte er zusammen mit Uwe Backes in einer aktualisierten Neuauflage von »Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland« die aktive Rolle des Gründers der Monatszeitschrift Mut, Berhard C. Wintzek, bei der Organisation der »Aktion Widerstand« gegen die Ostpolitik Willy Brandts. Und er berichtete über die »gewalttätigen Aktionen der Mitglieder« dieser Organisation, beispielsweise bei der von Wintzek organisierten Großkundgebung in Würzburg: »Am Abend der Würzburger Veranstaltung zogen Gruppen von Demonstranten mit Parolen wie ›Brandt an die Wand‹ und ›Deutsches Land wird nicht verschenkt, eher wird der Brandt gehenkt‹ durch die Stadt.«
Ein Jahr nach der Veröffentlichung solcher Erkenntnisse über die Monatszeitschrift Mut und die Organisationstüchtigkeit ihres Herausgebers hatte der Extremismusforscher Jesse seine Einschätzung entschlossen geändert. Im Oktober 1994 ist er selbst ein mit Foto vorgestellter Mitarbeiter des Extremistenblattes und beklagt dort, daß »rechts von der CDU keine Partei als koalitionsfähig« gelte, »während der SPD mit dem Bündnis 90/Die Grünen eine Partei links von ihr zur Seite steht«.
Heute ist das nicht anders. Als im Mai dieses Jahres die Thüringer CDU den ehemaligen Redakteur der rechtsradikalen Jungen Freiheit Peter Krause zum Kultusminister erheben wollte, trat Jesse mannhaft für ihn ein. In der Leipziger Volkszeitung erspähte Jesse die Junge Freiheit im »Kern des demokratisch-konservativen Spektrums« mit allenfalls »einigen Facetten nach Rechtsaußen«. Doch die zählten hier nicht, weil Krause ein »Antikommunist durch und durch« sei, was wohl wahr ist.
Am vergangenen Freitag – vier Tage nach dem Sieg in der Abwehrschlacht – machte die Universität Chemnitz über ihre Pressestelle Reklame für das neueste Buch von Jesse (mit Koautor Jürgen P. Lang vom Bayerischen Rundfunk): »Absicht der Autoren ist es, Die Linke und ihre Vorgänger möglichst unverstellt zu präsentieren. ›Wir haben uns bei der Charakterisierung der Partei um Fairneß bemüht‹, schreiben Jesse und Lang in ihrem Buch. Dennoch hegen sie keinen Zweifel daran, daß Die Linke keine ›normale‹ Partei ist, die den deutschen Verfassungsstaat unterstützt. ›Die Linke bleibt eine Partei mit extremistischer Grundausrichtung, die sich nach dem Zusammenschluß von WASG und PDS sogar noch verstärkt hat‹, so die beiden Politikwissenschaftler. Dieser Extremismus komme nicht wie bei der NPD als harte Systemopposition daher, sondern in einer abgemilderten, weichen Form, für die die Autoren das Attribut ›smart‹ verwenden. Die Charakterisierung der Linken als extremistisch machen Jesse und Lang auch daran fest, daß in den Reihen der Linken offen systemfeindliche Gruppen wie die Kommunistische Plattform neben reformierten Kräften geduldet werden und sogar noch Privilegien genießen. Daß die Verfassungsschutzämter in den neuen und alten Bundesländern darauf bis heute ganz unterschiedlich reagieren, zeuge – so die Wissenschaftler – von falsch verstandener politischer Rücksichtnahme. (…) Die Autoren wehren sich entschieden dagegen, daß die demokratischen Parteien mit der Linken eine Koalition auf Bundes- oder Landesebene eingehen. Damit werde der antiextremistische Konsens gefährdet. Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Eckhard Jesse, Professur Politische Systeme, Politische Institutionen, Telefon 0371/531-27720…« Das Buch heißt »Die Linke – der smarte Extremismus einer deutschen Partei« und erschien im Münchner Olzog Verlag (288 Seiten, 24,90 Euro), der auf derselben Prospektseite Reklame für eine Neuauflage des pensionierten Rechtsaußengenerals Gerd Schultze-Rhonhof macht.
In Feierlaune
An der TU Chemnitz ist man nun fröhlich: 132 Euro für Hartz-IV-Menschen, komfortable Kampfstiefel auch für deutsche Soldaten und Aus für Ypsilanti. Das wurde und wird gefeiert. Am vergangenen Mittwoch unter dem Universitätsmotto »Studieren in Chemnitz. Wissen, was gut ist« beim »Dies academicus«. Dazu – bescheidenes Zeichen, daß man diese Universität kaufen kann – Freibier von »unseren Sponsoren«.
Heute beginnt im Zentralen Hörsaal- und Seminargebäude an der Reichenhainer Straße 90 das dreitägige Fest »15 Jahre WIWI-Fakultät« – »Wiwi« das heißt Wirtschaftswissenschaften und es ist angemessen, dies so abzukürzen. Es beginnt im Zentralen Hörsaalgebäude mit einem »Get together« und endet nach dem Festvortrag mit »Empfang & Gelegenheit zum wissenschaftlichen Meinungsaustausch« – am Buffet zwischen Professor Thießen und Hartz-IV-Empfängern.
Nur am Montag, beim Akademischen Festakt anläßlich der Einrichtung der Honorarprofessur »Innovationsmanagement in der Stahlindustrie« gibt es zwar Begrüßungsworte und Festvorträge vom Präsidenten der Wirtschaftsvereinigung Stahl und der Vorstandsvorsitzenden der Salzgitter AG und von VW – der Rektor darf auch was sagen. Aber Freibier und Buffet sind, soweit bekannt, da nicht vorgesehen.
Carmen Everts: Politischer Extremismus. Theorie und Analyse am Beispiel der Parteien REP und PDS, Berlin 2000, Weißensee Verlag, 362 S., 25 Euro
Otto Köhler ist freier Journalist sowie Autor von »Und heute die ganze Welt. Über die Geschichte der IG Farben« (Köln 1990) und »Rudolf Augstein. Ein Leben für Deutschland« (München 2003)
- Update 24./25. Nov.:
Neuer Job für Carmen Everts sorgt für Ärger
Die Berufung der SPD-Abweichlerin Carmen Everts auf einen Führungsposten bei der Landeszentrale für politische Bildung sorgt für Ärger in Wiesbaden. Die 41-jährige frühere Landtagsabgeordnete wird Anfang 2010 Leiterin des neu zugeschnittenen Referats "Diktaturforschung und Bildungsarbeit demografischer Wandel", wie die Landeszentrale am Dienstag mitteilte.
Der SPD-Abgeordnete Reinhard Kahl, der das Kuratorium der Landeszentrale leitet, sagte, die Entscheidung für Everts schade dem Image der Institution. Es bleibe der "fatale Eindruck", dass die Entscheidung für Everts "der Dank der Landesregierung für die von Everts mitgestaltete Intrige ist", die Ministerpräsident Roland Koch (CDU) das Amt gerettet habe.
Kochs Belohnung
Zu den Aufgaben der politischen Bildung gehört es, etwas gegen Politikverdrossenheit zu unternehmen. Was sich in der hessischen Landeszentrale für politische Bildung abspielt, ist genau das Gegenteil davon.
Zu offensichtlich ist Roland Kochs Belohnung für jene Abgeordnete, die ihm im vergangenen Jahr den Job in der Staatskanzlei rettete. Schon als die Stelle vor Monaten ausgeschrieben wurde, war für jeden, der lesen kann, zu erkennen: Hier wird ein Posten auf Carmen Everts zugeschnitten.
Es ist beschämend, dass nach Angaben von Insidern auch noch ihr Gehalt über dem liegt, was die anderen Referatsleiter der Landeszentrale erhalten.
SPD in Hessen: Abweichler fordert Ypsilantis Rücktritt
Die Hessen-SPD kommt nicht zur Ruhe: Partei-Rebell Jürgen Walter hat die hessische Landeschefin Andrea Ypsilanti zum Rückzug von der Spitze der Landtagsfraktion aufgefordert. Sie soll dem designierten Spitzenkandidaten Schäfer-Gümbel Platz machen.
(...) Es wäre aber einfacher für ihn, wenn Andrea Ypsilanti nicht so an ihren Ämtern kleben würde. Das würde seine Chancen erhöhen. Andrea Ypsilanti sollte Thorsten Schäfer-Gümbel noch vor Mittwoch den Fraktionsvorsitz antragen. Jürgen Walter (...) Ypsilantis Linkskurs habe die hessische SPD tief gespalten. Daran könne auch Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel wenig ändern: "Weil er weder den Landes- noch den Fraktionsvorsitz hat, wird es ihm schwerfallen, die Partei zu einen", sagte [Silke] Tesch. (Stern,15. Nov.)
Weil Schäfer-Gümbel sich in seinem bisherigen Politikerleben meistens in Städten wie Hungen aufgehalten hat, kennt ihn außerhalb des Landkreises Gießen kaum jemand. Das soll nun eine Brille ändern, mit der Schäfer-Gümbel glatt in einem Hollywood-Film als Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy auftreten könnte. Wenn es nach der hessischen SPD-Spitze geht, soll das Retro-Modell „Kuba-Krise“ im Wahlkampf positiv wirken - so wie das "Y" der Andrea Ypsilanti vor elf Monaten zu einer Art Pop-Symbol wurde. Frankfurter Allgemeine Zeitung (16. Nov.)
Nicht die Dissidenten, wohl aber die hessische Parteivorsitzende hätte ein Parteiordnungsverfahren verdient, weil sie ihre Partei zielstrebig demoliert hat. Klaus Bölling (Süddeutsche Zeitung, 17. Nov.)
Klaus Bölling - ehem. Regierungssprecher unter Helmut Schmidt
Es sollte zweimal nachgedacht werden, bevor man Entscheidungen trifft (...) Ich hätte es zum Beispiel begrüßt, wenn die Genossen in Hessen einen Moment länger überlegt hätten, wen sie bei der Neuwahl anstelle von Frau Ypsilanti an die Spitze stellen (...) Ich kenne Persönlichkeiten, die für die Spitzenkandidatur sehr geeignet gewesen wären. Otto Schily (Hamburger Abendblatt, 17. Nov.)
Kraut & Rüben: Geheimnisvolle Obstsorte in Hessen entdeckt
[E]ine unbekannte Folgefrucht namens Schäfer-Gümbel [ist] auf den Markt. Verbraucher rätseln, ob es sich dabei um Fallobst, eine taube oder harte Nuss handelt. DIE WELT (17. Nov.)
Bisher wurden Mitglieder ausgeschlossen, die sich inhumaner, totalitärer und geschichtsklitternder Auffassungen schuldig machten (...) Jetzt sollen Menschen die SPD verlassen, die nicht mit einer Partei zusammenarbeiten wollen, der es an Unrechtsbewusstsein mangelt und die Geschichtsklitterung betreibt. Das ist eine fundamentale Positionsänderung. Gunter Weißgerber (Leipziger Volkszeitung, 18. Nov.)
Gunter Weißgerber - Leipziger SPD-Bundestagsabgeordneter
Kopflos wird da oben reagiert. Warum gibt es nicht endlich Ruhe? (...) Ypsilanti hätte einen richtigen Schnitt machen müssen (...) Und nun wieder Wahlkampf, mit einem Spitzenkandidaten‚ aus der fünften Reihe, den keiner kennt. Carsten Frey (SPIEGEL online, 18. Nov.)
Carsten Frey - SPD-Vors. Niederdorfelde
-- cole younger, Leserartikel auf ZEIT ONLINE (19. Nov.): Andrea Ypsilanti - eine Hexenjagd zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Geradezu hysterisch fallen gegenwärtig z.B. die ZEIT, aber auch führende und vor allem ehemals führende Sozialdemokraten über die hessische SPD-Vorsitzende her. Was sind die Gründe?
Gerhard Schröder hat vor einiger Zeit davor gewarnt, die Agenda 2010 mit den 10 Geboten zu verwechseln, an Müntefering die Ermahnung gerichtet, sich nicht für Moses zu halten.*1)
Der Altkanzler, dessen Gespür für politische Stimmungen unbestritten ist, sprach hier einen wunden Punkt an: Die Selbstverleugnung, mit der sich die SPD selbst kasteit hat, um die gegen ihre innersten Überzeugungen gerichteten Sozialreformen, die in Wirklichkeit eher neoliberal begründbar sind, umsetzen zu können, hat, so mag es scheinen, zu deren Verklärung als einer fast religiösen Wahrheit geführt.
Abweichler - in der zeitgenössischen SPD waren hiermit zunächst jene Bundestagsabgeordneten wie Ottmar Schreiner, Sigrid Skarpelis-Sperk oder Klaus Barthel gemeint, die Widerspruch gegen die Reformen anmeldeten, sich aber nicht durchsetzen konnten, ihre Vorschläge wurden schliesslich im Vermittlungsausschuss auf Drängen der Union über Bord geworfen.
Fast spiegelbildlich verhalten sich hierzu die "Abweichler" dieser Tage. Während in Hessen in Andrea Ypsilanti eine der seinerzeitigen Kritikerinnen der Hartz-Gesetze an der Spitze der Partei steht, befinden sich die vier Abgeordneten, die ihr die Wahl zur Ministerpräsidentin verweigert haben, innerhalb ihres Landesverbandes in der Minderheit. Anders als seinerzeit im Bund findet sich jedoch in Hessen keine starke Opposition, die helfen könnte, sie niederzustimmen, im Gegenteil, sie erfreuen sich der Unterstützung der Parteiführung und vor allem der Ex-Minister aus der Schröderregierung. Deren Interventionen der letzten Tage lässt auch die Berufung der vier auf ihr Gewissen als Grundlage für ihre Entscheidung eher in den Hintergrund treten, die Berliner Führung vermittelt zunehmend das Bild eines Machtkampfs innerhalb der SPD.
"Ein anderer Teil der SPD will sich gar mit ihrem schlimmsten Feind ins Bett legen, wie Andrea Y., die in ihrer Wahrheitsliebe nur noch von Pinocchio übertroffen wird" - das ist Josef Joffe, Zeit-Herausgeber, Anfang September 08, hier http://www.zeit.de/2008/37/Zeitgeist-3...
Da ist schon fast alles drin, dessen es zu einer zünftigen Hexenjagd bedarf: Die sexuelle Konnotation, "ins Bett legen", aus der im weiteren Verlauf das in Kommentaren immer häufiger zu hörende "machtgeil" wird, das Nicht im Besitz der Wahrheit sein, die ihren Kritikern, unter ihnen Joffe vorbehalten zu sein scheint - und den "schlimmsten Feind".
Als Gottseibeiuns der SPD kann man wohl getrost Oskar Lafontaine bezeichnen, einst ihr Vorsitzender, heute, glaubt man Altkanzler Schmidt, ein Demagoge, so bezeichnet in einem Atemzug mit Hitler.
Und in dieser Nähe soll sich Ypsilanti befinden? Hexenjagd - den Begriff hat Bölling in der SZ beigesteuert, er bezog ihn allerdings auf die vier Abgeordneten in Hessen, von denen sich einer so stark fühlt, dass er zum wiederholten Male öffentlich den Rücktritt Ypsilantis fordert.
Nein, offensichtlich verschwimmen hier, und das ist typisch für eine Projektion - die Hexe als lustvolles, verderbtes Weib, als Sinnbild des Bösen, das vernichtet gehört - die Begriffe.
Kaum jemand, vor allem nicht aus der CDU, greift schon im Vorfeld den designierten hessischen Spitzenkandidaten Schäfer-Gümbel so an, wie es seine eigene Partei ausserhalb Hessens tut. Das gibt schon zu denken.
Angefangen hat die Geschichte übrigens mit einer ähnlichen Intervention Wolfgang Clements, kurz vor der Wahl in Hessen. Die Ironie dabei: Ohne diese Intervention hätte Ypsilanti vermutlich die Mehrheit für eine rot-grüne Koalition ohne die Linke, aber mit einem Scheer, zusammen gekriegt. Das wollte der ehemalige Minister und heutige Lobbyist offenbar unbedingt verhindern, sogar den Parteiausschluss hat er dafür riskiert...
Vielleicht verhält es sich auch alles ganz anders: Vielleicht sind es ja Müntefering, Steinmeier und Steinbrück, die Agenda-Clique, die in der SPD keine Mehrheit mehr haben. Die hessischen Verhältnisse wären dann ein Abbild der wahren Gemütslage der SPD? Dafür spräche, dass Leute, die gute oder hervorragende Wahlergebnisse einfahren - Kurt Beck, und auch eben Ypsilanti - zum Teufel gejagt werden, während die Verlierer genüsslich räsonieren, wohin sie denn jetzt treibe, die Partei. Oder mal eben die Heulsusen zusammenstauchen und in Gutsherrenart das Werktor-Prinzip verteidigen.
Vor allem spricht dafür die Wucht der Angriffe aus der SPD selbst: Die dürfte sich umgekehrt zur vermuteten Stärke der eigenen Position verhalten.
Ypsilanti hat sich ihre Linie geduldig auf allen Ebenen der Partei nach Diskussionen bestätigen lassen, ein durch und durch demokratisches Vorgehen. Wäre die Agenda 2010 so, und nicht hinter verschlossenen Türen, erarbeitet worden, wäre sie vermutlich ein Erfolg geworden, und nicht das, wofür sich die SPD am meisten schämt.
Es ist unwürdig, dass sich Wut und Häme in derart unflätiger und ungezügelter Form über eine Politikerin ergiesst, die in erster Linie versucht hat, ein Wahlprogramm und damit Inhalte in Landespolitik umzusetzen.
Innerhalb der SPD kann sich das nur so aufschaukeln, weil der Blick in den Spiegel, angesichts des Nicht-wahr-haben-Wollens der verfehlten Sozial- und Wirtschaftspolitik der Schröder Jahre, nicht auszuhalten zu sein scheint.
*1) Interessant auch, welche Rolle Schröder sich selbst, bleibt man im Bild, zuschreibt. Moses war's jedenfalls nicht, der für den Inhalt der Tafeln verantwortlich zeichnete...
Wahlkampf: Koch lehnt Fernseh-Duell mit Schäfer-Gümbel ab
Wiesbaden. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lehnt im kommenden Landtagswahlkampf ein Fernseh-Duell mit seinem Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) ab.
Dies teilte CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg mit. Er begründete dies unter anderem mit Rücksicht auf die FDP, mit der Koch koalieren will. Anders als vor einem Jahr verteidige die Union diesmal keine absolute Mehrheit, erklärte Boddenberg. (19. Nov.)
-- Die Tageszeitung (22. Nov): Unverträglich sture Frauen
Was uns in der Tat nicht geholfen hat, waren die Ereignisse von Hessen (...) Das hat natürlich nicht nur Folgewirkungen in der öffentlichen Diskussion, damit müssen wir uns auch innerparteilich beschäftigen. Frank-Walter Steinmeier (ZDF, 23. Nov.)
Politischer Exorzismus
Derzeit laufen in der Sozialdemokratie einige Ausschlussverfahren – gegen den früheren Minister Clement und gegen vier hessische Abgeordnete. Das schafft kein Vertrauen, im Gegenteil.
Die SPD beansprucht, Partei der Freiheit zu sein. Kann man dem trauen, wenn rausgeworfen werden soll, wer seine Meinung äußert oder eine Gewissensentscheidung trifft? Das ist politischer Exorzismus, er gefährdet die Volkspartei SPD.
Dort wollen einige die unverzichtbare Solidarität ersetzen durch blinde Gefolgschaft und die nüchterne Vernunft durch inbrünstiges Glauben. Letzteres ist vielleicht etwas für Religionen, in der Politik ist das gefährlich.
Deshalb ist das Ganze ein Fall für Führung: Die SPD kann in Deutschland nicht überzeugen, wenn jeder Landesverband unterschiedliche und fundamental widersprüchliche Politik präsentiert, wie in Hessen (...) Rudolf Scharping (Bild am Sonntag, 22. Nov.)
Rudolf Scharping - Frankfurter Zukunftrat (siehe auch hier und hier) und Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation GmbH (mit Partnern wie Roland Berger Strategy Consultants)
• Wolfgang Clement ist ein überzeugter Sozialdemokrat. Wir brauchen ihn dringend in unseren Reihen. Rainer Wend - wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Rainer Wend - u.a. im Aug. 2003: Das wenige Geld, das da ist, darf man nicht in erster Linie in Rentenerhöhungen stecken (...) Ein späteres Renten-Eintrittsalter ist alternativlos. 2004 Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, im Dez. 2008 Gelungenes Politikerrecycling
• Die Losung des Tages heißt: Klar kommt raus. Clement bleibt drin! Thomas Oppermann - Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion
• Wolfgang Clement ist weiterhin Mitglied der SPD. Hubertus Heil - SPD-Generalsekretär
• SPD-Ausschlussverfahren: Clement wehrt sich gegen Rüge
Clement äußerte sich umgehend. Er halte die Rüge für "unangemessen und falsch". Dem Düsseldorfer "Handelsblatt" sagte der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident: "Es bleibt dabei, die Energiepolitik der hessischen SPD ist falsch und in einem Industrieland nicht zu verantworten", sagte Clement im Anschluss an die Urteilsverkündung. "Ich werde mich auch in Zukunft an der Debatte beteiligen." Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kein Ausschluss aus SPD - Clement rügt Rüge
(SPD-Generalsekretär Hubertus) Heil sprach von einer "angemessenen und vernünftigen Entscheidung". Sie zeige, dass die Meinungsfreiheit in der SPD umfassend gewährleistet sei. "Zugleich gilt jedoch auch der Grundsatz der innerparteilichen Solidarität", erklärte Heil. Nordrhein-Westfalens SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft begrüßte die Entscheidung ebenfalls. "Es ist gut, dass sich beide Seiten bewegt haben und dass so ein Kompromiss gefunden werden konnte." Tagesschau
Hannelore Kraft - ehem. Ministerin im Kabinett Clement II und Kabinett Steinbrück, seit Ende 2006 Landesvorsitzende der SPD-Nordrhein-Westfalen
Wolfgang Clement, 25. Nov.:
An den SPD-Parteivorstand. Büro Müntefering
Hiermit erkläre ich mit Wirkung vom heutigen Tag meinen Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Die Gründe dafür sind erstens die  Entscheidung der Bundesschiedskommission, die meint, die Wahrnehmung des  Grundrechts auf Meinungsfreiheit mit einer öffentlichen Rüge drangsalieren zu sollen, zweitens die Tatsache, dass die SPD-Parteiführung zugleich keinen klaren Trennungsstrich zur PDS/Linken zieht, sondern sogar - in den Ländern - zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei ermuntert, obgleich deren Stasi-Verstrickung offenkundig ist, und drittens eine Wirtschaftspolitik treiben läßt, die - wie der IGBCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt soeben wieder warnend hervorgehoben hat - auf eine De-Industrialisierung unseres Landes hinausläuft.
Ich bedauere sehr, diesen Schritt, zu dem ich mich nach gründlicher Abwägung entschlossen habe, tun zu müssen. An den weiteren Diskussionen und Auseinandersetzungen um die hier angesprochenen Fragen werde ich mich - nunmehr als Sozialdemokrat ohne Parteibuch - nach Kräften beteiligen.
Ein schriller Abgang
Ja, man kann es gut verstehen, dass Wolfgang Clement getan hat, was er getan hat, die SPD zu verlassen. Denn es kann jemandem, der Realitätssinn hat, ganz und gar nicht gefallen, was dieser Tage in und mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands geschieht.
Um mit einem peripheren, aber doch bezeichnenden Biotop zu beginnen: Was sich die Partei Willy Brandts zuletzt in Hessen geleistet hat, muss jedem in Taktik Erfahrenen, aber auch jedem Sozialdemokraten, der sich in der antitotalitären Tradition der Partei sieht, die Zornesröte ins Gesicht treiben... Welt online
• Ich bin schon überrascht - da hätte man sich den monatelangen Zirkus sparen können. Franz Maget - Vorsitzender der bayerischen SPD-Landtagsfraktion
Abweichlerin Tesch erwägt keinen Austritt
Kassel. Die hessische SPD-Abweichlerin Silke Tesch erwägt bisher keinen Austritt aus der SPD. Im Gespräch mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung antwortete sie auf die Frage, ob sie dem Beispiel von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement folgen und die SPD verlassen werde: Da müsste es schon ein bisschen dicker kommen. An so einen Schritt verschwende sie keinen Gedanken. Er komme für sie nicht infrage.
(...) Für Clements Verhalten äußerte Tesch Verständnis: "Ich kann nachvollziehen, dass Clement nicht eine Rüge für etwas akzeptiert, was seine Überzeugung ist. Die Ausrichtung der SPD zu den Linken widerspricht ihm zutiefst." (dpa)
-- Klaus Stuttmann
Da freust Du dich morgens beim Aufstehen, bist bester Laune. Dann liest Du in der Zeitung "Ypsilanti" – und denkst sofort: Boah, nee...! Karl-Heinz Funke - Kabinett Schröder I, II und III in Niedersachsen, anschl. Bundeslandwirtschaftsminister im Kabinett Schröder I (BILD, 27. Nov.)
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Updates Dez. 2009/Jan. 2010:
OOWV will Funke-Affäre aufarbeiten
Wesermarsch. Bei Jürgen Focke, stellvertretender Vorsteher des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes (OOWV), klingelte das Telefon gestern im Minutentakt. Medienvertreter aus ganz Norddeutschland wollten von ihm Einzelheiten zu der Affäre um Karl-Heinz Funke wissen. Wie berichtet, hat sich der bisherige Verbandsvorsteher vom OOWV eine private Feier mit 8000 Euro finanzieren lassen.
Im September 2007 feierten Petra und Karl-Heinz Funke im Saal einer Kuranlage in Dangast ihre Silberhochzeit. Bezahlt hat das Fest weitgehend der OOWV, an dessen Spitze Funke noch bis zum vergangenen Wochenende stand. Inzwischen hat der Vorsteher seinen Hut genommen. (...)
Der 63-jährige Karl-Heinz Funke saß von 1978 bis 1998 für die SPD im Niedersächsischen Landtag, war niedersächsischer Landwirtschaftsminister und gehörte anschließend unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder der Bundesregierung an - wiederum als Landwirtschaftsminister. 2003 wurde er Vorsteher des OOWV, der seinen Sitz in Brake hat und auch die Wesermarsch mit Trinkwasser versorgt.
Der Posten des Verbandsvorstehers ist ein Ehrenamt, für dessen Ausübung der OOWV eine Aufwandsentschädigung bezahlt. Die Summe von 60 000 Euro, die gestern öffentlich bekannt wurde, kann der stellvertretende Verbandsvorsteher Jürgen Focke indes nicht bestätigen. "Nicht annähernd die Hälfte", lautet seine Antwort auf die Frage, wie viel Karl-Heinz Funke tatsächlich im Jahr kassiert hat. Ein stattlicher Betrag dürfte es demnach gleichwohl gewesen sein, den der Verband seinem Vorsteher jährlich überwiesen hat.
Einen Dienstwagen konnte der Dangaster ebenfalls kostenlos nutzen. Allerdings nur, wenn er für den OOWV unterwegs war, schränkt Jürgen Focke ein. Wenn Karl-Heinz Funke den Wagen für private Fahrten genutzt hat, sei das ganz regulär abgerechnet worden.
Ungeklärt bleibt derweil, wie es zu der Bezuschussung der Silberhochzeitsfeier der Eheleute Funke durch den OOWV kommen konnte. Von einem entsprechenden Vorstandsbeschluss aus alten Tagen, auf den sich der Ex-Vorsteher beruft, weiß der amtierende Vorstand, wie berichtet, nichts. Die Angelegenheit soll jetzt innerhalb der Gremien aufgearbeitet werden. (gl)
SPD geht in Affäre um Silberhochzeit auf Distanz zu Funke
SPD-Fraktion verschafft Ex-Minister Funke Luft
Fraktionschef Alfred Müller teilte mit, dass die SPD-Fraktion Karl-Heinz Funke nicht dazu auffordern wird, seine Ämter niederzulegen.
Der Kurs mit Frau Ypsilanti hat religiöse Züge. Dagmar Metzger (DIE WELT , 28. Nov.)
Rücktrittsforderungen gegen Ypsilanti
Mitglieder des rechten SPD-Flügels in Hessen haben die Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti zum Rücktritt aufgeordert... (DIE ZEIT, 29. Nov.)
-- NachDenkSeiten (5. Dez.): Ein Blick hinter die Maschen des JBK
Schäfer-Gümbel mache als Spitzenkandidat „seine Sache gut“, sagte (SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Peter) Struck. Unabhängig vom Wahlausgang sprach sich Struck für eine größere Rolle Schäfer-Gümbels in der hessischen SPD aus. Dieser sei „ein eigener Kopf und unabhängig von Andrea Ypsilanti. Er ist ein selbstbewusster Spitzenkandidat.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Dez.)
Die hessische CDU kritisierte, Strucks Äußerungen seien nichts als Schaumschlägereien, solange die Berliner Parteiführung Frau Ypsilanti in Hessen an der Parteispitze lasse. Schäfer-Gümbel sei „Ypsilantis Marionette, denn sie hat als Partei- und Fraktionschefin weiterhin alle Fäden in der Hand“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Axel Wintermeyer. Parteichef Franz Müntefering müsse in der hessischen SPD aufräumen. (Frankfurter Allgemeine Zeitung (7. Dez.)
Kritik und Kunst (8. Dez.): Ypsilanti-update
(...) Es ist nur noch unterirdisch.
Nehmen Sie bitte diesen FAZ-Bericht. Selbst die 4 Edelhessen (edit: 3 von ihnen, Dagmar Metzgers Stellungnahme fehlt noch) räumen inzwischen ein, dass selbstverständlich kein Druck ausgeübt worden ist, sondern es sich wohl im wesentlichen um Scherze beim Mittagessen handelte. Mit anderen Worten: Es existiert überhaupt kein Skandal. Aber schon wird, wie immer, wenn man mobbt, das Gerücht als Tatsache gehandelt. Schon untertitelt die FAZ ein Ypsilanti/Schäfer-Gümbel-Foto mit den Worten:
In Erklärungsnot: Ypsilanti und Schäfer-Gümbel.
-- Klaus Stuttmann (9. Dez.)
Ex-Staatssekretär Christoph Kulenkampff trat aus der SPD aus „Selbst Koch kann's besser“ — Abrechnung mit Ypsilanti
So klare Worte hat bisher keiner gewagt. Christoph Kulenkampff (61), ehemaliger Staatssekretär und damals als Generalstaatsanwalt Hessens oberster Ankläger, rechnet mit Andrea Ypsilanti ab.
„Ich bin aus der SPD ausgetreten. Nach 37 Jahren in der Partei – genauso lange wie ich verheiratet bin – hatte ich die Schnauze voll“, sagt Kulenkampff. „Wie sich Frau Ypsilanti sofort nach der Wahl schon als Ministerpräsidentin sah. Da hat sie ihren Erfolg sofort mit dem Hintern umgeworfen. Wie sie Parteichef Beck in den Untergang zog und dann die Sache mit der Darmstädter Abgeordneten Frau Metzger – so geht man nicht mit Genossen um.“
Kulenkampff erklärte in einem Brief an Bezirkschef Grumbach seinen SPD-Austritt und bekam einen „Formbrief mit eingescannter Unterschrift von der Geschäftsstelle“ zurück.
Der Ex-Staatssekretär erinnert sich an goldene SPD-Zeiten: „Damals gab es noch Persönlichkeiten und gegenseitigen Respekt. Jetzt ist es ein Segen Gottes, dass Ypsilanti und ihre Helfershelfer nicht regieren. Und obwohl ich Koch nicht leiden kann, muss ich sagen: Der kann‘s besser!“
Auch nach seinem Austritt sieht er keinen Trend zur Besserung: „Wenn Ypsilanti als Fraktions-Chefin den Gegenwind nicht spürt, ihren Gegner Walter nicht einbindet, dann hat sie keinen politischen Instinkt, ist eine Dilettantin oder eine Autistin, die ihre Umwelt nicht mehr wahrnimmt.“
Kulenkampffs Fazit: „Ich müsste mich ja schämen, mit so einer Laienspielschar noch in einer Partei zu sein.“ BILD (10. Dez.)
Christean Wagner: „Der Exodus bei der SPD geht weiter!“ – Ypsilanti verprellt prominente SPD-Mitglieder
Als „außerordentlich bemerkenswerten Vorgang“ hat der Fraktionsvorsitzende der CDU im Hessischen Landtag, Dr. Christean Wagner, die Tatsache bezeichnet, dass der ehemalige Staatssekretär Christoph Kulenkampff seinen Austritt aus der SPD erklärt hat. Kulenkampff, ein enger Vertrauter des langjährigenhessischen Innen- und Justizministers Dr. Herbert Günther, habe, so die BILD-Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe, mit deutlichen Worten Kritik an Frau Ypsilanti geübt. Wörtlich sagte er: „Jetzt ist es ein Segen Gottes, dass Ypsilanti und ihre Helfershelfer nicht regieren. Wenn Ypsilanti als Fraktions-Chefin den Gegenwind nicht spürt, ihren Gegner Walter nicht einbindet, dann hat sie keinen politischen Instinkt, ist eine Dilettantin oder eine Autistin, die ihre Umwelt nicht mehr wahrnimmt.“ Wagner stellte fest: „Der Exodus bei der SPD geht weiter. Ypsilanti verprellt sogar prominente Parteimitglieder. Kritische Mitglieder wie Clement werden entweder systematisch aus der Partei vertrieben oder verlassen diese Partei freiwillig, wie jetzt auch Herr Kulenkampff. Eine Partei, so Wagner weiter, müsse in einer Demokratie eine innerparteiliche Diskussion ertragen. „Diskussion ist schließlich das ureigenste Wesen der Meinungsbildung in der Politik. Diese Fähigkeit ist der SPD mittlerweile abhanden gekommen“, sagte Wagner abschließend. Hessen-CDU
Forsa-Chef: "Kotzbrocken" schadet SPD
Das werden die Sozialdemokraten nicht gern hören: Forsa-Chef Manfred Güllner hat der SPD in Schleswig-Holstein zu einem Austausch ihres Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl 2010 geraten. Ralf Stegner werde von den Wählern als "Kotzbrocken" wahrgenommen. (29. Dez.)
Die politischen Verlierer 2008
Aus dem Herzen der Hauptstadt kommt Café Einstein, das neue Web-TV-Format auf stern.de. Heute im bekannten Polit-Treffpunkt "Unter den Linden": Forsa-Chef Manfred Güllner über das politische Jahr 2008 (29. Dez.)
Manfred Güllner - SPD-Mitglied, Agenda 2010-Verfechter und Schröder-Vertrauter im Doppelpassspiel mit Hans-Ulrich Jörges (I, II, III, IV)
2009
-- Zeitgeist (17. Jan.): Der tolle Roland Koch
Am Sonntag sind in Hessen Wahlen. Wieder einmal. Da Andrea Ypsilanti weder von den Medien noch von ihrer eigenen Partei Rücken- deckung bekommen hatte, wird eben solange gewählt, bis der Schmierfink der CDU, Roland Koch wieder an der Macht ist. Rücksichtslose Karrieristen und keine neuen Ideen oder Alternativen brauchen wir schließlich in der Bananenrepublik Deutschland. So wie Ypsilanti nieder geschrieben wurde, so wird Koch nun reichlich hoch geschrieben. Ganz vorne mit dabei: der Stern. (...)
Auch SpiegelOnline zeigt sich als glühender Koch-Verfechter. Schließlich stehe der CDU-Mann in Hessen vor einem klaren Wahlsieg. (...)
Dass die Blöd-Zeitung den schwarzen Roland wegen seiner Ausländer-Hetze schätzt, beweist sie auch diesmal wieder in zwei Interviews von Anfang Januar 2009 zur kommenden Hessen-Wahl. Hier und hier nachzulesen.
Im Handelsblatt darf der Koch-Biograf Hajo Schumacher in einem Interview seinen Herren loben und ihn in den Himmel schreiben: »ich gehe von einem Sieg für Roland Koch aus und der wird: geschäftsmäßig, glanzlos und glücklich«. Außerdem  »wünschen sich viele Koch in Berlin, weil er als vernünftiger Finanzpolitiker gilt« . Wer eine Parteispenden-Affäre erfolgreich aussitzen kann, gilt wohl als »erfolgreicher Finanzpolitiker«?
Wenn Koch am Sonntag in Hessen einen Sieg einfährt, ist dies vor allem auch der monatelangen Anti-Ypsilanti Kampagne (»Wortbruch«) der bürgerlichen Presse zu verdanken.
18. Jan.: "Neuwahl"
Steinbrück fordert Ypsilantis Rücktritt
SPD-Vize Peer Steinbrück hat der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti am Tag der Landtagswahl in Hessen den Rücktritt nahegelegt. Sie solle endlich Konsequenzen aus ihrem Scheitern ziehen - und den Weg freimachen. (FOCUS)
-- Klaus Stuttmann
-- ad-sinistram: De dicto
Verfahren eingestellt: Metzger bleibt in SPD
Dagmar Metzger kann SPD-Mitglied bleiben. Das Ordnungsverfahren gegen die frühere Darmstädter SPD-Abgeordnete wurde nach hr-Informationen eingestellt.
-- WEISSGARNIX (19. Jan.): Wir machen den Weg frei!
Heute fehlt nur die Forderung nach dem Rücktritt von Kurt Beck - und man hätte einen Schuldigen für das grandiose Wahlergebnis der SPD gehabt. Merkwürdigerweise verlangt aber niemand der so Beck kritischen Kollegen den Rücktritt von Franz Müntefering und Frank Walter Steinmeier. Obwohl beide zu Spezialisten für historische Tiefstände geworden sind: Erst in Bayern und nun in Hessen. Dafür darf sich Frau Metzger mit sofortiger Wirkung auf ihr Gewissen berufen ...
-- Klaus Stuttmann
Zu Recht erregte sich die Publizistin Brigitte Seebacher, letzte Ehefrau der SPD-Legende Willy Brandt, über Wowereits wohlfeilen Hinweis auf die Entscheidungsfreiheit der SPD-Landesverbände. Denn selbstverständlich* hätte eine souveräne SPD-Spitze im Bund den Kamikaze-Kurs der machtversessenen Ypsilanti-Sekte rechtzeitig verhindert. SPIEGEL online (19. Jan.) zu Anne Wills Talkshow "Hessen hat gewählt - Vorentscheidung für den Bund?"
* Auf Betreiben von Brigitte Seebacher-Brandt wurde zu Willy Brandts Tod dessen zweite Ehefrau und Mutter seiner drei Söhne, Rut Brandt, vom Staatsakt und von der Beisetzung ausgeladen.
1995 trat Brigitte Seebacher-Brandt aus der SPD aus und schrieb später über Willy Brandt eine "Biographie", die u.a. Dieter Hildebrandt mit "Meine Witwe würde mich niemals gegen mich verwenden!" entsprechend kommentierte.
Was wurde schon für ein Schindluder mit dem Erbe von Willy Brandt betrieben ... wir ersparen uns, darauf weiter einzugehen; der politische Ekel zum vollzogenen Polit-Inferno 2008/2009 gebietet es aber, zumindest auf zwei aufRECHTE Paradebeispiele wiederholt hinzuweisen:
• Wenn sich der Parteivorsitzende (Kurt Beck) seiner Kanzlerkandidatur nicht sicher ist, kann er auf das Mittel zurückgreifen, das einem seiner Vorgänger, Rudolf Scharping, in der Stunde politischer Not zur Verfügung stand: Er kann sich in einer Mitgliederumfrage zur Wahl stellen (...) So viel Demokratie muss in Willy Brandts SPD gewagt werden. Michael Naumann (Die Zeit, 27. März 2008)
Michael Naumann - (beim Leben seiner Kinder) SPD-Spitzenkandidat und Wahlverlierer von Hamburg
• Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Partei Willy Brandts so gering geschätzt wird. Das war undenkbar für mich. Wolfgang Clement (Kölner Stadt-Anzeiger, 2. Aug. 2008)
Wolfgang Clement - INSM-Mitglied, dessen Austritt erst erfolgte, nachdem ihn Schröder nach Berlin berief. Nachdem Clement (gemeinsam mit Schröder/ianern, Union & FDP) den fortschrittl. Arbeitsmarkt verwüsten ("reformieren") konnte und darauf (nach den sog. "vorgezogenen Neuwahlen") wider Erwarten nicht in das Merkel-Schröderianer-Kabinett eingebunden wurde, wurde W. Clement umgehend Experte im weltweit größten Unternehmen, das mit "Arbeitnehmer"n handelt - der (Zeitarbeit) Adecco SA. - Und weil dieser sozialdemokr. Wer(t)degang noch immer nicht "ausgereizt" sein konnte, 2008 auch Mitbegründer des sog. Frankfurter Zukunftsrat (Infos auch hier und hier), der bspw. mit seinem "Philosophen" Peter Sloterdijk die Gesellschaft dahingehend (weiter) "reformieren" will, dass eine zementierte Bananenrepublik Deutschland allenfalls noch durch "großzügige" (quasi gönnerhafte) Spenden "gestalten" kann ...
(Karin Clement - vermutlich nicht nur eine glühende Sozialdemokratin sondern auch eine herausragende "Erbin Willy Brandts")
18.21 Uhr: Ypsilanti wirft alles hin
21 Minuten nach Schließung der Wahllokale in Hessen war die Ära Andrea Ypsilanti (51, SPD) endgültig beendet: „Ich erkläre meinen Rücktritt!“
Punkt 18 Uhr: Gebannt starren 100 Genossen im SPD-Fraktionssaal des Landtags auf die TV-Monitore. Die Luft ist zum Schneiden: Sauna-Temperaturen durch die vielen Scheinwerfer, Kameralampen.
Der schwarze Balken für die CDU flimmert über die Schirme. Weit unter 40 Prozent, Riesenjubel, tosender Applaus. Doch nur 2 Sekunden später völlige Ernüchterung bei den Roten: Die SPD stürzt böse ab...
18.17 Uhr: „Ypsi“ und „TSG“ kämpfen sich durch die Masse. Blitzlichtgewitter, Geschubse, Beifall, „TSG“-Rufe.
Andrea Ypsilanti klettert auf das Podium, ist kaum zu sehen: „Geht mal einen Stock tiefer“, herrscht sie die Fotografen an. Sie schaut blass aus, ermüdet.
Die 51-Jährige spricht fünf Minuten lang: „Das Ergebnis ist eine schwere Niederlage für die hessische SPD. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Die hessische SPD wird ihre Rolle als Oppositionspartei offensiv annehmen.“
Dann die entscheidenden Sätze: „ZUGLEICH ÜBERNEHME ICH DIE POLITISCHE VERANTWORTUNG FÜR DIESES ERGEBNIS UND ERKLÄRE MEINEN RÜCKTRITT ALS FRAKTIONS- UND LANDESVORSITZENDE!“
Punkt! Aus! Schluss!
Es scheint, als würde ihr designierter Nachfolger, Thorsten Schäfer-Gümbel, an ihrer Seite kurz lächeln. Er trägt statt der üblichen roten Krawatte diesmal eine lilafarbene.
Ypsilantis politische Karriere ist beendet und ihr „Kronprinz“ schaut sofort nach vorne: „Das Ergebnis ist eine große Herausforderung an uns Sozialdemokraten – und die Aufholjagd beginnt schon morgen!“ BILD (19. Jan.)
Solidaritätsinitiative F AY R für Andrea Ypsilanti
Mit der überparteilichen Bündnisinitiative F AY R beziehen wir Stellung:
Für Andrea Ypsilanti und den von ihr angestrebten Richtungswechsel in der Politik
Wir machen unsere Solidarität für Andrea Ypsilanti öffentlich sichtbar.
Nach dem schlechten Wahlergebnis der SPD in Hessen haben alle Medien und leider auch die Bundes-SPD schnell die Schuldige gefunden.
Nach der "Hexenjagd" des vergangenen Jahres folgt nun in medialer Eintracht die öffentliche politische Hinrichtung von Andrea Ypsilanti.
Wir sind nicht bereit, uns dafür als schweigendes Publikum benutzen zu lassen, sondern wollen versuchen mit dieser Initiative einer Gegenöffentlichkeit Gehör zu verschaffen.
Wir schweigen nicht, auch wenn wir aus den Erfahrungen des letzten Jahres wissen, wie schwer dies gegen die mediale Übermacht ist.
Wir stellen unseren Respekt, unsere Sympathie und Solidarität der Welle von Diffamierungen, Feindseligkeiten und Schuldzuweisungen entgegen
Unsere Wertschätzung gilt insbesondere dem Mut und der Aufrichtigkeit von Andrea Ypsilanti, die trotz aller Anfeindungen und persönlicher Konsequenzen ihre politischen Inhalte nicht aufgibt und an einer Politik festhält, die sich an den Interessen von Menschen und Umwelt orientiert, anstatt an neoliberalen Wirtschaftsinteressen.
Oft wurde diese Unbeirrbarkeit in den letzten Monaten als taktisch unklug oder gar dumm bewertet und kritisiert. Wir finden diesen Vorwurf sehr bedenklich und irritierend. Diejenigen, die Politiker und Politikerinnen sonst scharf kritisieren, wenn sie ihre politischen Inhalte aufgeben, um weiter an der Macht beteiligt zu sein, werfen jetzt Andrea Ypsilanti vor, dass sie gerade das nicht tut, sondern dass ihr der Inhalt ihrer Politik wichtiger ist als persönliche Machtbeteiligung?!
Sie hat zum einen mit ihrem Politikansatz der "Sozialen Moderne" einflussreiche Wirtschaftsinteressen insbesondere im Energiebereich bedroht und zum anderen durch ihr selbstbewusstes Auftreten als Frau Männerbündnisse auch innerhalb der SPD gegen sich aufgebracht.
Dafür soll sie den hohen Preis nicht nur ihrer politischen Karriere, sondern auch ihrer persönlichen Würde bezahlen.
In einer beispiellosen Rufmordkampagne wurde sie losgelöst von allen politischen Inhalten auf das gebrochene Wahlversprechen reduziert, obwohl sie für die Duldung durch die Linkspartei ihre inhaltlichen Wahlversprechen nicht verändert hat.
Akribisch wurde nach Fehlern oder Fehlverhalten, die es - wie bei jedem Menschen - zweifellos gab, gesucht, um diese medial auszuschlachten.
Gezielt wurden Gerüchte, Halbwahrheiten, Unterstellungen und unüberprüfbare Behauptungen gestreut und als Wahrheiten verkauft.
Ivan Nagel schrieb schon im März in einem Gastkommentar der FR: "Eine solche Seuche des Hasses ... wurde hierzulande seit den Dutschkejahren nicht mehr entfesselt."
Durch das ständige Wiederholen immer gleicher Botschaften in fast allen Medien wurde ein Zerrbild von Andrea Ypsilanti erzeugt, das mit der Realität nichts mehr zu tun hat.
Wir haben diese Kampagne sehr genau beobachtet und recherchiert und können zahllose Beispiele für Realitätsverdrehungen aufzeigen.
Die Kampagne hat im Laufe der Monate ein hohes Maß an Hysterie, Feindseligkeit, Frauenfeindlichkeit und Hass geschürt, so dass jede Beleidigung, jede Demütigung und jeder Angriff auf Andrea Ypsilanti gerechtfertigt zu sein scheint.
Das gipfelte darin, dass das menschlich unerträgliche Verhalten der drei "Gewissensmenschen" nach anfänglich sachlicher oder sogar kritischer Berichterstattung plötzlich bejubelt und als Heldentat gefeiert wurde und wird.
In der öffentlichen Berichterstattung werden nicht mehr sie für das angerichtete Desaster verantwortlich gemacht, sondern Frau Ypsilanti.
Es ist zynisch, Andrea Ypsilanti jetzt die Schuld für den Erfolg der gegen sie gerichteten Kampagne zuzuschieben.
Gleichzeitig ist es typisch für die Struktur solcher Kampagnen, die in Deutschland zurzeit Schule machen, um unbequeme Menschen aus einflussreichen Positionen zu entfernen und fertig zumachen.
Die ausgeübte Gewalt in solchen Kampagnen ist subtil, wenig sichtbar und greifbar und es ist deshalb schwer, sich erfolgreich zu wehren.
Wir lehnen solche Kampagnen, als Mittel politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen ab und stellen uns dem Erfolg der Kampagne gegen Andrea Ypsilanti in den Weg.
Wir wünschen uns, dass die vielen Menschen, die im letzten Jahr in Erscheinung getreten sind und sich z.B. vor dem 3.11. auf der Politikwechselseite solidarisch erklärt haben, trotz aller Enttäuschung und Resignation noch einmal aufstehen, sich zusammenschließen und sich sichtbar an die Seite von Andrea Ypsilanti stellen. (...)
Herr Bundesfinanzminister (Peer Steinbrück), weil Sie gerade lächeln – das ist immer so schön –, nun zu Ihnen. Kürzlich hatten Sie die Ehre, vom Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2008 in der New York Times erwähnt zu werden.
Er hat einen wunderbaren Artikel über die ökonomischen Konsequenzen der Politik des Herrn Steinbrück geschrieben und Ihre Fehler erläutert; anscheinend lesen Sie solche Artikel aber nicht, oder sie gehen einfach an Ihnen vorbei. Zum Schluss seiner Ausführungen hat der Autor geschrieben, dass Sie holzköpfig und dumm seien. "Boneheadedness" hat er Ihnen vorgeworfen. Wenn ein Nobelpreisträger der Nationalökonomie einen solchen Vorwurf äußert, dann sollte man zumindest einmal kritisch in sich blicken und sich fragen, ob man nicht gravierende Fehler gemacht hat.
"Boneheadedness" – dieses Wort wird Ihnen in den nächsten Jahren an der Backe kleben. Das ist ein wunderbarer Begriff, um Ihre Arbeit zu beschreiben.
Ich wiederhole: Mit den Begriffen "Dummheit" und "Holzköpfigkeit" wurden Ihre Bemühungen, auf die konjunkturellen Herausforderungen der Welt zu reagieren, charakterisiert. Es ist nun einmal so: Die größte Exportnation der Welt kann in einer weltwirtschaftlichen Krise dieses Ausmaßes im Vergleich zu allen anderen Industriestaaten nicht eines der kleinsten Konjunkturprogramme vorlegen. Das ist das Versagen, das man Ihnen vorwerfen muss.
Wir müssen uns jetzt die Frage stellen, wie wir die Demokratie in unserem Land verwirklichen können. Ein Ministerpräsident aus NRW hat nach dem Kriege gesagt: Demokratie in der Politik und Absolutismus in der Wirtschaft das wird auf Dauer nicht gut gehen. - Wir haben jetzt die Chance durch Belegschaftsbeteiligungen und Mitarbeitergesellschaften den Absolutismus in der Wirtschaft abzubauen.
Oscar Lafontaine (am 30. Jan. im Bundestag)
Tageszeitung, 22. Febr.: Volksbegehren "Pro Reli": Kulturkampf in der SPD
Die Berliner SPD ist gegen das Volksbegehren "Pro Reli" - SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier dafür. Außer ihm hat auch Angela Merkel die Forderungen unterschrieben.
(Duckhome, 25 April: Pro Reli, die schmutzige Lüge, die CDU und Volksbegehren / Humanistische Pressedienst, 4. Mai: Pro Ethik - Glückwunsch an das Land Berlin / DIE WELT, 21. Mai: Kirchentag
Merkel, Steinmeier, Hallelujah und Rock’n’Roll
[Die Lehre aus dem gescheiterten Berliner Volksbegehren "Pro Reli" müsse sein, den Religionsunterricht noch attraktiver zu machen, sagte Steinmeier.] / Duckhome, 27. April: Pro Reli - Berlin hat entschieden)
Frankfurter Rundschau, 12. Febr.: So wäre Rot-Grün
Vor 100 Tagen sollte Andrea Ypsilanti Regierungschefin werden. Wie sähe Hessen aus, wäre Rot-Grün an die Macht gekommen? Ein Überblick.
NachDenkSeiten, 16. Febr.: Hessen streicht "sozial" aus dem Sozialministerium
"Als bisher einziges Bundesland hat Hessen das Wort Soziales aus dem bisher kurz "Sozialministerium" genannten Ressort getilgt. Auf ausdrücklichen Wunsch des neuen Ressortchefs Jürgen Banzer heißt es nun offiziell: "Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit" ... "Sozialministerium klingt abstrakt, theoretisch und nach Metaebene"
Der CDU-Politiker, der das Ressort von der acht Jahre lang nur "Sozialministerin" genannten Parteifreundin Silke Lautenschläger übernahm, hat inoffiziell sogar einen noch neueren Namen kreiert. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Banzer: "Es ist für mich das 'Gesellschaftsministerium', es ist das Haus, in dem Gesellschaftspolitik gemacht wird", berichtet die FAZ . Dem Wirtschaftsministerium steht somit in Hessen kein Sozialministerium mehr gegenüber. Die hessische CDU streicht also das "Soziale" aus der "sozialen Marktwirtschaft". Wolfgang Lieb
In Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es:
Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.
Die Fundamentalenscheidungen des Artikels 20 GG, nämlich für die republikanische Staatsform, für das demokratische Prinzip, für die Bundesstaatlichkeit und für den Sozialstaat, unterliegen also der so genannten "Ewigkeitsgarantie".
"Sozial" ist nach unserer Verfassung auch nicht nur eine programmatische Aussage, sondern eine "alle Staatsgewalten bindende Staatsleitlinie", schrieb einstmals der konservative Roman Herzog in seinem Kommentar zum Grundgesetz.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zur Auslegung des "Sozialen" in Art. 20 GG entschieden. Danach ist Ziel des Sozialstaates der Abbau erheblicher sozialer Unterschiede und die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards für alle Teile der Bevölkerung. Ausgefüllt wird das Sozialstaatsprinzip durch die Fürsorge für Hilfsbedürftige, die Schaffung sozialer Sicherungssysteme (BVerfGE 28, 324, 348ff), die Herstellung von Chancengleichheit und einer gerechten, für Ausgleich der sozialen Gegensätze sorgenden Sozialordnung (BVerfGE 22, 180, 204).
Das alles ist dem neuen Ressortchef Jürgen Banzer (CDU) zu "abstrakt und theoretisch"; sozial klingt für ihn "nach Metaebene". Eine "Metaebene" ist laut Wikipedia eine von der grundlegenden Ebene abstrahierte Ebene, oder umgekehrt gesagt: das Soziale hat nach Banzer mit der konkreten Politik keinen unmittelbaren Zusammenhang. Er will ein "Gesellschaftsministerium" ohne verpflichtende soziale Orientierung.
Da wirbt die Kanzlerin angesichts der Finanzkrise "für internationale Regeln, die sich an den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft orientieren. Ich werde nicht locker lassen, bis wir solche Regeln erreicht haben.", und die Hessen nehmen dem Sozialen seinen Kabinettsrang. Aus dem nun offiziell als "Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit" genannten Ressort ist die bindende Leitlinie "sozial" getilgt.
Bei der Arbeit gilt also die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards oder des Existenzminimums, wie es das Bundesverfassungsgericht fordert (BVerfGE 82, 60, 80), nicht mehr als politischer Gestaltungsauftrag. Bei Familie und Gesundheit soll es auf eine gerechte, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze sorgende Sozialordnung nicht mehr ankommen.
Deutlicher als durch die Umbenennung des "Sozialministeriums" kann man die Hinwendung zu einer Politik der sozialen Kälte programmatisch nicht ausdrücken. Wenn Ministerpräsident Koch den Begriff der "sozialen Marktwirtschaft" künftig noch einmal in den Mund nimmt, sollte jeder wissen, dass dies eine glatte Lüge ist, denn das Soziale wurde in seiner Regierung ausdrücklich getilgt.
Solche "Wort-Brüche" werden wohl nicht zu einer Medienkampagne führen, wie sie gegen seine frühere Herausforderin Ypsilanti inszeniert worden ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Febr.: ZDF sucht Chefredakteur: Mit dem Zweiten schwarz sehen
FOCUS online, 28. Febr.: Ypsilanti bricht in Tränen aus
Andrea Ypsilanti zeigt sich weiter uneinsichtig. Am Wortbruch sei sie nicht gescheitert, meint sie ...
[Franz Müntefering, SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Parteivize Peer Steinbrück] kommunizieren wirklich exzellent miteinander. Es gibt kein Flügelschlagen mehr, sondern ein großes Vertrauen in Müntefering und Steinmeier. Klaas Hübner | Febr. 2009
Klaas Hübner - Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion, im Aug. 2004: Die SPD muss die richtige Politik, die Clement und die Regierung machen, auch um den Preis von Wahlniederlagen durchziehen. Hier gilt für die Seeheimer die alte Maxime: Politiker denken an die nächste Wahl - Staatsmänner an die nächste Generation. (...) Die Agenda 2010 ist eine nötige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Das Programm muss (...) getragen sein von einem veränderten Menschenbild. Der Einzelne muss mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen - und sich stärker für Staat und Gesellschaft engagieren. (...) Symbolpolitik ist (...) mit uns Seeheimern nicht zumachen. (...) Die Gewerkschaften haben sich verändert. In den 60er und 70er Jahren waren sie Speerspitze der gesellschaftlichen Erneuerung. Heute sind sie Besitzstandswahrer.
[Franz Müntefering] hat einfach eine natürliche Autorität, die von allen anerkannt wird. Björn Böhning
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. März: ZDF-Verwaltungsrat: Brender wurde nicht einmal angehört
Frank-Walter Steinmeier (Ja - ich will sozialdemokratischer Bundeskanzler werden.*) am 14. Juni auf dem außerordentl. SPD-Bundesparteitag in Berlin:
- Alles, was Deutschland in den letzten Jahren vorangebracht hat, alles was dieses Land vor der Krise gestärkt und in der Krise zusammengehalten hat, kam von uns.
- Lieber Gerd (Schröder), weil ich Dich hier sitzen sehe, ich werde seit September immer wieder gefragt, ob die SPD nicht jetzt eine andere Politik macht als mit Schröder. Natürlich wollen die hören, dass wir abschwören, der Reform von Arbeitsmarkt und Wirtschaft, die wir durchgekämpft haben; ja, auch mit viel schmerzhaftem Streit** in den eigenen Reihen. - Aber wo stünde denn dieses Land heute, wenn nicht wir Millionen Menschen in Arbeit gebracht hätten? Wir sind diejenigen, die dieses Land wieder handlungsfähig gemacht haben! Mit Reserven in den Sozialkassen und bei der Agentur für Arbeit, die wir jetzt nutzen. Andere haben sich darauf ausgeruht! Das ist unser Werk, unsere Arbeit, wir bestehen darauf!
* SPD-Experte Franz Walter am 8. Sept. 2008 (einen Tag nach dem Meucheln Kurt Becks): "Steinmeiers Kandidatur ist nur ein Bluff"
Ist die neue Doppelspitze jetzt ein Befreiungsschlag oder der erste Schritt in die Opposition?
Walter: Na ja, Oppositionspolitiker sind Müntefering und Steinmeier ja nicht gerade. Für eine weitere Juniorpartnerschaft mit der CDU kann es reichen. Nur Kanzler kann Frank-Walter Steinmeier nicht werden. Das würde allein bei Rot-Rot-Grün gehen. Und eben das will er nicht. Die Kanzlerkandidatur von Steinmeier ist eigentlich so wie die von Westerwelle 2002: ein reiner Bluff.
** Neusprech für Basta, Rücktrittserpressungen und Putsch
zum SPD-Debakel bei der Europawahl:
- Niedrige Wahlbeteiligungen schaden immer Parteien mit bildungsschwacher Klientel, weil die am ehesten zu Hause bleibt. Karl Lauterbach
- Es hat immer wieder Irrende in der Arbeiterschaft gegeben. Ludwig Stiegler
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Nach Europawahl: SPD-Politiker fordert Geldstrafe fürs Nichtwählen (DIE WELT, 9. Juni 2009)
RTL-Super-Nanny macht Wahlkampf für die SPD
Die SPD bekommt Wahlkampfhilfe von der Super-Nanny! TV-Star Katharina Saalfrank (RTL) tourt bis Ende Juli zusammen mit SPD-Generalsekretär Hubertus Heil durch Deutschland.
Die Nanny und der General treten an fünf Terminen in acht Bundesländern auf, besuchen Schulen und Kindergärten, diskutieren über Erziehung und Bildung.
Der SPD-Generalsekretär zu BILD: „Wir freuen uns, dass uns Katia Saalfrank unterstützt. Sie ist eine sehr kluge Gesprächspartnerin mit sehr viel Einfühlungsvermögen für die Probleme von Kindern und Eltern.“
Übrigens: Schon vergangenes Jahr hatten der General und die Supernanny einen gemeinsamen Auftritt – in Heils Heimat Peine.
Das war völlig anders als normale Wahlkampfveranstaltungen, erinnert sich Heil heute. Ein ganz anderes Publikum als sonst, junge Mütter und Väter mit „ganz konkreten Fragen“. BILD, 4. Juli
(Hubertus Heil - SPD-Generalsekretär)
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"Super-Nanny" hilft der SPD
Die SPD kann im Wahlkampf über Hilfe von Katharina Saalfrank, der RTL-"Super-Nanny", bauen. Am Montag starten Saalfrank und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in Velbert (NRW) eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen über Bildung und Familie. Rheinische Post, 5. Juli
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SPD-Wahlkampf: Die rote „Super Nanny“
Katia Saalfrank, TV-Erzieherin und Genossin, zieht für die SPD in die Wahlschlacht. FOCUS, 6. Juli
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„Super Nanny“ lobt Ursula von der Leyen
RTL-„Super Nanny“ Katharina Saalfrank ist trotz ihrer SPD-Mitgliedschaft voll des Lobes für Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Ich schätze Ursula von der Leyen sehr“, sagte die Diplompädagogin am Montag in Berlin.
Die Ministerin führe allerdings lediglich die von der SPD angestoßene Familienpolitik fort. „Leider ist sie in der falschen Partei“, fügte die Macherin der RTL-Sendung „Die Super Nanny“ hinzu. Wolfsburger Allgemeine Zeitung, 6. Juli
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Super-Nanny gegen Super-Uschi Handelsblatt, 6. Juli
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Eine Super-Nanny für Steinmeier
Im Dienst von RTL kümmert sich Katharina Saalfrank um schwer erziehbare Kinder und deren überforderte Eltern. Jetzt übernimmt die Super-Nanny einen ähnlich undankbaren Job - und wirbt im Wahlkampf für die SPD. Kölner Stadt-Anzeiger, 6. Juli
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SPD engagiert Super Nanny als Helferin
Sie ist dafür da, schwerste Familienkonflikte zu lösen. Nun aber bekommt es die "Super Nanny" von RTL mit ihrem bislang vielleicht schwierigsten Problemfall zu tun: Katharina Saalfrank soll die in Umfragen am Boden liegende SPD kurz vor der Bundestagswahl wieder aufrichten. (...)
Beeindruckt von Gerhard Schröder
Seit zwölf Jahren sei sie SPD-Mitglied, erzählte sie. Der damalige Kanzler Gerhard Schröder sei dafür verantwortlich, der habe sie mit seiner seiner Solidarität mit den Schwächeren und der Modernisierung der Gesellschaft beeindruckt. DIE WELT, 6. Juli
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"Problemkind" SPD: "Super-Nanny" macht Wahlkampf
Katharina Saalfrank hat nicht nur ein Herz für Problemfälle, sie ist auch ein "politischer Mensch". So soll die Fernseh-Erzieherin nun der SPD aus dem Umfragetief helfen. N24, 7. Juli
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Gegenentwurf zu von der Leyen: Eine "Super-Nanny" für die SPD
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil holt sich Wahlkampfhilfe bei der "Super Nanny". Schatten-Ministerin wolle sie nicht werden, erklärt Katharina Saalfrank, die als roter Gegenentwurf zu Ursula von der Leyen Punkte machen soll. Rheinische Post, 7. Juli
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Wahlkampfeinsatz: SPD empört über Super Nanny
Das Engagement von "Super Nanny" Katharina Saalfrank im Wahlkampf der SPD stößt laut SPIEGEL-Informationen in eigenen Reihen auf Kritik. Kinder würden in der RTL-Sendung bloßgestellt, so der Vorwurf von Abgeordneten von SPD und Grünen. SPIEGEL online, 11. Juli
Frankfurter Rundschau, 13. Juli: Korruption: Paranoide Querulanten
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Frankfurter Rundschau, 21. Juli: Steuerfahnder-Affäre Kontrolle unerwünscht
Kinder stark machen
Eine überaus positive Bilanz haben Hubertus Heil und Katia Saalfrank zum Abschluss der gemeinsamen Veranstaltungsreihe "Bildung und Familie - Was brauchen unsere Kinder" gezogen. Das Interesse am Thema, haben sie festgestellt, ist enorm.
Es waren die vorerst letzten Veranstaltungen einer sehr erfolgreichen Tour quer durch Deutschland. Die Diplompädagogin und Musiktherapeutin Katia Saalfrank - auch bekannt aus dem RTL-Format "Die Super Nanny" - diskutierte gemeinsam mit Hubertus Heil und Politikern vor Ort über die Themen Bildung, Familie und Erziehung. SPD.de, 31. Juli
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„Super-Nanny“ im Wahlkampf: Ein Kindermädchen für die SPD
Katharina Saalfrank soll das familienpolitische Profil der SPD schärfen. Die Partei will sich mit Hilfe der Fernsehpädagogin aus dem Umfragetief befreien - nebenbei macht die „Super-Nanny“ Werbung für sich selbst. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Aug.
Frankfurter Rundschau, 4. Aug.: Hessen: Keine zusätzlichen Fahnder
Rudolf Dreßler: Wenn ich mir diesen Laden angucke, bleiben Wut, Enttäuschung, Bitterkeit. Am SPD-Bundesparteitag Ende Oktober will Dreßler nicht teilnehmen, und zwar schon deshalb nicht, weil Schröder dort ein Grußwort sprechen soll: Da werden 50 Prozent der Delegierten gegen ihre innere Überzeugung zu Beifallsstürmen gezwungen. Das verstehe ich auch intellektuell nicht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Aug.: "Korrektur vieler Falschmeldungen"
Süddeutsche Zeitung, 10. Aug.: SPD in Hessen: Die späte Wahrheit über Jürgen Walter
Erst zum Regierungsanlauf mit Hilfe der Linken ermuntert, dann spektakulär im Herbst 2008 scheitern lassen: hessische Intrigen gegen Andrea Ypsilanti.
Halten Sie die verrottete und verschuldete SPD (lange Pause) NPD aus dem Landtag heraus. Frank-Walter Steinmeier auf einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Dresden | Aug. 2009
Die SPD setzt trotz FDP-Absage auf die Ampel
Keinesfalls werde man nach der Bundestagswahl mit Grünen und SPD koalieren, hat die FDP verkündet. Doch die Sozialdemokraten setzen ganz unverdrossen weiter auf eine Zusammenarbeit mit den Liberalen. Koalitionsfragen würden schließlich "erst am Wahltag ab 18.01 Uhr ernsthaft bewertet". DIE WELT, 21. Sept. 2009
Nur gesetzt den Fall, Schröder, Clement, Steinbrück, Müntefering und Steinmeier (und vermutlich noch ein paar andere) wären korrupt genug, sich dafür anzubieten, die SPD für die nächsten 20 Jahre politisch zu zerstören, hätten bestimme Interessensgruppen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: sie hätten ihre eigenen Ziele (die der SPD angelastet werden) erreicht und gleichzeitig die (ehemalige) Partei der Arbeitnehmer über viele Jahre hinweg diskreditiert und damit ausgeschaltet - was die Fortführung ihrer eigenen Pläne garantiert.
Das derzeitige Wahlkampfverhalten der SPD wäre hier kein Rätsel mehr, sondern kalkuliert; ebenso kalkuliert wie all die verstörenden, unsinnigen und parteipolisch destruktiven Ereignisse innerhalb der SPD (ein Beispiel unter unzähligen - die bodenlos dumme (?) Wortmeldung Clements im Fall Ypsilanti bei der Hessenwahl).
NachDenkSeiten
Radio Utopie, 6. Okt.: Hermann Scheer kritisiert "fast putschistische" Rochade der alten SPD-Regierungslobby
Der alternative Nobelpreisträger sieht die "Selbstnominierung" von Funktionären an der Parteispitze im Widerspruch zur "demokratischen Verfassung einer Partei".
Hermann Scheer äusserte sich gestern vor dem SPD-Präsidiums- und Vorstandstreffen im Willy-Brandt-Haus zur Ausrufung von Siegmar Gabriel als Parteivorsitzenden, Andrea Nahles als Generalsekretärin und Frank-Walter Steinmeier als Fraktionsvorsitzenden, welche nur durch eine kleine Clique leitender SPD-Funktionäre organisiert worden war. Scheers Kritik wurde, ungewöhnlich genug, sogar in den gestrigen ZDF-Abendnachrichten um 19 Uhr im Original gesendet. Scheer verlautbarte, dass
"in einem Hauruck-Verfahren, quasi fast putschistisch, 48 Stunden nach der Wahl, bevor eine Diskussion stattgefunden hat, ein solcher Akt der Selbstnominierung eines kleinen Personenkreises stattgefunden hat ...
Updates:
F!XMBR, 6. Okt.: Die Lanze brechen für Andrea Ypsilanti
Andrea Ypsilanti hat einen der erfolgreichsten SPD-Wahlkämpfe des letzten Jahrzehnts geführt. Sie ist aber auch – wie kaum ein anderer SPD-Spitzenkandidat vor ihr – verdammt tief gefallen.
TELEPOLIS, 8. Okt.: Wenn es mit der Agenda 2010-Politik der SPD so weitergeht wie bisher, könnten die Sozialdemokraten nicht mehr im 20-Prozent-Bereich, sondern im 10-Prozent-Bereich landen. Warum ist gegen Gerhard Schröder eigentlich nie ein Parteiausschlussverfahren wegen parteischädigenden Verhaltens angestrengt worden? - Albrecht Müller: Solches müsste ja nicht nur gegen Schröder, sondern auch gegen Franz Müntefering, Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Olaf Scholz etc. eröffnet werden. Sie sind alle verantwortlich für die Agenda 2010 und dafür, dass die Systeme der sozialen Sicherheit der Menschen beschädigt und teilweise zerstört wurden. Auch bei Peer Steinbrück, der uns sehenden Auges in die Finanzkrise hat schlittern lassen, gab es so viele Fehler, dass ich mir das mit Unvermögen allein nicht mehr erklären kann.
Die SPD hat jetzt viel Zeit, um sich zu erneuern. Nach links kann ihr Weg dabei aber nicht führen. Michael Naumann
Ja - und das waren gute elf Jahre (Regierung) für Deutschland. Und ich empfehle meiner Partei, das nicht zu vergessen und nicht beiseitezuschieben. Wir haben in diesen elf Jahren viel erreicht. Wir haben nach den verschlafenen neunziger Jahren in der Kohl-Zeit damit begonnen, Deutschland zu modernisieren. (...) Es bleibt die Agenda 2010 als eine mutige Entscheidung für Arbeit (das sind) ganz große Punkte, die in den Geschichtsbüchern stehen werden. (...) Wir haben uns ja nicht freiwillig geopfert, um Gottes willen. Aber man darf trotzdem sagen: Dieses Stück ist in der Geschichte der SPD ein stolzes Stück und ein gutes Stück. Und das ist mir ganz wichtig, dass wir uns nicht genieren müssen für das, was wir getan haben. Das wird uns auch wieder die Kraft geben für den Weg nach vorn. (...) Wir sind kleiner geworden, aber wir sind nicht hilflos. Wir wissen, was richtig ist. (...) Im Regierungshandeln kann man nicht durch eine Art Parteibefragung klären, was man jetzt machen darf oder nicht, ja oder nein. (...) Ja im Vorlauf zu den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 wurde die Sache schwieriger. Als Fraktionsvorsitzender musste ich dem Kanzler sagen: Da kommen immer mehr, die sagen, wir machen das nicht mehr mit, und ich kann dir nicht versprechen, dass wir noch Mehrheiten haben. Wir hatten einige Landtagswahlen verloren. Dann kam NRW. Das Ergebnis war so schlimm, dass wir uns gesagt haben: Wir glauben nicht, dass noch eine Mehrheit da ist, die dieses Land regieren kann. (...) Ich bleibe Abgeordneter - und der Partei erhalten. Immer. Franz Müntefering
Feynsinn, 1. Nov.: Ein Jahr ohne Yps
Vor einem Jahr stand die hessische SPD zwischen einem Minister Jürgen Walter und dem hinterhältigsten "Gewissen" der deutschen Parlamentsgeschichte.
Carta (Wolfgang Michal), 4. Nov.: Gerechtigkeit für Andrea Ypsilanti
Vor genau einem Jahr hatte die SPD die einmalige Chance, die kulturelle Hegemonie gegen schwarz-gelb zurück zu erobern. Die Konservativen spürten das sofort. Und feuerten aus allen Rohren. Die SPD knickte ein. Andrea Ypsilanti nicht.
Ich sage nicht, die Leute waren zu blöd, uns zu verstehen. Nein. Wir waren zu blöd, unsere Themen richtig rüberzubringen. Es reicht eben nicht mehr aus, nur die richtige Politik zu machen. Florian Pronold
Wir sind kampffähig. Wir sind kampfbereit. Wir kommen wieder. Franz Müntefering
Frankfurter Rundschau, 13. Nov.: Finanzielle Gründe: Kein Obst für Schüler
Hessische Schüler müssen auf kostenlose Äpfel und Bananen verzichten, obwohl die Europäische Union die meisten bezahlen würde. CDU und FDP lehnten am Donnerstag eine Beteiligung am Schulobst-Programm aus finanziellen Gründen ab.
SPD-Bundesparteitag, 13.-15. Nov.:
Frank-Walter Steinmeier: Wir wissen, dass eine Partei, die nicht zu ihrer Geschichte steht, auch keine Zukunft gewinnen kann. Dabei vergessen wir nicht, dass wir dieses Land aus dem schwarz-gelben Muff der 90er-Jahre geholt haben, dass wir dieses Land geöffnet haben und dass wir dieses Land nach vorne gebracht haben.
Franz Müntefering: Wir sind kampffähig. Wir sind kampfbereit. Wir kommen wieder.
- Aus dem Präsidium der Bundes-SPD wurden - mit sehr warmen & herrlichen herzlichen Worten - verabschiedet: Hermann Scheer und Andrea Ypsilanti.
Olaf Scholz - (Agenda 2010-) Generalsekretär im Schröder-Regime und bisherige Bundesarbeitsminister im Merkel-Schröderianer-Kabinett,
Hannelore Kraft - ehem. Ministerin im Kabinett Clement II und Kabinett Steinbrück und seit Ende 2006 Landesvorsitzende der SPD Nordrhein-Westfalen,
Andrea Nahles - Agenda 2010-Verfechterin ("Es ist gut, dass wir die Agenda gemacht haben") sowie Opportunistin par excellence,
Klaus Wowereit - "Arm, aber sexy"-Bürgermeister von Berlin und Thilo Sarrazin-Fan (Berliner Senator für Finanzen von Jan. 2002 bis Ende April 2009 sowie 46 bekannte Nebentätigkeiten) und
Manuela Schwesig - 2003 SPD-Eintritt "wegen Agenda 2010", zur Bundestagswahl 2009 im "Kompetenzteam" des SPD-Kanzlerkandidaten und Agenda 2010-Technokraten Frank-Walter Steinmeier, im gleichen Jahr Zensursuela der SPD & "Ich gehe davon aus, dass eine gezielte Bedarfsermittlung dazu führt, dass die Regelsätze für Kinder erhöht werden müssen (...) Bislang ist er nur prozentual vom Regelsatz für Erwachsene abgeleitet, in den beispielsweise auch Alkohol eingerechnet ist"
wurden die vier StellvertreterInnen des neuen SPD-Chefs Sigmar Gabriel - 2003 das schlechteste Wahlergebnis seit 1945 in Niedersachsen, darauf SPD-Popbeauftragter und 2005 als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in das Merkel-Schröderianer-Kabinett geholt.
Bestätigt im Amt als Schatzmeisterin wurde Barbara Hendricks - Mitglied im Seeheimer-Kreis, von 1998 bis 2007 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen und zur Bundestagswahl 2009 Mitglied im Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten
Frank-Walter Steinmeier - Agenda 2010-Technokrat (und damit einer der Haupttäter von Massen-Entrechtung und -Enteignung) & auch damit zur BTW 2009 der größte Wahlverlierer seit über 120 Jahren, worauf er sich - weil er "vor der Verantwortung nicht flüchten" könne & von nun an seinen "Beitrag als Oppositionsführer im Deutschen Bundestag leisten" werde - zum Oppositionsführer ausrief... kraftvoll & stürmisch begleitet von (vermutlich nicht gedopten) Jubelpersern im Willy Brandt-Haus ...
Frankfurter Rundschau, 20. Nov.: Steuerfahnder-Affäre: Was wussten Koch und Hahn?
Süddeutsche Zeitung - 14 Monate zuvor: Vermummen und Verdummen
Ja, es müsste in diesen Tagen Wahlkampf in Deutschland geben, so wenige Wochen vor der Stimmabgabe - und doch ist es ruhig wie in der Halbzeitpause eines Fußballspiels. Konkrete Debatten über politische Konzepte fallen aus. Es gilt die Macht des Slogans und des lächelnden Gesichts. Die CDU-Kreation "Wir haben die Kraft" ist dabei so einfach gehalten, dass man sich beinahe sehnsuchtsvoll an Testosteron-Politiker vergangener Jahre erinnert.
Die Verhältnisse können politisch Interessierte zum Verzweifeln bringen, aber keiner hat es deutlicher, emotionaler, gezeigt als der ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender am Montagabend in der Nachrichtensendung "heute-journal". Da stand er im Studio, die Stimme überschlug sich fast, einmal versprach er sich vor Wut über den "respektlosesten Wahlkampf", den die Bundesrepublik jemals erlebt habe. Die Bürger hätten ein Recht auf Transparenz, auf einen Ideen-Wettstreit der Parteien, so Brender, doch es würde nicht erklärt, wie die vielen Probleme bewältigt werden sollen.
"Vor allem die Kanzlerin entzieht sich jeder Auseinandersetzung", befand Brender: "Sie verstößt straflos gegen das in Deutschland geltende Vermummungsverbot". Im Übrigen werde am 27. September nicht der Präsident oder die Präsidentin gewählt, sondern der Kanzler, schob der ZDF-Chefredakteur nach.
Zur Einordnung des ungewöhnlichen Kommentars zur Vermummung der Regierungschefin muss man wissen, dass Brenders Vertrag im nächsten Jahr ausläuft und nach Stand der Dinge nicht verlängert wird. Die CDU-Vertreter im Verwaltungsrat, allen voran der Hesse Roland Koch, haben sich auf den parteilosen Journalisten eingeschossen, der politische Freundeskreise meidet und in seiner Jugend mal in der Jungen Union war. Die Kanzlerin gilt selbst als Mitinitiatorin der Anti-Brender-Aktion . Wenn Politik funktioniert, dann im Hinterzimmer der Macht, und das ist schon mal ein Konferenzraum des ZDF auf dem Mainzer Lerchenberg.
Angela Merkel hat es nicht gefallen, dass der ZDF-Chefredakteur in der "Elefantenrunde" nach der Bundestagswahl 2005 persönlich gegen den aufgekratzten Kanzler Gerhard Schröder stichelte. Nun wird Merkel selbst bald in ähnlicher Position sein, und kantige Journalisten, die ihren Senf immer zur Wurst geben, schätzt sie nicht. Brender also hat auch persönliche Gründe für seinen Ärger. Unabhängig davon ist seine Analyse berechtigt.
Frankfurter Rundschau, 28. Nov.: Hessens Finanzminister: Das Mobbing-System
Frankfurter Rundschau, 10. Dez.: Psychiater Thomas H.: Landgericht stoppt Ermittler
In der Affäre um die mit falschen Gutachten geschassten hessischen Steuerfahnder gibt es eine weitere überraschende Wendung: Wie jetzt bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen den Psychiater Thomas H. eine gerichtliche Niederlage erlitten, nachdem im April dessen Räume durchsucht worden waren. "Wir mussten alle Durchsuchungsunterlagen wieder an den Arzt zurückgeben", sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Doris Möller-Scheu der FR auf Anfrage.
Der Psychiater habe gegen die Durchsuchung geklagt. Schon am 9. September sei ein Beschluss des Landgerichts Frankfurt ergangen, "dass die Durchsuchung rechtswidrig war".
Frankfurter Rundschau, 12. Dez.: Hessische Steuerfahnder: Weimars lange Psycho-Liste
Die hessische Finanzverwaltung hat seit 2005 insgesamt 22 Beamte zu dem Frankfurter Psychiater Thomas H. geschickt, der von einem Berufsgericht verurteilt wurde, weil er vorsätzlich falsche Gutachten über vier Steuerfahnder angefertigt und die Beamten darin für verrückt erklärt hatte.
Stern, 19. Dez.: Steuerfahndung Frankfurt: Eiskalt abserviert
Als Ermittler holten sie für den Staat Millionen, auch bei den großen Banken. Doch plötzlich war Schluss. Plötzlich störten sie die Geschäfte und wurden als Querulanten aus dem Dienst gemobbt. Die Geschichte von Rudolf Schmenger und seinen Kollegen von der Steuerfahndung Frankfurt, die jetzt auf Gerechtigkeit hoffen.
Frankfurter Rundschau, 13. Dez.: Seeheimer Kreis der SPD: Keinen Schritt nach links
Dagmar Metzger war nicht da. Auch Jürgen Walter, Carmen Everts und Silke Tesch kamen nicht. Metzger gehört zwar fest zum Sprecherkreis und die anderen drei der im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geratenen SPD-Abweichler arbeiten lose mit. Doch Metzger hatte andere Verpflichtungen, als am Wochenende rund 50 SPD-Rechte an einem geschichtsträchtigen Ort zusammenkamen. (...)
"Wenn die SPD nicht begreift, dass sie gegen diese (Links-) Partei eine Strategie entwickeln muss, wird sie weiter zerrieben." Die Etiketten "rechts" oder "konservativ" für den SPD-Flügel hört Weber nicht gerne - schon lieber "bürgernah" oder "pragmatisch". "Der Seeheimer Kreis in der SPD Hessen tritt ein für eine Politik, die unveräußerliche sozialdemokratische Werte mit pragmatischem, ergebnisorientiertem Handeln in Einklang bringt", heißt es in der Selbstdefinition. (...)
Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel hatte sich gegen unterschiedliche Flügel ausgesprochen. Doch den Seeheimern gehe es nicht um Grabenkämpfe, sondern um einen Beitrag "zur lebendigen Diskussion und Gesprächskultur, die die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der SPD im Gespräch vereint". "Unser Landesvorsitzender", sagt Weber, "vertritt ja zu Recht die Meinung, dass wir eine breite Diskussionsebene brauchen, um uns von Grund auf zu erneuern. (...)
Nach der letzten Bundestagswahl mischten sich die hessischen Seeheimer mit einem Positionspapier in die Richtungsdiskussion der SPD ein. Während die Partei über eine Abkehr von Hartz IV debattierte, bekräftigte der Kreis den Gedanken eines "aktivierenden und vorsorgenden Sozialstaats". Die SPD müsse sich stärker zur "Mitte der Gesellschaft" öffnen, hieß es in dem Papier
Stern, 19. Dez.: Steuerfahndung Frankfurt: Eiskalt abserviert
Als Ermittler holten sie für den Staat Millionen, auch bei den großen Banken. Doch plötzlich war Schluss. Plötzlich störten sie die Geschäfte und wurden als Querulanten aus dem Dienst gemobbt. Die Geschichte von Rudolf Schmenger und seinen Kollegen von der Steuerfahndung Frankfurt, die jetzt auf Gerechtigkeit hoffen.
19. Dez.: "Da war Scham"
Mit den Stimmen der Linkspartei wollte Andrea Ypsilanti (SPD) einst hessische Ministerpräsidentin werden. Damit endete ihre Karriere. Ein Gespräch über gebrochene Versprechen und Fehler in der Politik
DIE ZEIT: Ihr Name hat mittlerweile die Qualität eines Synonyms. Ich mache nicht die Ypsilanti, heißt es, wenn jemand versichern will, dass er sein Wort hält. Andrea Ypsilanti: ...was wehtut, wenn ich das lese. Das verzerrt und verletzt mich deshalb jedes Mal. Aber andererseits bin ich auch für viele ein Synonym für eine offensivere sozialdemokratische Politik. Das ermutigt.
ZEIT: Schon mal drüber nachgedacht, Ihren Mädchennamen wieder anzunehmen ...
Sie stürzte ihre Partei ins Chaos, weil sie um jeden Preis mit ihrer rotrot-grünen Truppe regieren wollte, sie verlor all ihre Ämter - doch Reue oder Einsicht zeigt Andrea Ypsilanti (52) nicht. In einem "Bunte"-Interview antwortete die SPD-Politikerin auf die Frage, ob sie ihren Fehler bereut: "Welchen Fehler?"
BILD meint:
Realitätsverlust?
Frankfurter Rundschau, 24. Dez.: Landtagsopposition klagt HR als "Schwarzfunk"
2010
 
28. Jan.: Ermittlungen gegen Polizei-Ärzte: Noch mehr falsche Gutachten?
Außer den vier Steuerfahndern ist möglicherweise auch ein Polizeibeamter in Hessen mit fehlerhaften ärztlichen Gutachten für dienstunfähig erklärt worden. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittle gegen zwei leitende hessische Polizeiärzte und einen psychiatrischen Gutachter, sagte Staatsanwalt Hartmut Ferse der Frankfurter Rundschau und bestätigte damit einen HR-Bericht. Es gehe bei den Ermittlungen um den Anfangsverdacht des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse, so Ferse.
29. Jan.: Steuerfahnder-Affäre: Koch sieht keinen Skandal
Wiesbaden. Erstmals hat sich der hessische Ministerpräsident Koch (CDU) zur Affäre um vier zwangspensionierte Steuerfahnder geäußert. "Es gibt keinen Skandal", sagte Koch am Donnerstag im hessischen Landtag und verteidigte seinen Finanzminister und Parteifreund Karlheinz Weimar. "Dieser Finanzminister hat es nicht verdient, von Ihnen auf diese Weise durch den Schmutz gezogen zu werden", rief er aus ...
Ypsilanti, Andrea
Die linke Sozialdemokratin Andreas Ypsilanti hätte ab dem Jahr 2008 die Politik Deutschlands möglicherweise grundlegend verändert. Die Kritikerin einer neoliberalen SPD unter Bundeskanzler Gerhard Schröder setzte in Hessen unter dem Motto einer "Sozialen Moderne" alles daran, deutliche politische Kurskorrekturen vorzunehmen. Sie kämpfte für eine SPD-geführte rot-grüne Landesregierung mit ihr als Ministerpräsidentin an der Spitze. Der als "Solarpapst" bekannte Bundespolitiker Hermann Scheer (SPD) sollte unter Ypsilanti als Super-Minister für Wirtschaft und Energie der etablierten Energiewirtschaft den Kampf ansagen: Anstelle von Atomstrom aus dem Kernkraftwerk Biblis und Kohlestrom aus dem Großkraftwerk Staudinger wollten Ypsilanti und Scheer die Stromversorgung des Bundeslandes zügig auf dezentrale erneuerbare Energieanlagen umstellen. Auch sollte es beispielsweise eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns geben. Eine breite gesellschaftliche Bewegung unterstützte die Politik Ypsilantis für mehr soziale Gerechtigkeit und eine ökologische Modernisierung der Industriegesellschaft.
Ypsilanti - Hoffnungsträger für breite Bevölkerungskreise
Eine breite gesellschaftliche Bewegung unterstützte die Politik Ypsilantis für mehr soziale Gerechtigkeit und eine ökologische Modernisierung. Andrea Ypsilanti war die Hoffnungsträgerin für breite Bevölkerungskreise, für alle, die sich von der neoliberalen Politik verraten fühlen.
Nach der Landtagswahl im Januar 2008 sollte eine rot-grüne Landesregierung mit Ypsilanti als Regierungschefin gewählt werden. Ypsilantis Politik war den Elliten Deutschlands allerdings ein Dorn im Auge. Kurz vor der Landtagswahl warnte der SPD-Spitzenpolitiker Wolfgang Clement in einem Medienbericht ausdrücklich vor der Wahl der hessischen SPD bzw. von Andrea Ypsilanti ...